Gemüse aus einem Garten, welcher 1721 Meter über Meer gelegen ist? Was für manche, in tieferen Lagen beheimatete Menschen vielleicht utopisch klingen mag, ist im Engadin seit Jahren Realität.

Unter anderem in Samedan: Dort befindet sich auf einem 120 Quadratmeter grossen Feld ein Garten mit Gewächshäuschen. Salat, Federkohl, Mangold, aber auch Karotten, Zwiebeln, Knoblauch und verschiedene Kräuter werden hier angebaut. Einmal geerntet, landet ein Grossteil davon auf den Tellern der Gäste, die sich im Restaurant des Hotels Hauser im Herzen von St. Moritz eine Mahlzeit gönnen.

Der Garten war die Idee der Geschwister Nina und Nik Hauser, welche das Hotel seit 2015 in vierter Generation führen. 2022 riefen sie das Projekt «Hauser Garden» ins Leben. «Die Idee kam vor allem aus unserer Passion für gutes, regionales Essen», erzählt Nina Hauser.

Gastronomie und Hotellerie wurden ihr in die Wiege gelegt: Zusammen mit ihrem Bruder Nik wuchs sie im Hotel Hauser auf. «Meine Eltern haben den Betrieb über 30 Jahre lang geführt. Mein Vater hat sich intensiv mit Themen rund um die Energieeffizienz, beispielsweise mit Photovoltaik oder Wärmerückgewinnung, auseinandergesetzt», schildert Hauser. Man habe damals zu den ersten im Kanton Graubünden gehört, die solche Dinge ausprobierten. «Mein Vater hat dafür gesorgt, dass wir mit diesem Haus sehr energieeffizient in die Zukunft kommen.»

In der Familie sei Nachhaltigkeit schon immer wichtig gewesen. Vor zehn Jahren haben die Geschwister die Betriebsführung des Hotels Hauser übernommen. Mit der neuen Generation folgten auch neue Ideen. «Manches haben wir umgestellt», verrät Hauser. So wurden vor zwei Jahren acht Erdsonden in die Terrasse vor dem Hotel gesetzt, um Heizöl zu sparen. «Mit den Erdsonden können wir fast 80 Prozent des Energiebedarfs decken!», erklärt die Hoteldirektorin.

Später sei dann auch der Gedanke an einen eigenen Garten entstanden. Simona Degiacomi, die Grafikerin des Hotels Hauser, brachte die Idee schliesslich ins Rollen. «Sie hat sich über Jahre hinweg intensiv mit Permakultur befasst. Zudem hatte sie Kontakt zu Lorenzo Polin. Er ist Bauer in Samedan und hat uns das Land verpachtet, auf welchem sich der Garten befindet», schildert die St. Moritzerin. «Und so haben wir das Ganze vor drei Jahren als Pilotprojekt gestartet.»

Eine hochalpine Gartenkooperative

Aus dem Pilot- wurde schnell ein Herzensprojekt. «Es ist einfach wunderschön, zu sehen, was auf knapp 1800 Meter über Meer alles wächst», freut sich Nina Hauser. Der Garten in Samedan ist allerdings nicht der einzige beteiligte Betrieb. «Bei Hauser Garden sind verschiedene Bauern involviert. Es handelt sich um eine Art Zusammenschluss.»

In einer Gärtnerei in Sils im Domleschg werden Tomaten gezogen und an das Hotel Hauser verkauft. Auch andere Produkte, wie Auberginen, Zucchini und Gurken, stammen von dort. «Sils im Domleschg ist etwas tiefer gelegen. Daher wächst dort noch eine breitere Palette an Gemüse», erklärt Hauser.

Stehen im Restaurant hingegen Kartoffeln auf der Speisekarte, stammen sie von Familie Ratti aus Madulain. «Herr Ratti ist eigentlich Viehbauer, baut aber auch Kartoffeln an. Er stellte uns schon letztes Jahr Land zur Verfügung und unterstützt uns unglaublich», betont die Hoteldirektorin.

In einem Folientunnel wurden in Madulain probeweise auch schon Blumenkohl und Broccoli angebaut. «Die wuchsen wie wild und der Geschmack war einfach nur toll», schwärmt Hauser. «Der Tunnel macht die Arbeit wesentlich einfacher – so gefriert der Boden im Winter nicht ganz fest.»

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Die Koordination zwischen den verschiedenen Betrieben und der Küche des Hotels ist Aufgabe von Ninas Ehemann Hannes. «Er ist der Projektleiter, wir die Ideengeber. Er hilft mehrmals pro Woche im Garten von Samedan mit.» Im Gewächshäuschen werden alle Setzlinge selbst gezogen; Samen vom letzten Jahr werden getrocknet und wiederverwendet; weitere Samen – vor allem von Sorten, die sich für Berganbau eignen – bei ProSpecieRara eingekauft.

Letzten Winter deckte das Team die Felder erstmals ab, damit der Boden zwar gefriert, aber weniger Schnee liegen bleibt. Die ersten Setzlinge werden in der Regel Anfang April gesetzt. «Wir sind halt schon später als andere. Im Unterland läuft dies anders», sagt Hauser lächelnd. Auch sie selbst ist mindestens einmal pro Woche vor Ort. «Es ist ein wunderschöner Ort: sonnig, beinahe windstill – einfach paradiesisch», erzählt sie.

Beim Setzen und Ernten sind jeweils auch die Mitarbeitenden des Hotels Hauser involviert. «Wir machen jeweils eine Art Team-Event daraus. Alle haben Spass im Garten und an der frischen Luft», so die Bündnerin. «Im Juni setzen sie jeweils den Salat, den sie nur wenige Wochen später unseren Gästen servieren.» Doch nicht nur im eigenen Restaurant wird das geerntete Gemüse verwertet.

«Das Bewusstsein anregen»

Im Sommer findet jeweils freitagmorgens der «Garden Market» auf der Hotel-Terrasse in St. Moritz statt. «Wir wollten unser Gemüse nicht nur im eigenen Restaurant verwerten, sondern auch den Einheimischen anbieten», sagt Nina Hauser, die in den letzten Saisons zusammen mit einer Gärtnerin den Stand betreute. «Für mich ist es eine Art Ausgleich. Und es ist schön zu sehen, wie viel Gemüse wir an so einem Freitag verkaufen können.»

Ob am Stand oder im Restaurant: Zu den hohen Preisen für das eigene Gemüse steht Nina Hauser. «Für uns ist es zentral, dass nichts unter seinem Wert verkauft wird, denn im ganzen Projekt steckt viel Handarbeit und Aufwand.» Das «Garten-Image» des Hotels Hauser wird geschätzt. «Das sehen wir immer wieder anhand unserer Rezensionen.»

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Ganz um den Import von Gemüse kommt das St. Moritzer Traditionshotel aber noch nicht herum. «Im Sommer sind wir gut unterwegs. Mit unserem Lieferanten haben wir ein Abkommen, dass wir nur Schweizer Produkte beziehen.» In den Wintermenüs würden einzelne Produkte zwar aus Spanien importiert, «von weiter her beziehen wir aber nichts.»

Solange es dem Hotel Hauser wirtschaftlich gut geht, möchte Nina Hauser ihr Herzensprojekt Hauser Garden weiter ausbauen. Mittelfristig ist ein Gewächshaus in einer Art Stollen in Samedan ihre Vision. «Die Idee ist, dass die Wärme des Berges auch dem Gemüse zugute kommt», erklärt die Hoteldirektorin.

«Damit liesse sich noch mehr verschiedenes Gemüse anbauen. Und alles, was wir selbst anbauen, können wir auch mit gutem Gewissen verkaufen.» Längerfristig würden sich sowieso mehr Anbaumöglichkeiten ergeben, weil es auch im Engadin immer wärmer wird.

Das Projekt Hauser Garden sei eine Art Vorreiter-Projekt in der Gegend, erzählt die St. Moritzerin. «Verschiedene Restaurants kamen bereits auf uns zu, weil sie auch regionales Gemüse für ihren Betrieb beziehen möchten.» Das freue sie sehr. «Schliesslich wollten wir als grosser Restaurant-Betrieb zeigen, was in den Bergen alles möglich ist und so bei den Leuten ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit und regionale Produkte schaffen sowie unsere Ideologie weiterverbreiten.»