Ziervogellexikon
Grosser und Kleiner Paradiesvogel: Geschöpfe des Himmels
Auch Paradiesvögel wurden im Lauf der Geschichte von Zoos, Vogelparks und privaten Vogelliebhabern gehalten, sogar in der Schweiz. Sie gehörten immer zu den Exklusivitäten der Vogelhaltung. Auch heute noch fliegen sie weltweit in den Volieren einiger weniger Liebhaber. Der Grosse und der Kleine Paradiesvogel – beide sehen sehr ähnlich aus und unterscheiden sich insbesondere durch die Grösse – nehmen wegen ihres spektakulären Gefieders und der aufregenden Balz der Männchen eine Sonderstellung ein.
Bemerkung
Der Grosse und der Kleine Paradiesvogel sind im zoologischen System zwei verschiedene Arten. Sie werden aber hier im Ziervogellexikon gemeinsam vorgestellt, da sie punkto Haltungsgeschichte und Ansprüche fast gleich zu behandeln sind. In älterer Literatur ist manchmal nicht sicher zu eruieren, welche der beiden Arten gehalten wurde.
Steckbrief Wissenschaftliche Bezeichnung: Grosser Paradiesvogel (Paradisaea apoda), Kleiner Paradiesvogel (Paradisaea minor)
Unterarten: Grosser Paradiesvogel: Nicht ganz klar, manchmal werden zwei Unterarten beschrieben: Paradisea apoda novaeguineae (in Neuguinea verbreitet) und die Nominatform Paradisaea apoda apoda (von den Aru-Inseln). Die Art hybridisiert im Süden Neuguineas mit dem Raggi-Paradiesvogel. Kleiner Paradiesvogel: Paradisaea minor, Paradisaea minor jobiensis, Paradisaea minor finschi.
Herkunft: Grosser Paradiesvogel: Die Nominatform stammt von den Aru-Inseln, die Unterart von Neuguinea. Kleiner Paradiesvogel: minor (Insel Misool und westliche Hälfte von Neuguinea); jobiensis (Insel Yapen), finschi (nördliches Papua-Neuguinea)
Grösse: Grosser Paradiesvogel: 43 cm, längere Schwanzfedern, Kleiner Paradiesvogel: 32 cm
Wildfarbe: Männchen: Stirn, Ohrendecken bis zur Kehle hin schillernd smaragdgrün. Polsterartig verlaufende Brust in schwärzlich-grüner Farbe, kastanienbraune Schwingen, goldgelber, langer seidenartiger Schwanz. Die oberen Federn des Schwanzes sind weiss. Weibchen: Weibchen sind komplett braun gefärbt, der spektakuläre Schwanz fehlt.
Mutationen: keine, manchmal werden beim Männchen andere Farbmorphen beschrieben
Geschlechtsunterschiede: Männchen prächtig farbig mit imposantem Schwanz, Weibchen schlicht braun, ohne Schwanzgefieder. Beim Kleinen Paradiesvogel weist das Weibchen an der Brust weissliche Federn auf.
Ringgrösse: - Werden aufgrund ihrer Seltenheit oft nur mit Kennzeichnungsringen versehen und nicht geschlossen beringt.
Lebenserwartung: Nicht genau bekannt aufgrund der geringen Haltungserfahrungen. Vielleicht auch aufgrund von Haltungsproblemen oft nicht älter als 10 Jahre. Bis Grosse Paradiesvögel geschlechtsreif sind, dauert es 7 Jahre. Das deutet darauf hin, dass sie eine weitaus längere Lebenserwartung haben, vermutlich bei richtiger Haltung und Ernährung durchaus ca. 30 Jahre.
Platzansprüche: BepflanzteTropenhäuser, kombinierte Innen- und Aussenvolieren. In der Schweiz gibt es sogar eine Haltevorschrift für diese beiden Arten, obwohl sie im Land schon lange nicht mehr gepflegt werden, weder von Zoos noch von Privaten. Eine Voliere mit einer Grundfläche von 20 Quadratmeter und einer Höhe von 3 Meter ist vorgeschrieben für ein Paar. Notwendig wäre aber ein Volierensystem mit nebeneinander liegenden Volieren, die Verbindungen aufweisen.
Ausstattung: Versteckmöglichkeiten durch üppige Bepflanzung, Bademöglichkeit, Beregnungsanlage, freie Bereiche mit Sitzästen.
Stimme: Quäkende bis krächzende, nacheinander ausgestossene Laute durch die Männchen, besonders bei Sonnenaufgang.
Haltung: Paarweise, meist in zwei getrennten, nebeneinander liegenden Volieren. Wird das Weibchen zum Männchen gelassen, müssen ihm Rückzugsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Es sollte nur unter Aufsicht und zur Kopulation zum Männchen gelassen werden, so dass es bei kritischem Verhalten des Männchens wieder abgetrennt werden kann.
Herkunft und Geschichte
Paradiesvögel beflügelten die Fantasie der Menschen in Europa, sobald mehr über sie bekannt wurde. Legendäre Vogelfänger-Persönlichkeiten brachte erstes Paradiesvögel lebend nach Europa. Darunter war Walter Goodfellow (1866 – 1953). Er war während 40 Jahren als Vogelfänger in Zentralamerika, den Philippinen, Neuguinea, Hainan und auf der Melville Insel unterwegs. Ein weiterer klingender Name im Zusammenhang mit den Paradiesvögeln ist Wilfred Frost. Seine Lebensdaten sind nicht genau bekannt, doch vermutlich wurde er 1875 in London geboren. Er brach noch im Alter von 82 Jahren, trotz verminderter Sehkraft, wieder auf eine Fangreise nach Borneo auf. Er war es auch, der 1909 48 Grosse Paradiesvögel in die Karibik nach Little Tobago brachte. Dort errichtete Sir William Ingram ein Schutzgebiet für diese Art. Frost fing die Vögel auf den Aru-Inseln, die schliesslich in der Topenwelt von Little Tobago weiterlebten. Die ganze Sache verlief aber im Sand. In der Schweiz hielt vor Jahrzehnten Philippe Morel in Genf Paradiesvögel. Dr. Paolo Bertagnalio in Torre in Pietra bei Rom hielt einst Grosse und Kleine Paradiesvögel ganzjährig in Aussenvolieren. Es bezeichnet sie als robuste Tiere. Ein legendärer Halter von Paradiesvögeln war Raymond Sawyer aus Cobham, Surrey, England. Grosse und Kleine Paradiesvögel wurden auch im Palmitos Park auf Gran Canaria in speziellen hohen, gewellt gebauten und bepflanzten Volieren gehalten. Im Weltvogelpark Walsrode hat die Haltung und Zucht von Grossen und Kleinen Paradiesvögeln eine lange Tradition. Die Welterstzucht des Kleinen Paradiesevogels gelang dort 2017, diejenige des Grossen Paradiesvogels 2001. In der Oasi di Sant’Alessio con Vialone bei Pavia in Italien werden heute noch Kleine Paradiesvögel gepflegt. Bei Michel Durand in Santiago di Chile werden Grosse und Kleine Paradiesvögel gezüchtet, dies in Volieren in Tropenhäusern. Im ehemaligen Zuchtzentrum Al Wabra Wildlife Preservation in Qatar wurden Grosse Paradiesvögel ebenfalls gezüchtet, und die Jungen wurden von Hand aufgezogen. Einst zeigte auch der Jurong Bird Park in Singapur eine grosse Palette an Paradiesvogelarten. Darunter waren auch Grosse und Kleine Paradiesvögel.
Eignung als Heimtier
Paradiesvögel sind sehr anspruchsvolle Volierenbewohner. Wenn sie von Hand aufgezogen werden, balzen Männchen Menschen an. In der Al Wabra Zuchtstation wurde ein solches Männchen gehalten, das sein imposantes Balzspiel dem Menschen gegenüber zeigte. Normalerweise ist aber das Ziel eines jeden Halters dieser beiden Arten, sie zu züchten und nicht, sie als zutrauliche Tiere zu pflegen.
Erwerb
Grosse und Kleine Paradiesvögel können nur über weltweite Kontakte erworben werden. Die Haltung ist abnehmend, denn es gelang nie, sie in der Vogelhaltung durch Zucht zu etablieren. Für die einheimische Bevölkerung, beispielsweise in Paupa Neuguinea, haben Grosse und Kleine Paradiesvögel seit jeher eine grosse Bedeutung. Ihre spektakulären Federn werden als Schmuck im Kopfputz verwendet.
Ernährung und Pflege
Paradiesvögel sind in erster Linie grosse Fruchtliebhaber. So picken sie Beeren aller Art, Trauben, Mango, Papaya aber auch nach Gemüsesorten wie Tomaten und Auberginen. Als Zusatznahrung werden auch Grillen und Zophobas angeboten. Insekten sollten ausserhalb der Zuchtzeit aber nur spärlich gereicht werden. Raymond Sawyer fütterte seinen Paradiesvögeln nebst Früchten Mehlwürmer. Gemäss den Erfahrungen im Vogelpark Walsrode sollte die tierische Nahrung 10 bis 20 % der Nahrung allgemein nicht übersteigen. Beo-Perlen der Firma Versele-Laga ergänzen das Futter in Walsrode.
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Zucht
Männliche Paradiesvögel bedrängen Weibchen. In der Natur sind Weibchen diskret, begutachten das Balzspiel der Männchen von versteckten Plätzen aus. Zudem sind Weibchen zahlreich vorhanden. Unter Menschenobhut ist es bei solch besonderen Vögeln meist nur möglich, sie paarweise zu halten. Darum sollte dies in zwei getrennten, nebeneinander liegenden Volieren mit Verbindungstüren geschehen. Im Al Wabra Zuchtzentrum in Qatar wurde bei den Grossen Paradiesvögeln links und rechts des Männchens in den Volieren immer je ein Weibchen gehalten. Wenn sich ein Weibchen immer nahe am Gitter aufhielt und das Männchen dort balzte, war das ein gutes Zeichen. Das Weibchen baute dann aus Kokosfasern, Palmenblättern und kleinen Zweigen auf einer vorgefertigten Plattform ein Nest. Das war der Zeitpunkt, wo das Weibchen durch einen Schieber im oberen Bereich in die Voliere des Männchens gelassen wurde. Nach der Befruchtung wurde es sofort wieder getrennt. Das Männchen durfte nie in die Voliere des Weibchens, weil Gefahr bestand, dass es das Nest zerstört. Damit das Versetzen der Weibchen so gut gelingt, hat man sie in Al Wabra trainiert. Sie reagierten auf das Klingeln einer Türglocke und erhielten dann Mehlwürmer. Die Brutzeit beim Grossen Paradiesvogel beträgt 18 bis 19 Tage, die Nestlingszeit rund einen Monat. Wird das Ei zur Handaufzucht entnommen, dann sollte dies erst kurz vor dem Schlupf geschehen. Grosse Paradiesvögel sind erst im Alter von fünf bis sieben Jahren brutfähig. Beim Kleinen Paradiesvogel beträgt die Brutzeit 17 bis 18 Tage, die Nestlinge verlassen im Alter von etwa 20 Tagen das Nest und beginnen, selber nach Futter zu picken. Sie werden aber noch einige Wochen von den Weibchen zugefüttert.
Lustig
Als am 8. September 1522 die Victoria, das einzige verbliebene Schiff aus Magellans Weltumsegelung wieder in Sevilla eintraf, hatte es nebst Gewürzen auch fünf Bälge von Kleinen Paradiesvögeln an Bord. Die auf Holzstangen aufgezogenen Bälge hatten keine Füsse, weil sie ihnen offenbar vorher abgeschnitten worden waren. Die Vögel erregten wegen ihres fast unwirklich schönen Gefieders enormes Aufsehen. So entstand die Meinung, dass es sich um Geschöpfe des Himmels handeln müsse, die nie auf der Erde landen würden. Sie würden sogar in der Luft brüten, indem das Weibchen die Eier auf dem Rücken des Männchens ausbrüte. Diese Idee hielt sich bis ins 17. Jahrhundert, der Name Paradiesvogel war darum gegeben.
Namensgebung
In vielen Sprachen werden die gefiederten Wunder als Paradiesvögel bezeichnet. Carl von Linné beschrieb 1758 den Grossen Paradiesvogel wissenschaftlich. Die Artbezeichnung apoda bedeutet fusslos und entstand, weil die ersten Bälge, die nach Europa kamen, keine Füsse hatten. Der Kleine Paradiesvogel wurde 1809 durch den englischen Arzt und Naturforscher Georg Kearsley Shaw wissenschaftlich beschrieben. Er war Kurator am Britischen Museum. Minor bedeutet kleiner oder minder.
Besonderheit
Das Balzspiel der Grossen und Kleinen Paradiesvögel ist spektakulär. Im ersten Morgenlicht versammeln sich die Männchen in den Baumkronen. Die Wundervögel trippeln auf exponierte Äste. Wie Metall schillert das Grün unterhalb der Schnäbel, die Schwänze scheinen aus Seide zu sein. Plötzlich flattern einige der gefiederten Schauspieler auf weiter oben liegende Äste, erste Sonnenstrahlen brechen durch, sie recken die Köpfe, fächern das Gefieder, so dass sie zu seidenen Federbällen werden. Federn rascheln, Flügel krümmen sich sichelartig, die Schwänze werden aufgerichtet, so dass das Gelb der Federn golden leuchtet. Dabei rufen die Männchen mit unterdrückten Stimmen, sie geraten in Ekstase. Ein Federball in der Baumkrone, ein Feuerwerk an Farben! Ein unglaubliches Spektakel in den Kronenschichten der Regenwälder Neuguineas und der Aru-Inseln! Im Verborgenen schauen die Weibchen zu. Die Balzplätze sind während 100 Jahren und mehr immer die gleichen.
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