Täglicher Kontakt zu Artgenossen ist für die seelische Gesundheit von Pferden unverzichtbar. Doch es kommt nicht nur darauf an, dass sich die Vierbeiner Offenstall, Weide oder Paddock teilen, sondern auch, mit wem. Denn während ein Pferd mit guten Kollegen spielt, Fellpflege zelebriert und dadurch zufrieden und ausgeglichen wird, zerrt das Leben in einer unharmonischen Herde an den Nerven. Ständige Rangeleien erhöhen die Verletzungsgefahr, rangniedrige Pferde werden ausserdem ständig vom Schlaf- oder Fressplatz vertrieben und leiden dadurch unter enormem chronischem Stress, der unter anderem zu Unausgeglichenheit, Gewichtsverlust, Magengeschwüren und sogar bis zu lebensgefährlichem Nierenversagen führen kann. 

Damit verschiedene Pferde friedlich in einer Gruppe zusammenleben und Freundschaften schliessen können, müssen drei Voraussetzungen stimmen: eine gut durchdachte Infrastruktur vom Offenstall oder der Koppel, ausreichend Platz und Futter für alle sowie ein kluges Herdenmanagement.

Die Grösse des Auslaufs ist entscheidend, um Konflikte schon im Keim zu ersticken
«Ein häufiges Problem in Offenställen und auf Paddocks ist, dass zu viele Pferde auf zu engem Raum gehalten werden. Die Tiere können ihren Individualabstand nicht mehr einhalten und sich nicht aus dem Weg gehen – da sind Konflikte programmiert», sagt die diplomierte Pferdepsychologin Daniela Bühler, die 2001 das Ausbildungszentrum Balance für Hippologische Fortbildung in Illhart TG gründete. Wie gross der Offenstall und der anschliessende Paddock sein sollten, hängt von der Anzahl und Grösse der Pferde, aber auch von der Zusammensetzung der Gruppe ab. 

Die Laufstall-Arbeits-Gemeinschaft e.V. (LAG) empfiehlt als Mindestgrösse für die Liegefläche pro Pferd die Formel 2 × Widerristhöhe², also zum Beispiel sechs Quadratmeter bei einem 1,70 Meter grossen Pferd, wenn Futterplatz und Tränke aussen liegen und der Auslauf ständig zugänglich ist. Der Auslauf sollte mindestens die dreifache Grösse haben, in diesem Fall 18 Quadratmeter. Diese Angaben sind als absolute Mindestmasse für eine sehr harmonische Pferdegruppe zu verstehen. Es ist klar, dass zwei 1,70 Meter grosse Pferde auf einem Paddock von 36 Quadratmeter zwar gemütlich im Schritt herumgehen, sich aber keinesfalls austoben können. 

«Man sollte auch daran denken, dass manche Pferde wie bewegungsfreudige Araber mehr Fläche zum Galoppieren brauchen als zum Beispiel ein eher gemächlicher Freiberger. Grundsätzlich gilt natürlich: je grosszügiger, desto besser», sagt Bühler. Ganz wichtig seien auch der Zugang zu frischem Trinkwasser und ein ausreichendes Futterangebot. «Sind Gras oder Heu knapp bemessen, verteidigen die dominanten Pferde ihren Anspruch darauf – eine Situation, die für die schwächeren Tiere enorm viel Stress bedeutet, weil die Pferde in ihrem natürlichen Lebensraum, der Steppe, nie warten müssen, bis sie fressen dürfen.» Zudem würden manche Pferde bei knappem Angebot am Ende oft nicht genug abbekommen und seien deswegen irgendwann unterernährt.

Ähnliche Pferdetypen bieten sich an, weil sie meist gut miteinander harmonieren
Um zu verhindern, dass ein Pferd bei Rangeleien in eine Ecke getrieben und verletzt wird, sollten im Stall und auf dem Paddock Sackgassen, enge Durchgänge und spitzwinklige Ecken vermieden werden. Offenställe sollten unbedingt zwei Ein- beziehungsweise Ausgänge (für Grosspferde je etwa 2,40 Meter hoch und rund 1,50 Meter breit) haben – nur so ist gewährleistet, dass auch rangniedrigere Tiere vom Platzangebot Gebrauch machen können und es immer einen Fluchtweg nach draussen gibt. Streifenvorhänge aus durchsichtigem Kunststoff, die im Industrie- und Pferdefachhandel erhältlich sind, halten Wind und Insekten draussen, ermöglichen den Pferden aber problemloses Raus- und Reingehen. 

Bei Pferden gilt: Gleich und gleich gesellt sich gern. «Meiner Erfahrung nach verstehen sich Pferde ähnlichen Typs untereinander oft besonders gut», sagt Adrian Messerli vom Hof Alpbach in Lichtensteig SG, der von der Schweizer LAG mit fünf Sternen ausgezeichnet wurde. Doch nicht nur die Rasse, sondern auch die Fellfarbe spielen eine Rolle. «Ein Schimmel unter drei Braunen ist häufig Aussenseiter, das Gleiche gilt für Schecken. Wer einen Schimmel oder Schecken hat, sollte diesen deshalb möglichst mit anderen weissen oder gescheckten Pferden zusammenstellen», rät Daniela Bühler. Bei kleineren Gruppen, so die Pferdepsychologin, sollte die Anzahl der Herdenmitglieder ausserdem gerade sein. 

Im Notfall müssen Unruhestifter entfernt werden, um Schlimmeres zu verhindern
Innerhalb der Herde steigt das Aggressions- und Verletzungspotenzial immer dann, wenn neue Pferde in die Gruppe kommen und die Rangordnung deshalb wieder neu ausgelotet werden muss. Nach Möglichkeit sollte sich die Gruppenzusammensetzung aus diesem Grund nicht zu häufig ändern. Falls neue Herdenmitglieder dazukommen, müssen sie vorsichtig integriert werden. 

«In unserer Hengst-Herde leben bis zu 15 Junghengste im Alter von sechs Monaten bis vier Jahren im Mehrraum-Gruppenauslaufstall mit Zugang zu einem Auslauf und grossen Weiden», sagt Adrian Messerli. «Neue Pferde kommen zunächst einmal in die Integrationsbox, die nach zwei Seiten offen ist. Dort können sich der Neuankömmling und die anderen Pferde sehen, hören, riechen und beschnuppern, aber nicht schlagen. Nach einer Kennenlernphase lasse ich sie dann unter ständiger Aufsicht einige Stunden auf dem Paddock zusammen. Wenn es zu wild wird, schreite ich ein und stelle das neue Pferd im Zweifel auch noch einmal zurück in die Integrationsbox.» Besonders reibungslos funktioniere die Eingliederung in der Regel im Frühling, denn dann seien die Pferde vor allem am Grasen interessiert. 

Für den Fall, dass sich die Pferde trotzdem schlagen, sollten ihnen zumindest hinten die Eisen abgenommen werden, dann sind die Folgen eines Trittes weitaus glimpflicher. «Nicht immer funktioniert die Integration. Das muss man dann möglichst schnell erkennen und den Unruhestifter aus der Gruppe nehmen, bevor es zu Verletzungen kommt», sagt Messerli. 

Besonders bei Tieren, die wegen Haltungsfehlern wie jahrelanger «Einzelhaft» kein soziales Verhalten gelernt haben oder sogar aggressiv geworden sind, erfordert das Finden geeigneter Weidekumpel oft viel Zeit und Rumprobieren – nicht zuletzt, weil andere Besitzer ihre Pferde verständlicherweise nur ungern der Verletzungsgefahr aussetzen. Generell stellt man ein aggressives Pferd am besten mit einigen wenigen ruhigen Artgenossen zusammen, die es erst einmal ignorieren und sich nicht gross auf Prügeleien einlassen.

Literaturtipps:
Barbara Schöning: «Pferdeverhalten. Körpersprache und Kommunikation. Probleme lösen und vermeiden», gebunden, 235 Seiten, Verlag: Kosmos, ISBN: 978-3-440-11011-9, ca. Fr. 45.–

Romo Schmidt: «Pferde artgerecht halten. Offenstall – Laufstall – Bewegungsstall», gebunden, 207 Seiten, Verlag: Müller Rüschlikon, ISBN: 978-3-275-01773-7, ca. Fr. 38.–