Wenn fremde Hunde sich begegnen, kann es teilweise schnell brenzlig werden. Das musste auch Markus Webers* Havaneser-Rüde Rico kürzlich am eigenen Leib erfahren. Der 43-Jährige war wie jeden Morgen an der Sihl in Zürich unterwegs, als Rico mit einem ihm fremden Labrador-Rüden zu raufen begann. «Zuerst hielt ich es für ein Spiel der beiden», sagt Weber. «Als Rico dann plötzlich aufschrie und der andere Hund einen Haarbüschel im Maul hatte, war mir klar, dass es ernst wurde.» Als er sah, dass sein Hund am Nacken blutete, rief Weber sofort seinen Tierarzt an und brachte Rico auf schnellstem Weg zu ihm.

Damit habe Weber richtig reagiert, sagt Mirja Nolff, Oberärztin der Weichteil- und Onkologischen Chirurgie des Tierspitals Zürich. Zwar gebe es durchaus Erste-Hilfe-Massnahmen, die ein Halter bei einem gebissenen Hund leisten könne. So könne die Wunde mit sauberem Wasser ausgewaschen und mit einem trockenen, sauberen Tuch abgedeckt werden. «Bei starken Blutungen am Bein kann man versuchen, es abzubinden», sagt Nolff. «Das gelingt jedoch selten.» Und selbst wenn es nach viel Blut aussieht, sei es wichtiger, schnell zum Tierarzt zu fahren, als die Blutung stoppen zu wollen. Ähnlich sehe es bei einem Prolaps aus, also wenn Organe aus dem Körper hervortreten, oder der Hund stark apathisch ist. «In diesem Fall sollte man den Hund in ein sauberes Kleidungsstück wickeln und schnellstmöglich zum Tierarzt fahren.»

Viele Kliniken bieten Notfalldienste an. Im Tierspital Zürich zum Beispiel ist der Notfall 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag offen. Generell helfe es, wenn die Hundehalter kurz anrufen und sagen, dass sie kommen. Aber wenn man in so einer Ausnahmesituation ist, ist man oft durch den Wind, sagt Nolff. «Wenn man die Nummer nicht zur Hand hat oder alleine ist, sollte man im Zweifelsfall einfach den Hund packen und umgehend vorbeikommen.» Sie rät Hundehaltern, sich zu erkundigen, wie ihr Tierarzt geöffnet hat und welche grössere Klinik in der Nähe einen 24-Stunden-Notfall anbietet, zu der man im Zweifelsfall schnell fahren kann. «Speichern Sie sich zur Not die Nummern in ihrem Handy, sodass man sie im Fall der Fälle gleich parat hat», erklärt die Expertin.

Selbst bei Bagatellverletzungen können Haare oder Schmutz in der Wunde stecken.

Mirja Nolff
Oberärztin Tierspital Zürich

Doch was, wenn nach dem Biss kaum was zu sehen ist und höchstens kleine Spuren zurückbleiben, die kaum bluten? Ist es da nicht sinnvoll, erstmal abzuwarten? Die Antwort von Nolff fällt klar aus: «Nein! Selbst bei Bagatellverletzungen können Haare oder Schmutz in der Wunde stecken», sagt die Ärztin. Wenn diese gleich entfernt werden, heilen die meisten Wunden problemlos ab. «Manchmal können aussen nur kleine Einbisse, manchmal sogar gar keine Wunden zu sehen sein, während darunter Organe verletzt wurden.»

Die Gefahr bestehe vor allem bei Hunden unter 15 Kilogramm. Nur, wenn man das gleich feststelle, können auch Massnahmen ergriffen werden. So hätten die meisten Bisse gute Chancen, gut abzuheilen, auch wenn immer mal wieder Tiere so schwer verletzt werden, dass sie sterben. Mit rund10 Prozent machen Bissverletzungen einen grossen Teil der Wunden aus, die am Tierspital Zürich behandelt werden. 

Der Halter haftet für den Hund
Der Besuch bei einem Tierarzt mit der Verarztung von Bisswunden kann teuer werden. Da stellt sich die Frage, wer für die Kosten aufkommen muss. In «Tier im Recht transparent» wird dabei von der sogenannten Tierhalterhaftung ausgegangen. «Verletzen sich zwei Hunde gegenseitig, ist grundsätzlich jeder Halter für den Schaden des anderen haftpflichtig, soweit beide ihre Sorgfaltspflicht verletzt haben», ist da zu lesen. Bei der Schadenersatzberechnung werde berücksichtigt, wie weit das Verhalten jedes Tieres für den Schaden verantwortlich ist. Dabei spiele etwa eine Rolle, ob die Hunde angeleint waren. So kann einem Halter vorgehalten werden, er hätte besser auf seinen Hund aufpassen und den Vorfall vermeiden können.

So oder so empfiehlt sich, bei einer Beisserei unter Hunden die Personalien der beteiligten Hundehalter aufzunehmen und den Fall der Haftpflichtversicherung zu melden. Das Ganze «unter sich zu regeln» ist seit Mai 2006 nicht mehr möglich. Seither müssen Tierärzte alle von Hunden verursachten Verletzungen von Amtes wegen dem kantonalen Veterinäramt melden. Das nimmt sich dann des Falles an und verfügt allenfalls Massnahmen gegen den beissenden Hund.

Rico ist mit einem blauen Auge davongekommen. Nachdem die Bisswunde am Nacken gereinigt, desinfiziert und vernäht wurde, hat sich der Havaneser-Rüde schnell wieder erholt. Für die Halterin des Labradors, die Markus Weber in der Zwischenzeit ausfindig machen konnte, blieb der Zwischenfall nicht folgenlos: Sie muss Ricos Tierarztkosten tragen und wurde vom Veterinäramt des Kantons Zürich zur Wesensprüfung aufgeboten. 

*Name geändert