Am Boden der Tiefsee liegt ein Vermögen. Gold, Silber und Platin, Kupfer, Kobalt und Nickel und vieles mehr. Und es geht nicht etwa um ein paar Münzen aus der Zeit der grossen Segelschiffe, sondern um Millionen Tonnen Rohstoffe – und damit um Milliarden Dollar. 

Die meisten dieser Schätze liegen weit weg von Küsten und staatlicher Hoheit in internationalen Gewässern und gehören dadurch niemandem und allen. Sie scheinen nur darauf zu warten, aus dem Wasser gefischt zu werden. Doch die einzigen Rohstoffe, die bisher in grösseren Mengen aus der Tiefsee geholt werden, sind Erdöl und Erdgas. Denn der technische Aufwand ist gross. Den Tiefenrekord hält die Raya-1-Bohrung mit 3400 Metern Wassertiefe im Atlantik vor Uruguay. Aus ähnlichen Tiefen wird im Golf von Mexiko Erdöl geholt – da, wo es 2010 nach einem Unfall auf der Plattform «Deepwater Horizon» zu einer Ölpest von noch nie dagewesenem Ausmass kam. 

Alle ausser den USA
Nun will die Menschheit bekanntlich den Verbrauch fossiler Brennstoffe verringern, unter anderem durch die Förderung von Elektrofahrzeugen. Doch dadurch richtet sich der Blick erst recht in die Tiefe der Ozeane. Denn Elektroautos benötigen Batterien, in denen Rohstoffe wie Nickel, Kobalt, und Mangan stecken. Und genau diese Metalle kommen in der Tiefsee vor. 

Die Diskussion um den Abbau dieser Stoffe läuft heiss. Die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA), welche die Aktivitäten koordiniert, hat bereits 29 Lizenzen zur Erkundung der Rohstoffvorkommen erteilt. Erkundung wohlgemerkt, nicht Abbau. Denn bevor die Länder die Rohstoffe aus der Tiefe holen, müssen sie abklären, wie sich das auf die Umwelt auswirkt. Dazu haben sich fast alle Länder der Welt mit der Unterzeichnung des UN-Seerechtsabkommens verpflichtet. Von den grossen Industriestaaten fehlen einzig die USA, die somit keine Lizenzen beantragen können. 

Wer eine ISA-Erkundungslizenz hat, darf nach Rohstoffen suchen, muss aber auch die Natur in seinem Gebiet erforschen. So hat Deutschland mit der Erkundung von sogenannten Manganknollen in einem Gebiet von 75 000 Quadratkilometern im Pazifik begonnen – das entspricht beinahe der doppelten Fläche der Schweiz. 

Gebiete mit grosser Artenvielfalt
Manganknollen sind Erzklumpen von einigen Zentimetern Durchmesser, von denen der Meeresboden zum Teil dicht übersät ist. Sie bestehen nicht nur aus dem Metall Mangan, sondern enthalten auch Nickel, Kupfer, Kobalt und seltene Erden wie Yttrium oder Europium  – gefragte Rohstoffe unter anderem für Batterien und elektrische Geräte. Allerdings ist genau in jenem Gebiet im Ostpazifik, wo sich viele dieser Knollen finden – im sogenannten Manganknollengürtel – auch die Artenvielfalt besonders gross, wie die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe schreibt. Umweltschutzorganisationen wie der WWF befürchten, dass durch den Abbau von Mangan diese Gebiete langfristig zerstört werden. 

Die wichtigsten Rohstoffvorkommen

Manganknollen
Meerestiefe: 4000 bis 6000 Meter
Lage: subtropischer Ozean, speziell im Ostpazifik
Wichtigste Rohstoffe: Mangan, Nickel, Kobalt, Kupfer, Seltene Erden
Erkundungs-Lizenzen ISA: 17
Abbau:  frühestens 2020

Massivsulfide (Schwarze Raucher)
Meerestiefe: 1000 bis 4000 Meter
Lage: an den Grenzen zwischen auseinanderdriftenden tektonischen Platten
Wichtigste Rohstoffe: Kupfer, Zink, Gold, Silber
Erkundungs-Lizenzen ISA: 7
Abbau: erstes Projekt bewilligt, operativer Start geplant für 2019

Kobaltkrusten
Meerestiefe: 400 bis 4000 Meter
Lage: insbesondere an den Flanken von Seebergen
Wichtigste Rohstoffe: Kobalt, Nickel, Kupfer, Tellur, Platin, seltene Erden
Erkundungs-Lizenzen ISA: 5
Abbau: Technologie noch nicht reif

 

Interessant hinsichtlich der Rohstoffe sind auch Massivsulfide. Diese Formationen finden sich dort, wo Wasser aus heissen Quellen ins Meer schiesst, bei sogenannten hydrothermalen Quellen. An den dunklen Felskaminen, genannt Schwarze Raucher, lagern sich Gold, Silber, Kupfer und Zink ab. Die kanadische Nautilus Minerals Inc. verfügt bereits über die Bewilligung für eine Tiefsee-Kupfermine bei Papua Neuguinea – sie befindet sich vergleichsweise nahe bei der Küste und unterliegt somit auch nicht der Regulation der Meeresbodenbehörde. In ungefähr einem Jahr will Nautilus mit dem Abbau beginnen. Die negativen Auswirkungen auf die Umwelt seien weit geringer als bei Landminen, gibt die Firma an. Allerdings ist die Tiefsee nirgends so dicht besiedelt wie an den hydrothermalen Quellen. Der WWF steht dem Abbau deshalb skeptisch gegenüber. 

Reich an Tierarten und an Rohstoffen sind zudem die sogenannten Kobaltkrusten. Was diese teils mehr als 20 Zentimeter dicken Schichten enthalten, liest sich wie eine Inhaltsangabe für elektronische Geräte: Kobalt, Nickel, Kupfer, Platin, Seltene Erden und mehr. Auch hier hat die Meeresbodenbehörde Erkundungslizenzen vergeben, jedoch sind die Technologien noch nicht ausgereift, um diese wertvollen Stoffe abzubauen. 

Aktuell wird also quasi als Nebeneffekt des Hungers nach Rohstoffen das Leben in den Ozeanen erforscht. Künftige Abbautätigkeit soll mit dem Naturschutz vereint werden, ein Kompromiss zwischen den Bedürfnissen der Menschen und jenen der Lebewesen in der Tiefsee gefunden werden. Die Schwierigkeit dabei ist, dass der biologische Reichtum im Gegensatz zum Wert von Nickel und Kobalt nicht direkt in Dollar zu beziffern ist. 

[IMG 2]