Kein Hühnervogel in Europa ist kleiner als die Wachtel, etwa so gross wie eine Amsel, graubraun gefärbt mit hellen Längsstreifen und dunklen Flecken. Bei uns hört man die Wildform Coturnix coturnix eher, als dass man sie sieht. Die maximal 20 Zentimeter grossen und 110 Gramm schweren Wachteln leben in Feldern und Wiesen mit höheren Gräsern. Die Intensivierung der Landwirtschaft hat in der Schweiz dazu geführt, dass die Vogelwarte Sempach den Wachtelbestand jüngst als «verletzlich» eingestuft hat. Die Vögel brüten und leben in ganz Europa, ausser im hohen Norden, am Boden. Aber sie können durchaus fliegen und ziehen zum Überwintern nach Afrika bis südlich der Sahara.

Das Fleisch und die Eier der kleinen Hühner galten schon im alten Ägypten als Delikatessen, während die Römer die Männchen lieber zur Belustigung der Massen bei Hahnenkämpfen einsetzten. Versuche, wilde Europawachteln zu domestizieren, schlugen allerdings fehl. Ganz im Gegensatz zum Fernen Osten, wo man im 11. oder 12. Jahrhundert begann, die dort verbreiteten, den europäischen Wachteln sehr ähnlichen Japanwachteln (Coturnix japonica) zu halten.

Ursprünglich aus Japan

Lange züchteten die Japaner sie als Singvögel, vermutlich für Gesangswettbewerbe. Anfangs 20. Jahrhundert wechselten sie zur gezielten Zucht auf eine höhere Eierproduktion. Mit Erfolg: Bis zum Zweiten Weltkrieg florierte die Wachteleierindustrie. Im Krieg gingen dann aber fast alle Zuchtlinien verloren, jene der Gesangswachteln vollständig. Einzig einige domestizierte, in der Eierproduktion eingesetzte Japanwachteln blieben übrig. Mit ihnen bauten die Japaner die Zucht wieder auf und exportierten sie in den 1950er-Jahren nach Nordamerika und nach Europa.

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Wenn von Legewachteln die Rede ist, handelt es sich um domestizierte Japanwachteln. Von der ostasiatischen Wildform unterscheidet sich die Zuchtform indes mittlerweile deutlich. Sie wiegen je nach Zuchtlinie zwischen 180 und 500 Gramm und damit teilweise massiv mehr als die nur gerade 100 Gramm schweren Wildvögel. Die Eier sind fast eineinhalbmal so gross – und doch immer noch sehr klein: Thomas Bachmann hält vier Stück problemlos in seiner geöffneten Hand.

Der 32-jährige Toggenburger ist Wachtelhalter aus Leidenschaft. «Schon als sehr kleiner Bub gab ich Vollgas mit Hühnern», sagt Bachmann lachend. Damals waren es «normale» Hühner, seit über 20 Jahren gilt seine Passion den Wachteln. Dabei setzt er auf Vielfalt. Gut 100 erwachsene Tiere hat er, die meisten sind Legewachteln. Dies aber in verschiedensten Farben: Darunter sind spezielle Farbschläge mit Namen wie Tenebrosus, Perlfeen, Rot, Schwarz, Falbfeen, Weiss oder Rotkopf, aber auch die hellen Standardfarben Isabell und Wildfarben.

«Ich bin ein Farbenliebhaber und mein Ziel sind exklusive Tiere.»

«Ich bin ein Farbenliebhaber», stellt er trocken fest. Sein Ziel sei es, exklusive Tiere zu haben. Und die Zucht mit speziellen oder neuen Farben – etwa getupfte wildfarbige Wachteln – reize ihn einfach sehr. Daneben hält Bachmann Celadon-Wachteln, deren Gefieder von Weiss bis fast Blau reicht und deren Eier grünlich sind.

Eine reine Liebhaberei seien seine Exoten wie die mittel- bis dunkelgrünen Strausswachteln, deren Hähne einen roten Kamm tragen. Sie stammen aus Malaysia und brauchen Wärme und Feuchtigkeit, weshalb er sie regelmässig mit Wasser berieselt. Strausswachteln seien sehr menschengebunden, erklärt Bachmann, während Zwergwachteln äusserst schüchtern seien. Letztere halte er ausschliesslich zur Freude wie die Harlekinwachteln und die Blauschuppenwachteln, die sich im Garten zwei Volieren mit einer kleinen Schar verschiedener Ziervögel teilen.

Leise Töne

Auf die Frage, warum er einst von Hühnern auf Wachteln wechselte, deutet er mit einer Handbewegung rund um sein früheres Elternhaus: Früher habe es hier mehr Wiesen gehabt. Dann wurde ein Einfamilienhaus nach dem anderen gebaut. «Bei so vielen Nachbarn kann man keine Hühner mit einem Güggel mehr haben.» Für Hühner braucht es deutlich mehr Platz und Freiland, Wachteln dagegen kann man auch drinnen halten. Bei Thomas Bachmann ist es die frühere Werkstatt der väterlichen Firma, in die er eingestiegen ist.

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Über diesem grossen, hellen Raum liegt eine vielfältige Geräuschkulisse, die einen weiteren Vorteil der kleinen Hühner offenbart: Wachteln gurren, pfeifen, trällern, piepsen nonstop, aber sie tun dies leise. Einzig der Wachtelschlag, der wie «pick-werwick» tönende Ruf der Hähne, kann bis einen halben Kilometer Entfernung hörbar sein. Nicht allerdings an diesem Tag.

Schon gewusst?
In Japan, Frankreich, Spanien und Italien ist Wachtelfleisch weit verbreitet – meist von männlichen Tieren, die im Alter von acht Wochen geschlachtet werden. Bei uns steht das Fleisch vor allen in Gourmetrestaurants auf den Menükarten. Es kann gebraten, geschmort, gedünstet oder gefüllt werden und ist äusserst zart. Der Geschmack ist aromatisch, kann aber schnell übertüncht werden. Experten raten deshalb, nur sparsam mit Salz und Pfeffer zu würzen.

Abwechslung gegen Streitsucht

Hähne wie Hennen sind ausgiebig mit Sandbaden und damit mit der Gefiederpflege beschäftigt. «Das machen sie den ganzen Tag», sagt Bachmann zum Gewusel in den Ställen. Ab und zu schaut ein Vögelchen neugierig zwischen Tannennadeln oder aus einem Häuschenheraus zu den Menschen empor. «Sie müssen Rückzugsmöglichkeiten haben», erklärt er, «die Tannenäste lieben sie sehr, um sich darunter zu verkriechen und die Eier dort zu legen.» Ohne Verstecke oder wenn ihnen langweilig sei, würden sie streitsüchtig. Wachteln seien ruhiger als grosse Hühner und ausgesprochene Gruppentiere. «Aber wenn ihnen etwas nicht passt, können sie aggressiv picken, aufeinander losgehen und einander packen, bis sie bluten.»

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Aber er habe das seit Jahren nicht mehr. «Sie kennen meine Stimme, meinen Geruch, meine Hand», lautet seine Erklärung. Er greift täglich in die Ställe, gibt den Wachteln Wasser und Futter, holt die Eier, saugt die Ställe und wechselt die Einstreu. Die Küken schliesslich nimmt er im Alter von zehn Tagen zum Stallwechsel mit der Hand aus ihrem Gehege heraus. Dies alles mit dem Resultat, dass Bachmanns Wachteln zahm, ruhig und angenehm sind – worauf er auch viel Wert legt.

Damit das so bleibt, züchtet er ausschliesslich mit ruhigen Tieren. 14 Zuchtgruppen hat der Toggenburger – möglichst von jedem Farbschlag mindestens eine. Wenn die Küken schlüpfen, sind sie 1,5 bis 2 Zentimeter gross und wachsen innert acht Wochen auf faustballengrosse Wachteln heran. Die ersten Wochen verbringen sie unter einer Wärmelampe, weshalb er Küken nur Stammkunden abgebe. Die Standardfarbigen wechseln mit sechs Wochen den Besitzer, die Farbwachteln mit acht Wochen.

Bei Letzteren dauere es länger, bis man das Geschlecht erkennt, sagt Bachmann und zeigt, wie das geht: Er drückt leicht auf den Ausgang des Verdauungs-, Harn- und Geschlechtsapparates, der Kloake. Wenn beim Kloakentest Sekret ausläuft, ist es ein Hahn. Kein Sekret heisst Henne. Die meisten Gockel Bachmanns gehen an den Greifvogelpark in Buchs SG, da wie bei anderem Geflügel auch bei Wachteln vor allem die Eier legenden Hennen beliebt sind.

Langjährige Kundschaft

Bachmann hat viele Stammkunden. Die Wachtelhaltung boomt seit Jahren. «Vor zehn Jahren wollte ein Kunde noch fünf Wachteln, zwei Jahre später waren es schon zehn und dann immer mehr.» Die meisten Personen hätten etwa 40 Wachteln. Bei weniger als 50 Tieren braucht man in der Schweiz, wo die Tierschutzverordnung auch die domestizierten Wachteln als Wildtiere bezeichnet, keine spezielle Bewilligung. Wer höhere Bestände hat, hat eine gewerbsmässige, bewilligungspflichtige Wildtierhaltung und muss eine spezifische Ausbildung absolvieren.

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Seit Corona allerdings kam laut Bachmann ein neues Segment Interessierter hinzu: die Anfänger. «Ich merke schon beim ersten Telefonat, dass jemand keine Ahnung hat und nicht informiert ist», sagt er, «etwa, wenn er nur das Billigste will.» Frage die Person auch nach der gesamten Ausstattung und weiterem, dann sei er vorbereitet. Wachteln richtig und gut zu halten, ist grundsätzlich nicht schwer.

Sie brauchen strukturierte Gehege mit Möglichkeiten, sich zu verstecken und ungestört die Eier abzulegen, ständigen Zugang zu Wasser und Futter sowie Schutz vor extremen Temperaturen. «Aber es ist ein zeitlich intensives Hobby», betont Bachmann. Das regelmässige Sandbad und die Aufzucht der Küken mit dem Wechsel von Flaum zu Federn verursachen viel Staub. Deshalb brauche der Raum eine Lüftung. Dennoch müsse man den Boden täglich saugen und alle Volieren von Staub befreien.

Einen weiteren Aspekt müssen Wachtelhalter ebenfalls stets im Auge behalten: Die kleinen Hühner sind schwer zu vergesellschaften. Für Anfänger und Nichtprofis eignet sich am besten eine Gruppe von fünf bis sieben Tiere. Bei Bachmann bestehen sie aus einem Hahn und sechs Hennen. Auch er sagt: einmal eine Gruppe, immer eine Gruppe. Wenn eine Henne stirbt, stösst keine neu dazu, sondern bleiben die Tiere als kleinerer Trupp zusammen. Erst wenn nur noch drei Hennen übrigbleiben, löst Bachmann die Gruppe auf.

Legewachteln können bei guter Haltung und wenn man ihnen Legepausen gewährt, fünf bis sieben Jahre alt werden. Bachmanns Legehennen kommen als Einjährige in ein «Seniorenzentrum», wo sie die Mauser durchmachen und als Omas weiterleben. Wachteln legen pro Jahr 320 bis 350 Eier. «Ich esse ab und zu auch Wachteleier», sagt Bachmann. Aber er sei Legewachtel-Züchter und brüte das ganze Jahr über. Deshalb liegt sein Fokus nicht auf den Eiern, auch wenn er einige davon verkauft.

Jedes Ei ein Unikat

Die 12 bis 15 Gramm schweren Eier gelten als gesund. Sie enthalten verschiedene Mineralstoffe, Spurenelemente und Vitamine sowie essenzielle Aminosäuren, die der Mensch nicht selbst herstellen kann, die aber wichtig für seine Muskulatur und Knochen sind. Ob sie aber den Organismus stärken und Allergien lindern, wie es in der alternativen Medizin heisst, ist umstritten.

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Wachteleier schmecken würziger und intensiver als Hühnereier. Sie werden gleich gekocht, sind aber bereits innert zwei Minuten weich und nach vier Minuten hart. Beliebt sind sie vor allem in der gehobenen Küche. Die kleinen Eier sind aber nicht nur eine hübsche Garnitur auf dem Gourmetteller, sondern bestechen frisch gelegt auch optisch. Jedes Ei ist ein Unikat. Alle haben Sprenkel, kleine Punkte oder Tupfen. Japanische Legewachteln legen hellbraun-dunkelbraun gescheckte Eier. Jene der Blauschuppenwachteln sind beige gepunktet und die der Zwergwachteln schokoladenbraun mit feinen dunklen Tupfen. Farblich einzigartig sind die gepunkteten Eier der Celadon-Wachteln: hellblau, dunkelblau bis türkis.

 

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