Am Spruch «Du doofe Gans» ist da was dran, oder ist diese Redewendung völlig unberechtigt?

Das kommt darauf an, ob man das Sprichwort aus Sicht der Gans oder des Menschen sieht. Gänse sind Herdentiere und besitzen eine grosse soziale Kompetenz gegenüber ihren Artgenossen. Durch das laute Geschnatter warnen sie ihre Herde vor Gefahren.

Kann man Gänseeier essen?

Ja, Gänseeier kann man essen. Ich benutze jedoch nur ganz frisch gelegte Eier zum Backen. Ein Gänseei entspricht etwa drei Hühnereiern.

Wie viele Eier legt eine Gans jährlich?

Das ist sehr unterschiedlich, manche Gänse legen schon im Februar bis April Eier, andere legen nur ganz kurze Zeit Eier. Wildgänse legen jeweils etwa fünf bis sechs Eier, die sie dann ausbrüten.

Wie viele Gänse werden in der Schweiz ungefähr als Nutztiere gehalten?

Genaue Zahlen weiss ich nicht, ich nehme an, nicht mehr als 2000 Gänse.

Auf wie vielen landwirtschaftlichen Betrieben?

Auch dies weiss ich nicht genau, da die Anzahl jährlich variiert. Es sind momentan rund 25 Betriebe.

Werden in der Schweiz das Fleisch und die Daunen von Gänsen verwertet?

Die meisten Gänse werden als Gänsebraten verkauft und ein Teil der Daunen wird zu Duvets verarbeitet. Die qualvolle Prozedur des Lebendrupfens ist in der Schweiz verboten.

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Ist der Import von Produkten aus Lebendrupf nach wie vor erlaubt?

Leider ja. In einer Stellungnahme vom Bundesrat vom 25.11.2020 legt der Bundesrat dar, dass «eine Deklarationspflicht für Federn und Daunen aus Lebendrupf aufgrund der schwer überschaubaren Lieferkette schwierig durchsetzbar ist. Als Lösung sieht er vielmehr die freiwillige Positivdeklaration von nicht aus Lebendrupf stammenden Produkten.» Man sollte unbedingt beim Kauf einer Jacke oder eines Duvet darauf achten, dass diese zertifiziert sind und kein Lebendrupf erfolgt ist.

Sollten solche Produkte Ihrer Meinung nach deklariert werden?

Viele Konsumenten achten nicht auf eine Deklaration, daher ist es auch schwierig, so etwas durchzusetzen. Solange es einen Markt für diese Produkte gibt, werden Gänse leider weiterhin so produziert werden. Das ist bei den Kleidern und auch beim Fleisch so.

Seit 1978 ist es in der Schweiz verboten, Foie gras, also Stopfleber, zu produzieren. Gibt es Alternativen?

In der Schweiz ist es verboten, aber leider wird ja noch immer in den Discountern Foie gras aus Frankreich verkauft. Hier scheint sich auch kaum jemand daran zu stören. Dabei gibt es sehr gute Alternativen. Man kann zum Beispiel ein Rillette aus Gänsefleisch und Leber oder eine Leberpastete selbst herstellen.

Wie sind Sie auf dem Hofgut Schloss Gündelhart auf die Gans gekommen?

Auf unserem Hof hat es schon immer Gänse gegeben. Bilder aus dem Anfang des letzten Jahrhunderts zeigen Gänse auf dem Hof. Die Gans ist ein sehr interessantes Tier und für eine schonende Weidehaltung unter Hochstammbäumen sehr gut geeignet, daher haben wir uns entschieden, neben unseren Hausgänsen auch Weidegänse zu halten.

Wer eignet sich besser zur Hofbewachung, ein Hund oder eine Herde Gänse?

Ich denke, beide machen genug Lärm, um ungebetene Gäste zu vertreiben.

Sind Gänse Fremden gegenüber denn aggressiv?

Nein, Gänse sind eigentlich nicht aggressiv, der Ganter verteidigt lediglich seine Frauen, wenn diese in der Brutzeit sind oder ihnen jemand Fremdes zu nahe kommt.

Die typisch weissen Weidegänse – welcher Rasse gehören die an?

Es gibt verschiedene weisse Gänserassen: Diepholzer Gans, Dithmarscher Gans, Dänische Gans und verschiedene Landgänserassen.

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Was fressen Gänse?

Gänse fressen am liebsten Gras und Kräuter, mögen aber auch Getreide. Sie ernähren sich hauptsächlich vegetarisch.

Haben Gänse eigentlich Zähne?

Gänse haben keine richtigen Zähne, sie haben am Schnabel und am Rand der Zunge scharfe Lamellen, die ein bisschen wie Zähne aussehen.

Können unsere domestizierten Gänse noch fliegen?

Nein, richtig fliegen können die Gänse nicht, dafür sind sie zu schwer. Meine Hausgänse schaffen etwa 15 Meter mit Anlauf.

Weshalb müssen Gänse laut Gesetz Zugang zu einer Badegelegenheit haben?

Die Gans gehört wie die Ente auch zum Wassergeflügel. Die Gans benötigt hauptsächlich zur Körperpflege das Wasser, das sie über den Kopf und Rücken bis zu ihrem Bürzel fliessen lässt. Der Bürzel ist die Fettdrüse der Gans, dieser muss immer feucht sein, damit die Gans ihre Federn mit Fett einstreichen kann; so geht sie im Wasser nicht unter.

«Fuchs, du hast die Gans gestohlen» lautet der Titel eines bekannten Kinderliedes. Was kann man tun, damit der Fuchs die Gans nicht erwischt?

Man sollte Gänse vor allem in der Nacht vor dem Fuchs schützen, das heisst, sie in einen geschlossenen Stall einsperren. Ein Elektrozaun reicht leider nachts nicht, da der Fuchs sich gerne unten durchgräbt oder auch oben drüber springen kann. Tagsüber trauen sich die Füchse in der Regel nicht so nah an den Hof. An einem Waldrand würde ich Gänse prinzipiell nicht halten.

Haben Sie einen Tipp, wie der Gänsebraten zu Weihnachten besonders schmackhaft wird?

Ein Gänsebraten sollte immer zimmerwarm, also nicht direkt aus dem Kühlschrank, in den Ofen. Der Braten braucht viel Zeit. Während des Bratens kann man die Gans immer wieder mit Wasser und dem Fett, das aus der Haut austritt, bepinseln, so wird sie nicht trocken. Am besten deckt man sie die ersten zwei Stunden mit einer Alufolie.

Wird Gänseschmalz heute noch in der Küche verwendet?

Gänseschmalz ist ein Alleskönner, man kann aus dem Fett, das beim Braten austritt, nachher ein feines Schmalz machen, das man zum Braten oder für Saucen verwenden kann. Im Kühlschrank ist es zugedeckt lange haltbar. Leider kann man nur selten gutes Bio-Gänseschmalz kaufen, daher empfehle ich, es am besten selbst herzustellen.

In Sursee findet alljährlich am 11.11. die Gansabhauet statt, worum geht es in diesem Brauch?

Da musste ich mich auch erst kundig machen. Die Gemeinde Sursee gibt folgende Auskunft: «Gekleidet in einen roten Umhang, bewaffnet mit einem stumpfen Dragonersäbel, die Augen hinter der goldenen Sonnenmaske verbunden, versuchen die jungen Frauen und Männer mit einem einzigen Hieb den Rumpf einer leblosen Gans mit Schlag vom Kopf zu trennen. Wem das Kunststück gelingt, dem winkt neben Ruhm und Ehre ein leckeres Festmahl. Die erfolgreiche Schlägerin oder der erfolgreiche Schläger – 2019 ist erstmals einer Frau der entscheidende Schlag geglückt – darf die Gans mit nach Hause nehmen.»

Und was genau hat es mit dem Martinsbraten auf sich?

Es gibt die Sage, dass Martin als frommer und hilfsbereiter Mann in der Stadt Tours (F) zum Bischof der Stadt ernannt werden sollte. Er war jedoch so bescheiden, dass er das Amt nicht annehmen wollte und sich in einem Gänsestall versteckt hat. Jedoch schnatterten die Gänse so laut, dass Martin entdeckt und zum Bischof geweiht wurde. Dass man Gänsebraten isst, liegt jedoch daran, dass der Martinstag, also der 11.11. ein sehr wichtiger Tag im Bauernjahr war. An diesem Tag endete das bäuerliche Wirtschaftsjahr, Löhne und Steuern wurden bezahlt, Knechte und Mägde wechselten den Hof. Sie bekamen als Lohn oft Naturalien mit, manchmal auch eine Gans. Gänse wurden auch geschlachtet, damit man sie nicht durch den Winter füttern musste. Nach dem Martinstag fing die Fastenzeit bis Weihnachten an, daher hat man zuvor noch ein Fest mit einem feinen Braten gefeiert.

Wie alt kann eine Gans werden?

Eine Hausgans kann bis zu 15 Jahre alt werden.

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Laufen Ihre Gänse im Gänsemarsch, also in Einerreihen, umher?

Ja, das machen sie tatsächlich manchmal. Aber in der Regel laufen sie nebeneinanderher.

Ist das Geschnatter der Gänse sehr laut?

Ja, Gänse können recht laut schnattern, wenn sie etwas aufregt oder sie morgens auf die Weide kommen. Sie haben sich eigentlich immer etwas zu erzählen.

Äusserlich ist es schwierig zu erkennen, ob eine Gans weiblich oder männlich ist. Wie identifizieren Sie Ihre Tiere?

Männliche Gänse sind in der Regel grösser als weibliche. Meine fünf Hausgänse kann ich gut unterscheiden, sie haben alle ihre jeweils persönlichen Merkmale.

Können Gänse im Winter bei Schnee und niedrigen Temperaturen auch draussen gehalten werden?

Ja, Gänse sind sehr robust, sie holen sich das Gras auch durch den Schnee. Im Winter ist es wichtig, die Tiere zusätzlich mit Getreide zu füttern. Nachts im Stall brauchen sie eine gute Isolierung aus Stroh. Die Kälte macht ihnen aber nicht aus.

Kann man Gänse mit anderen Tieren gemeinsam auf einer Weide halten?

Davon würde ich abraten, Gänse sind gerne unter sich.

Wenn die Vogelgrippe grassiert, was für Massnahmen müssen dann für die Gänse ergriffen werden?

Bei Gänsen müssen dieselben Massnahmen wie für alles Hausgeflügel ergriffen werden. Die Tiere müssen eingestallt werden und brauchen über dem Auslauf ein Netz oder Gitter, durch das Wildvögel nicht hindurch kommen. Dieses Gesetz gilt auch für private Geflügelhalter, nicht nur für landwirtschaftliche Betriebe.

Gibt es eigentlich in der Schweiz auch Wildgänse?

Ja, natürlich, die Graugans ist in der Schweiz heimisch. Leider gibt es auch vermehrt Neozoen, nicht heimische Gänserassen, wie die Nilgans oder die Rostgans, die andere heimische Vogelarten vertreiben können.

Bestünde die Möglichkeit, dass sich Ihre Zuchtgänse mit Wildgänsen kreuzen?

Nein, Wildgänse sind viel zu scheu, als dass sie in die Nähe des Hofes kommen würden.

Worin unterscheiden sich Wildgänse von domestizierten Gänsen?

Wildgänse sind kleiner und viel leichter als domestizierte Gänse.

In unserem Nachbarland Deutschland werden teils grosse Gänseherden in Massenhaltung ohne Auslauf gehalten. Leben bei uns in der Schweiz nur Weidegänse?

Soweit ich das beurteilen kann, leben in der Schweiz nur Weidegänse. Auch in Deutschland ist eigentlich eine Weidehaltung üblich, nur oft ohne Badegelegenheiten. Es gibt jedoch noch einige Länder in der EU wie Frankreich,Ungarn oder Polen, wo die Gänse sehr intensiv gehalten werden, also in grosser Anzahl und mit sehr eingeschränkten Platzverhältnissen pro Tier. In diversen Discountern in der Schweiz werden auch ausländische Gänse verkauft, bei denen man nicht nachvollziehen kann, aus was für einer Haltung sie genau kommen. Um sicherzugehen, dass man keine Gans aus Massentierhaltung kauft, geht man am besten zum Landwirt in seiner Nähe und bestellt dort seine Martini- oder Weihnachtsgans.

Nils Holgersson reitet im Märchen auf Gänsen. Wie gross und schwer können Gänse maximal werden?

Eine Graugans ist maximal vier Kilogramm schwer, eine Weidegans hat rund acht Kilogramm Körpergewicht.

Gänseküken sind anfangs gelb gefiedert, in welchem Alter wechseln sie die Farbe?

Kleine Gänse nennt man übrigens Gössel, nicht Küken. Sie werden alle mit einem gelben Flaum geboren, der dann je nach Rasse nach vier bis sechs Wochen durch richtige Federn abgelöst wird.

Wie schlafen Gänse?

Gänse schlafen gerne mit dem Kopf zwischen ihren Flügeln. Sie können auch im Stehen schlafen; in der Regel liegen sie aber im Stroh nebeneinander.

Wie viele Gänse sollte man als Hobbyhalter optimalerweise gemeinsam halten?

Mindestens vier. Es sollte immer nur ein Ganter dabei sein, sonst gibt es Konflikte. Wer selbst Gänse halten möchte, braucht viel Platz, einen fuchssicheren Stall, Weideflächen und Badegelegenheiten das ganze Jahr.

War die Gans tatsächlich das allererste gefiederte Nutztier von uns Menschen?

Nach heutigen archäologischen Erkenntnissen wurde bereits vor 7000 Jahren die Gans in China als Nutztier gehalten und ist so im Moment tatsächlich das erste gefiederte Nutztier, vor dem Huhn.

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Zur Person
Gudrun Engeler ist auf dem Hofgut Schloss Gündelhart für die Aufzucht der Gänse verantwortlich. Zudem für die Organisation von zahlreichen Veranstaltungen wie Hochzeiten oder Firmenevents.

Das Hofgut Schloss Gündelhart und seine Bewohner
Der Biobauernhof Hofgut Schloss Gündelhart liegt auf dem schönen Seerücken oberhalb von Steckborn im Thurgau. Die Familie Engeler führt den traditionsreichen Biobetrieb bereits in vierter Generation. Neben Ackerbau mit einer vielfältigen Fruchtfolge halten die Engelers Mutterkühe sowie Weidegänse. Rindfleisch und Gänsefleisch werden in Direktvermarktung verkauft.
Die Gänse kommen direkt aus dem Ei geschlüpft Mitte Juni auf den Hof und leben dort auf den umliegenden Weiden unter Hochstammbäumen bis Martini und Weihnachten. Neben diesen Weihnachtsgänsen lebt noch eine Herde Hausgänse auf dem Hof, die alle Gäste laut schnatternd begrüssen.
Die extensive und saisonale Weidehaltung der Gänse unter den Hochstammbäumen bietet für Familie Engeler eine nachhaltige Bewirtschaftung dieser Weiden mit viel Biodiversität.