Der Laptop liegt auf dem Küchentisch, der Drucker auf der Eckbank. Der Bauer Christoph Hollenstein (33) hantiert an der Kaffeemaschine, während David Naef vom Bestattungsinstitut «Finis» die Einzelheiten des Vertrages nochmals vorliest und sich bestätigen lässt, dass der Vertrag über 99 Jahre laufen soll. Für den 28-jährigen Naef und seine Geschäftspartnerin Marianna Reinhard ist dieses Treffen im thurgauischen Wilen bei Hauptwil-Gottshaus keine einmalige Geschäftsbesprechung. «Wir gehen zu unseren Geschäftspartnern nach Hause, schauen ihre Parzellen an, die sie mit uns teilen möchten, klären die rechtlichen Dinge, wie Dienstbarkeitsverträge im Grundbuch, und stellen die entsprechenden Verträge aus», erklärt Naef seine Arbeit. 

Dass die Umsetzung ihrer ursprünglichen Geschäftsidee, Bestattungen unter Bäumen in Zusammenarbeit mit Landwirten und Waldbesitzern durchzuführen, alles andere als einfach sei, liege auf der Hand. «Von Beginn weg merkten wir, dass uns eine lange Durststrecke bevorsteht», sagt Naef heute ernüchtert. Zum einen sei es bis anhin eher ungewöhnlich, dass sich Menschen mit dem eigenen Tod und dem ganzen Drumherum auseinandersetzen und Vorkehrungen treffen. Zum anderen sind Baumbestattungen auch nicht ganz neu und der Versuch, mit Landwirten aus der ganzen Schweiz zusammenzuarbeiten, sehr arbeitsintensiv. Trotzdem freut sich David Naef, dass sie heute bereits mit 35 Landwirten Verträge für rund 1000 Bäume abschliessen konnten. 

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 «Finis»-Geschäftsleiter David Naef.
  Bild: zVg

Potenzial in der Nachhaltigkeit
Die Verträge werden mit den Landwirten mit einer Laufzeit von mindestens 25 Jahren abgeschlossen. Geld fliesse erst, wenn sich eine Person oder eine Familie für einen bestehenden Baum oder einen neu zu pflanzenden Baum auf dem Grundstück interessiere. Dabei können sie auswählen zwischen einem Gemeinschaftsbaum, Waldbaum, Einzelbaum oder einem Jungbaum, wobei unterschied­liche Kosten anfallen. 

Auch Baumreservationen seien möglich, erklärt Naef weiter. Durch diese Möglichkeit hat ihr Unternehmen heute bereits eine Parzelle im Baselbiet, auf der sich in ferner Zukunft ein ganzer Wald entwickeln könnte, quasi als Aushängeschild. «Unsere ungewöhnliche Idee hat ihr Potenzial in der Nachhaltigkeit», ist Naef überzeugt. Deshalb ist es für ihn auch wichtig, einen Beitrag zu einer ökologischen und sozialen Gesellschaft zu leisten. «Finis» kompensiert sämtliche CO2-Überschüsse und eröffnet einen Sozialfonds, der auch Menschen mit kleinem Budget eine Bestattung in der Natur ermöglicht. «Wir versuchen alle Aspekte zu beachten, die zu einem erfüllten Leben gehören und nehmen den Menschen ernst.»

Wenn es ihnen gelinge, dem einheimischen Baum, dem heute in der Landwirtschaft wenig Wert beigemessen werde, mehr Gewicht zu geben und damit auch dem Eigentümer einen finanziellen Anreiz zu bieten, dann hätten sie bereits viel erreicht. «Wir streben eine Win-win-Situation an, die allen zugutekommt.»

Achtsamer Umgang mit dem Thema Tod
Naef hat ein Studium der Philosophie und Religionswissenschaften hinter sich und bildete sich später zum Biolandwirt aus. Diese beiden Ausbildungen warfen Fragen zum kulturellen Umgang mit dem Vergänglichen auf und waren so der Grundstock zur Idee der natürlichen Form der Bestattung. Valentin Graf, seinen ersten Geschäftspartner, lernte er auf der Landwirtschaftlichen Schule kennen. Beide suchten sie nach Möglichkeiten einer Geschäftsidee, etwas Sinnstiftendes zu erschaffen und dies mit ihren hohen sozialen und ökologischen Werten zu verbinden. 

Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Jungunternehmern war nicht für beide befriedigend, Valentin Graf zog sich aus dem Betrieb zurück. Stattdessen ist die pensionierte Marianna Reinhard dazugekommen. «Ein Glücksfall», sagt Naef. Reinhard hat sich während ihrem Berufsleben mit Leib und Seele alten Menschen gewidmet und fast 20 Jahre lang eine Altersresidenz geleitet. In diesen Jahren sei ihr der Tod allgegenwärtig gewesen. Sie habe es sich zur Aufgabe gemacht, den erlebten Themen wie Loslassen, Gefühle, Wünsche, Ängste, Glaubenssätze, Verluste und Enttäuschungen achtsam und aufmerksam zu begegnen und die Menschen in diesem letzten Abschnitt zu unterstützen. 

«Angehörige sehen sich im Todesfall unvermittelt Aufgaben gegenübergestellt, die sie gerne anderen überlassen», sagt Reinhard. Diesen Menschen zu helfen, ihnen mitfühlend zu begegnen und sie so weit wie möglich zu entlasten, das erfülle sie tief, erklärt die agile Frau weiter.

Der Thurgauer Landwirt Christoph Hollenstein betreibt Milchwirtschaft und Poulet­mast und hat vor Kurzem 2000 Hochstamm­obstbäume gepflanzt. «Ich glaube an die Landwirtschaft und bin bereit, Investitionen zu tätigen, um auch in Zukunft von den Produkten vom eigenen Hof leben zu können.» 

Weil sein Hof wunderschön liege und er auch am Hasenbergweiher eine schöne Parzelle mit schönen alten Bäumen besitze, hat der 33-Jährige sich entschieden, bei «Finis» mitzumachen. Nicht der finanzielle Aspekt habe ihn gereizt, es war eher der Wunsch, seinen Hof für andere Menschen zu öffnen, ihnen etwas zu bieten, das sie vielleicht nicht überall finden. Für ihn gehöre der Tod zum Leben und deshalb habe er sich den Platz für seine letzte Ruhe auch bereits ausgesucht.