Eine nachhaltige und ökologische Geflügelhaltung, bei der sowohl die Hähne als auch die Hennen aufgezogen werden und zur Eier- und Fleischproduktion dienen – so soll die Zukunft in der biodynamischen Landwirtschaft aussehen. Dazu gut geeignet ist das sogenannte Zweinutzungshuhn. Die Abhängigkeit von wenigen Grosskonzernen, von denen die Küken der Hybridlegehennen bezogen werden müssen, entfällt – das Kükentöten sowie die gesundheitsschädigende und ausbeuterische Hochleistungsspezialisierung erübrigt sich. Die in Deutschland biogezüchteten Gebrauchskreuzungen, moderne Zweinutzungshühner aus alten Rassen, sollen dies richten.

Aus der Verpaarung der Rassen «Bresse Gauloise» mit «White Rock» entstehen «Cream»-Hühner, weisse Hennen und weisse Hähne. Aus der Kreuzung von «Bresse Gauloises» mit «New Hampshire» entsteht eine bunte Truppe mit braunen, weissen sowie schwarzgesprenkelten «Coffee»-Hühnern. Daneben gibt es noch das «Caramel»-Huhn, entstanden aus der alten Rasse «Deutscher Lachshahn» verpaart mit «White Rock»-Hennen. Ganze zwei Jahre lang musste sich der Schweizerische Demeter-Verband auf die Importbewilligung gedulden, bis im Sommer 2021 dann die ersten «Coffee»- und «Cream»-Bruteier von der Ökologischen Tierzucht gGmbH (ÖTZ) eingeführt werden konnten.

Bisher gibt es Kaffee nur ohne Creme

Bis Ende 2022 werden 6000 Zweinutzungslegehennen in der Schweiz leben. Auf knapp 60 Demeter-Betrieben, drei Biobetrieben und einem konventionell geführten Hof, sagt Herman Lutke Schipholt. Der Landwirt leitet die Koordinations- und Beratungsstelle Geflügel von Demeter Schweiz und engagiert sich stark für die Etablierung der Zweinutzungshühner. Nicht nur in der Schweiz seien die Tiere immer gefragter, seit der Exportfreigabe werden Bruteier nach ganz Europa und insbesondere nach Kamerun sowie Zentralafrika verkauft.

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In der Schweiz möchte man sich erst einmal auf die «Coffee»-Gebrauchskreuzung konzentrieren. Diese ist von der Legeleistung her etwas besser als die anderen Kreuzungen, die Eiergrösse passt gut und zudem sind die farbigen Tiere hübsch anzusehen. Die «Caramel»-Hühner können noch nicht importiert werden, und «Bresse Gauloises»-Hühner, die für ihre Fleischqualität geschätzt sind, werden bisher lediglich von einem Hof gehalten, der die manchmal etwas grossen Eier direkt vermarkten kann. Doch wieso müssen überhaupt neue Kreuzungen gezüchtete werden, hätten wir etwa mit dem Schweizerhuhn nicht eine alteingesessene Zweinutzungsrasse direkt vor der Haustür? Herman Lutke Schipholt winkt ab. Diese Rasse wurde vor allem auf ihr Aussehen gezüchtet, nicht auf Eier- und Fleischleistung. Als Nebenerwerb sind diese Hühner toll, muss die Legeleistung kalkulierbar sein, wird es schwierig.

Bei den Hybridhennen ist die Legeleistung genau durchgeplant. Sobald diese nicht mehr den Ansprüchen entspricht, will heissen im Alter von einem Jahr, bevor sie in die Mauser kommen und die Legeleistung nachlässt, werden diese Eierproduzentinnen ausgestallt. Bei den Zweinutzungshennen sieht es etwas anders aus, wenn auch nicht grundlegend. Diese Tiere können etwa eineinhalb Jahre gehalten werden, weiss der Experte.

Sie seien gesundheitlich robuster und würden auf eine gute Mauser selektioniert. Wichtig ist Herman Lutke Schipholt zu erwähnen, dass die Absicht besteht, Ausstallungshennen noch weiter zu platzieren und damit länger zu nutzen. Würden beispielsweise grosse Ställe ausgestallt, können kleinere Betriebe noch einige gute Tiere übernehmen. Was aber nicht ganz einfach sei, da die Eier in der zweiten Legephase deutlich grösser ausfallen, als dies der Konsument wünscht. Hundert Prozent der Tiere nachzunutzen, sei eine Illusion, auch wenn dadurch weniger in die Aufzucht und das Futter investiert werden müsste.

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Mehr Wertschätzung für Geflügelprodukte

In der Futterverwertung liegt nämlich auch ein kleiner Schwachpunkt der Zweinutzungshühner. Dass diese mehr Futter benötigen und damit ökologisch einen grösseren Krallenabruck hätten als die Hybride, sei nicht vom Tisch zu wischen, sagt Schipholt. Es ist aber zu sagen, dass sie weniger eiweissreiches Futter benötigen und gut Resten und Raufutter verwerten können. Und da von den extensiv gehaltenen «Coffee»-Hühnern weder in der Ei- noch in der Fleischproduktion dieselbe Leistung wie von den konventionellen Tieren gefordert werde, sei die Haltung der Zweinutzungshühner doch wieder nachhaltig. Besonders vor dem Hintergrund, dass ab 2025 sicher 50 Prozent des verwendeten Futters in Demeter-Betrieben aus Eigenproduktion stammen muss. Ist dies nicht möglich, soll die Zusammenarbeit mit einem anderen Demeter-Hof gesucht werden, damit sich das Verhältnis von Pflanzenbau und Tierhaltung ausgleichen und einen Kreislauf bilden kann.

«Ende 2022 werden 6000 Zweinutzungslegehennen in der Schweiz leben.»

Nicht nur vom ethischen und ökologischen Standpunkt gesehen, sondern auch vom Verhalten herbringen die «Coffee»-Hühner Vorteile mit sich. Wie die meisten Zweinutzungsrassen sind sie gemütlicher und somit besser händelbar als die nervösen Hochleistungstiere. Demeter und Bio haben eine Absichtserklärung unterzeichnet, mehr auf Zweinutzungshühner zusetzen. Deshalb appelliert Schipholt, dass ein Um-denken im Konsum stattfinden muss. Will man auf mehr Tierwohl setzen, gilt es Eier bewusster zu verwenden. Momentan laufen Verhandlungen, um die Eier in den Grosshandel zu bringen, die Preiskalkulation laufe auf Hochtouren, so der Fachmann. Er sei zuversichtlich, dass der Absatz sich so positiv wie die Legeleistung entwickeln werde. Bei gutem Management würde ein Zweinutzungshuhn heute bereits 230 Eier legen.

Bei den weiblichen Tieren scheint die Zukunft also rosig. Wie steht es um die «Coffee»-Hähne, die in der Pouletmast eingesetzt werden? «Dieses Produkt muss sich noch etablieren», ist sich der Fachmann bewusst. Denn das Fleisch von Zweinutzungshühnern ist noch nicht regelmässig im Angebot. Von der Fleischquantität her liegt es zwischen den mageren Bruderhähnen und den speziell für die Mast gezüchteten Biohähnen.