Ein Pferd im Galopp nur mit leichtem Druck vom Halsring mühelos über die Wiese steuern – so sieht für viele Freizeitreiter der Inbegriff vom zwanglosen, harmonischen Reiten aus. Tatsächlich können der Halsring und gebisslose Zäumungen wie Bosal und Sidepull schonend und angenehm für das Pferd und eine sinnvolle Ergänzung oder sogar Alternative zum Gebiss sein. Voraussetzung ist allerdings, dass der Reiter weiss, was er tut.

Denn auch eine gebisslose Zäumung ist immer nur so weich wie die Hand, die sie führt. Ein Reiter, der sich unbewusst am Zügel festhält, kann dem Pferd auch mit einem Bosal Schmerzen zufügen und widersprüchliche Signale geben. Wird heftig am Halsring gezerrt, verletzt das im schlimmsten Fall die Luftröhre. Und ein Pferd, das unter dem Sattel mit hochgerissenem Kopf und weggedrücktem Rücken läuft, kann langfristig keinen Reiter tragen, ohne gesundheitliche Schäden davonzutragen – ganz gleich, ob es ein Gebiss im Maul hat oder nicht.

Es gibt viele Gründe, gebisslos zu reiten
In den meisten Reitkulturen wurden gebisslose Zäumungen vor allem in den ersten Monaten und Jahren der Ausbildung eingesetzt. Sie waren also Ausbildungshilfe, nicht das Ziel. So trainierten die kalifornischen Vaqueros ihre jungen Pferde zunächst mit Bosal, bevor sie die fertig ausgebildeten «Bridle Horses» schliesslich mit Kandare ritten. Auch heute setzen einige Ausbilder gebisslose Zäumungen zum schonenden Anreiten ein, bis das Pferd ausbalanciert, konzentriert und nachgiebig unterm Sattel geht und die Hilfen des Reiters willig annimmt. Neben dem Alter des Pferdes sprechen noch andere Gründe für die Verwendung einer gebisslosen Zäumung. In der Zeit des Zahnwechsels, bei Zahn- oder Kieferproblemen oder nach Zungenverletzungen ermöglichen gebisslose Zäumungen mit dem Training weiterzumachen. 

Wehrt sich ein Pferd extrem gegen ein Gebiss, kann es – unter einem feinfühligen, erfahrenen Ausbilder – mit einer gebisslosen Zäumung oft leichter wieder Vertrauen zur Reiterhand fassen. Für ein gut ausgebildetes Pferd kann eine mit Verstand eingesetzte gebisslose Zäumung eine willkommene und motivierende Abwechslung beim Training in der Bahn oder im Gelände bedeuten.

Aus Sicherheitsgründen sollte man bei der Umstellung auf gebisslose Zäumung vor dem Ausreiten zunächst auf dem Platz sicherstellen, dass es die neuen Signale versteht. Auch ein Anruf bei der Versicherung ist empfehlenswert – nicht alle Versicherungen zahlen nämlich, wenn im Gelände mit einer gebisslosen Zäumung ein Unfall passiert.

Der Fachhandel bietet eine verwirrende Vielfalt an gebisslosen Zäumungen mit unterschiedlichen Wirkungsweisen an. Auf welches Modell die Wahl fällt, hängt vom Ausbildungsstand und Wesen des Pferdes, vom Einsatzbereich sowie von den Fähigkeiten des Reiters ab. Bei der Auswahl, beim korrekten Anpassen sowie zum Erlernen der richtigen Anwendung sollte man sich von einem erfahrenen Ausbilder unterstützen lassen.

Die grössten Möglichkeiten eröffnen Zäumungen, die dem Pferd schon bei losem Zügel die ersten Signale geben und eine differenzierte Einwirkung ermöglichen, zum Beispiel das Bosal, auch klassisches oder kalifornisches Hackamore genannt. Ein erfahrener Reiter kann ein Pferd mit einer solchen Zäumung nicht nur lenken, sondern auch korrekt stellen, biegen und versammeln. Allein der ganz leichte Druck, den das Eigengewicht des Kopfstückes auf Nasenrücken und Wangen ausübt, veranlasst das Pferd dazu, im Genick nachzugeben.

Die aktive Einwirkung, die immer nur über ein Spielen mit einzelnen, unterschiedlich starken Impulsen geschehen darf, erfolgt nach dem gleichen Prinzip. Nimmt man zum Beispiel den rechten Zügel an, spürt das Pferd Druck auf der Nase und der gegenüberliegenden Wange. Korrektes, pferdefreundliches Reiten mit dieser Zäumung, die auch auf Westernturnieren zugelassen ist, erfordert unbedingt ein gut angepasstes Bosal und eine Menge Übung.

Feine Hilfen sind nicht immer möglich
Ähnlich wie mit dem Bosal kann man auch mit dem Knotenhalfter (das Leitseil wird zur Zügelschlaufe gebunden) recht differenzierte Hilfen geben. Der Vorteil: Mit dem Knotenhalfter kann man im Vorfeld wunderbar bei der Bodenarbeit das richtige Gespür für die Signalgebung bekommen. 

Zäumungen wie das Sidepull, die die Form eines Halfters mit verstärktem Nasenriemen (gewachstes Lassoseil) haben, wirken auf einer grösseren Auflagefläche. Die Zügel werden seitlich am Nasenriemen befestigt, der Reiter kann über die Zügel seitlich und rückwärts gerichtete Signale geben. Feine, differenzierte Hilfengebung ist mit so einer Zäumung nur sehr begrenzt möglich, deshalb ist es bei fortgeschrittenem Ausbildungsstand höchstens als gelegentliche Abwechslung sinnvoll. Der raue Nasenriemen kann sehr scharf wirken und ist deshalb weder für ständige Anlehnung noch für Anfängerhände geeignet.

Ähnlich wie das Sidepull, aber sanfter, wirkt das Lindel, bei dem der Nasenriemen aus weichem Leder besteht und relativ eng um das Pferdemaul verschnallt wird. Bei weniger fein ausgebildeten Pferden hat man mit einem Lindel oft zu wenig Einwirkungsmöglichkeiten, zudem ist es durch seine unpräzise Wirkung bei fortgeschrittenen Lektionen kaum geeignet. Für den gelegentlichen Einsatz bei fein abgestimmten Reiter-Pferde-Paaren, zum Beispiel auf Wanderritten, kann es aber eine hervorragende Zäumung sein.

Halsringe auch in Reitschulen verwendet
Das mechanische Hackamore, das aus einem Nasenriemen, Anzügen und einer Kinnkette besteht, übt schon bei leichtem Zügelanzug Druck auf Kinnnerv, Nasenbein und Genick aus. Die Zäumung, die ursprünglich in der Rodeoszene als «Notbremse» eingesetzt wurde, setzt voraus, dass das Pferd sehr gut auf Schenkel- und Gewichtshilfen reagiert, da nur wenig differenzierte Zügelhilfen möglich sind. Besonders Hackamores mit langen Anzügen wirken dank ihrer starken Hebelwirkung sehr scharf und können in unerfahrener oder harter Hand grossen Schaden anrichten. 

Ähnlich wie ein mildes Hackamore wirkt der LG-Zaum, auch Glücksrad genannt, der von der deutschen Ausbilderin Monika Lehmenkühler entwickelt wurde. Nasen-, Backen-, Kinnriemen und Zügel sind an einem sechsspeichigen Rad befestigt. Bei Zügelanzug dreht sich das Rad leicht.

Der Halsring ist streng genommen gar keine Zäumung, sondern ein Sisal- oder Kunststoffring, mit dem man am Pferdehals leichte Impulse zum Tempo- oder Richtungswechsel gibt. Je höher er am Pferdehals eingesetzt wird, desto schärfer wirkt er. Halsringe werden in einigen Reitschulen auch benutzt, um den sicheren, zügelunabhängigen Sitz des Reiters zu schulen. Sie können auch zusammen mit einer herkömmlichen Zäumung eingesetzt werden.