Kleiner Baum, grosse Frucht: So lassen sich die positiven Eigenschaften eines Zwergobstbaums zusammenfassen. Denn ein Mini-Obstbaum bleibt zwar in Höhe und Breite bescheiden, die Blüten und Früchte hingegen entwickeln sich zu normaler Grösse. Natürlich gibt ein kleiner Baum weniger Ertrag als ein grosser, was aber nicht unbedingt ein Nachteil ist. Im Gegenteil: Schliesslich hat nicht jeder Lust und Zeit, im Herbst kiloweise Früchte zu verarbeiten. Zudem eignen sich die platzsparenden Bäumchen gut, um einen richtigen Naschgarten mit mehreren Sorten zusammenzustellen. 

Das Angebot ist gross: Mittlerweile gibt es nicht nur Äpfel und Birnen, sondern auch Zwetschgen, Aprikosen, Kirschen, Pfirsiche und Nektarinen im Kleinformat. Es ist also kein Wunder, dass sogenannte Zwerg- und Säulenobstbäume seit einigen Jahren die Schweizer Gärten und Balkone erobern: Bei den eingeschränkten Platzverhältnissen, vor allem in den Städten, kommen die Obstbäume «en miniature», die sich auch gut als Kübelpflanzen eignen, gerade recht. 

Obst im Topf zu ziehen, ist allerdings keine neue Erfindung. Schon im 18. Jahrhundert kultivierte der europäische Adel Obstbäume «im Scherben», also im Tontopf, um die Früchte direkt von der gedeckten Tafel aus zu pflücken. Die Bäume wurden damals durch die gleiche Technik wie beim Bonsai klein gehalten. Die heutigen Mini-Obstbäume sind bedeutend einfacher im Topf zu kultivieren. Ihre Kleinwüchsigkeit hat im Wesentlichen zwei Gründe. Einige Sorten wachsen aufgrund einer natürlichen genetischen Mutation nur sehr langsam und weisen enge Knospenabstände (Internodien) auf. Züchter haben sich diese Mutation zunutze gemacht, um Bäume mit attraktiven, kompakten Wuchsformen hervorzubringen.

Von einem ausgepflanzten Zwergobstbaum kann man in zehn Jahren ein Kronenvolumen von zwei bis zweieinhalb Metern erwarten.

Mario Moser
Obstspezialist Haueinstein Rafz AG

Schlanker Säulenwuchs
Zum anderen werden die meisten Obstbäume auf einer Unterlage veredelt, die ihr Wachstum einschränkt. Echte Zwergobstbäume bleiben auch klein, wenn man sie in den Garten auspflanzt. Der beliebte Mini-Apfel «Merlin» etwa werde maximal rund zwei Meter hoch, sagt Gertrud Schoop, zuständig für Forschung und Entwicklung bei der Häberli Fruchtpflanzen AG in Neukirch-Egnach TG. «Dafür braucht er aber mindestens zehn Jahre.» Und Mario Moser, Obstspezialist bei der Hauenstein AG in Rafz ZH, ergänzt: «Ein kurztriebiger Zwergobstbaum, der genetisch gestauchte Internodien hat, wächst je nach Dünger-und Wasserversorgung zehn bis 20 Zentimeter pro Jahr. Somit kann man von einem ausgepflanzten Zwergobstbaum in zehn Jahren ein Kronenvolumen von zwei bis zweieinhalb Metern erwarten.»

Ein Zwergobstbaum bildet wie ein normal grosser Baum Stamm und Krone aus, einfach im Kleinformat. «Weil er nur langsam wächst, muss er kaum geschnitten werden», erzählt Gertrud Schoop. Wird die Krone zu dicht, sollte man ältere Triebe herausschneiden. 

Säulenobstbäume hingegen wachsen schlank in die Höhe. Aufgrund ihrer dichten Blütenstände sind sie sehr attraktiv, zudem eignen sie sich dank ihrer aufrechten Form gut für die Gestaltung eines Balkons oder Gartens. Genetisch fixiert ist diese Form nur beim Säulenapfel, der wenige kurze Seitentriebe bildet. Damit er seine Form behält, genügt es, einzelne Triebe zurückzuschneiden, wenn sie zu sehr über die Säulenachse herauswachsen. Bei allen anderen Sorten entsteht der Säulenwuchs dank steil nach oben wachsenden Trieben. Ihnen tut ein jährlicher Pflegeschnitt gut. Mario Moser empfiehlt generell, die Pflanzen schon von Jugend an zu schneiden. «So kann die Formgebung mit relativ wenigen Eingriffen beeinflusst werden.» 

Äpfel für AllergikerRund zehn Prozent der Bevölkerung reagieren beim Biss in einen rohen Apfel mit tränenden Augen und triefender Nase: Sie leiden an einer Apfelallergie. Ältere Sorten sind für Allergiker besser verträglich, weil sie mehr Polyphenole enthalten. Diese Inhaltsstoffe gelten als gesundheitsfördernd, machen den Apfel aber sauer und lassen ihn schneller braun werden. Bei neueren Sorten wie «Golden Delicious», «Pink Lady» oder «Granny Smith» wurden sie deshalb weitgehend weggezüchtet – mit der Folge, dass ausgerechnet diese im Handel verbreiteten Sorten ein erhöhtes Allergiepotenzial haben. Als gut verträglich eingestuft werden «Gravensteiner», «Roter Boskoop» oder «Santana». Eine Liste mit für Allergiker geeigneten Sorten gibt es auf www.pflanzmich.ch/allergiker-aepfel

 

Wie alle Obstbäume benötigen auch die Kleinwüchsigen einen sonnigen Standort und nährstoffreichen, durchlässigen Gartenboden. Wer seinen Zwergbaum als Kübelpflanze kultiviert, braucht in erster Linie ein genügend grosses Gefäss, das 30 bis 40 Liter Erde fasst und ausreichend Wasser speichern kann. Das ist wichtig, weil es auf einem Balkon oder einer Terrasse immer heisser und trockener ist als im Garten. Als Substrat eignet sich hochwertige Kübelpflanzenerde. Wichtig ist auch ein guter Wasserabzug. Dazu bildet man mit Blähton eine fünf Zentimeter dicke Drainageschicht und bedeckt diese mit durchlässigem Vlies, bevor man das Pflanzgefäss mit Erde auffüllt. Damit überflüssiges Giesswasser abfliessen kann, sollte der Topf nicht direkt auf dem Boden stehen.

Auch im Winter ab und zu giessen
«Im Winter ist es ratsam, das Bäumchen im Topf an eine windgeschützte Wand zu stellen», sagt Mario Moser. Zudem sollte man den Topf mit Vlies einpacken, damit die Wurzeln nicht durchfrieren. Auch im Winter müssen die Kübelpflanzen bei frostfreiem Boden ab und zu gegossen werden. «Wenn die Pflanze im Winter eingeht, ist sie meist nicht erfroren, sondern vertrocknet», warnt Gertrud Schoop. 

Solange der Standort stimme und Substrat, Düngung und Giessen im richtigen Verhältnis stünden, seien kleinwüchsige Obstbäume nicht anfälliger für Krankheiten als grosse, ist Mario Moser überzeugt. «Im Gegenteil, durch ihre Einzelstellung können sie sich ohne Konkurrenz richtig entfalten.» Gerade bei Kübelpflanzen kann man Pilzkrankheiten wie Monilia vorbeugen, indem man sie vor Regen geschützt aufstellt. 

Zudem gebe es mittlerweile auch beim Zwergobst robuste Züchtungen, erklärt die Gartenexpertin Gertrud Schoop und nennt als Beispiele die Apfelsorten «Merlin» oder «Goldie». Kleinwüchsige Bäume können übrigens ähnlich alt werden wie ihre grossen Verwandten. «Bei einem nährstoffreichen humosen Standort und mit guter Pflege wird ein Zwergobstbaum mindestens so alt wie sein Besitzer», sagt Mario Moser.