Der Schweif hat viele Aufgaben. Im Sommer fungiert er als Fliegenklatsche und Ventilator. Er schützt den Intimbereich vor Wind, Schmutz und Nässe, da er Regenwasser ableitet. «Aus biomechanischer Sicht ist der Schweif vor allem eine Balancestange. Die Schweifrübe besteht aus 15 bis 21 Wirbeln und ist vereinfacht gesagt der letzte, frei liegende Teil der Wirbelsäule», sagt Lisa Wüllner, Tierärztin, Chiropraktikerin und Akupunkteurin aus Widen AG. Je nach Haltung kann der Schweif ein Indiz für Blockaden in der Wirbelsäule, Muskelverspannungen, einen unpassenden Sattel oder Sitzfehler des Reiters sein.

Zudem ist der Schweif ein hervorragender Stimmungsbarometer – nicht umsonst legen auch Dressurrichter Wert auf einen locker pendelnden und frei getragenen Schweif, denn der lässt darauf schliessen, dass das Pferd körperlich und mental entspannt und losgelassen ist. Wirkt der Schweif dagegen eingeklemmt, kann das ein Ausdruck von Angst oder Schmerzen sein, zum Beispiel als Folge von Problemen im Kreuz-Darmbein- Gelenk, das unter dem höchsten Punkt der Kruppe liegt. Bei Offenstall- und Weidepferden ist ein eingeklemmter Schweif manchmal aber auch einfach eine Reaktion auf anhaltenden Regen. Nähern sich der Weide dagegen bellende Hunde, ein Traktor oder etwas anderes, das die Fluchttiere als potenziell gefährlich einstufen, wird der Schweif konkav nach hinten-oben abgespreizt.

Blockaden sorgen für schiefen Schweif
Ein hoch gestellter Schweif, wie man ihn häufig bei vollblütigen Pferden wie Arabern beobachten kann, ist ein Indiz für Spannung und das Wegdrücken des Rückens. Trotzdem gilt diese «stolze» Schweifhaltung bei einigen Rassen als Schönheitsideal. Bei vielen American-Saddlebred-Showpferden durchtrennt man in den USA sogar die untere Muskulatur der Schweifrübe, um den Schweif dauerhaft nach oben zu bekommen, eine aus Tierschutzgründen äusserst bedenkliche Massnahme, die hierzulande verboten ist.

Anhaltendes Schweifschlagen unterm Sattel kann eine Reaktion auf grobe Hilfen sein und deutet auf ein ungehaltenes Pferd sowie verspannte Rückenmuskulatur hin. Auch das Kreiseln mit dem Schweif lässt auf Muskelschmerzen schliessen.

Lisa Wüllner, selber Dressur- und Spring­reiterin, wird häufig von Pferdebesitzern kontaktiert, denen bei einem unrittigen Pferd ein schiefer Schweif auffällt. Bei genauerem Betrachten sehe man meistens weitere Anzeichen für Schiefe: ein verkantetes Genick, ein asymmetrisches Becken, ungleiches Auffussen. «Die Blockaden liegen überwiegend weiter vorne im Wirbelsäulenbereich, aber am hinteren Ende fällt es am meisten auf», erklärt Wüllner. «Das ist vergleichbar mit schief übereinander gestapelten Holzklötzchen.»

Ist die Haltung des Schweifes schief oder weicht sie anderweitig ab, sollte man einen fachkundigen Therapeuten konsultieren, um das Problem möglichst schnell zu beheben. Aber nicht immer ist ein schiefer Schweif die Folge einer Blockade, die behandelt werden muss. Bei der Diagnose ist es deshalb auch wichtig, das Gesamtbild zu betrachten. «Ist ein Pferd ausbalanciert und völlig durchlässig, darf man über eine geringe individuelle Schiefe durchaus hinwegsehen», sagt Wüllner.

Manchmal hilft gegen einen schiefen Schweif aber auch ein Sattelcheck oder eine Sitzschulung des Reiters. Knickt dieser beim Reiten nämlich in der Hüfte ein, drückt er unangenehm auf eine Seite der Rückenstreckmuskulatur, die in Verbindung mit den Schweifwirbeln, dem Kreuzbein und anderen Muskeln steht.