Mit seinen Kulleraugen, dem scheinbar immerzu lächelnden Mäulchen und den seitlichen Kiemenästchen verfügt der Axolotl über ein Outfit, das im Tierreich seinesgleichen sucht. Wenig erstaunlich, dass es dieser Exot, der in der aztekischen Mythologie als Inkarnation des Feuergottes Xolotl gilt, in literarische Meisterwerke und auf Kinoleinwände geschafft hat und er bis heute gemalt, besungen und verehrt wird.

Längst ist die Faszination für das «Wassermonster» – so die Übersetzung aus der Sprache der Azteken – auf andere Länder übergeschwappt. Nicht immer mit gutem Ausgang für den Axolotl: Seit ihm ein japanischer Instantnudelhersteller in den 1980er-Jahren in einer Werbekampagne eine Bühne gab, gelten dort frittierte Zuchtexemplare als Delikatesse. Grosse Popularität brachte ihm auch sein Auftritt in «Minecraft» ein, dem meistverkauften Computergame aller Zeiten. Doch auch Plüschtier- und Spielzeughersteller haben den ausgesprochenen Jö-Effekt, den vor allem die hellrosa Exemplare auslösen, für sich entdeckt.

«Der Axolotl weckt bei vielen Menschen den Beschützerinstinkt», stellt auch Therese Schumacher fest, deren Tierhandlung in Lyss (BE) diese Schwanzlurche in den verschiedensten Farben mitsamt Zubehör verkauft. Dann ist da noch diese Eigenart, die ebenfalls auf grosse Sympathien stösst: Der Axolotl entzieht sich dem Erwachsenwerden. Er erreicht die Geschlechtsreife ohne – wie bei Amphibien sonst üblich – eine Metamorphose zu durchlaufen, was einer evolutionär erworbenen Veränderung der Schilddrüsenfunktion zuzuschreiben ist. «Nur äusserst selten verwandelt sich ein Tier in einen landlebenden Schwanzlurch, was in unserer Tierhandlung zum Glück noch nie passiert ist», sagt Therese Schumacher lachend.

Rasant sinkende Bestände

Das weltweite Brimborium um das Kulttier macht die Situation für die wenigen Exemplare, die noch in freier Wildbahn leben, nicht besser. Einmal mehr ist das Problem menschengemacht: Das ausgedehnte Gewässersystem in Mexiko-Stadt und die Feuchtgebiete, in denen der Axolotl einst weit verbreitet war, sind mittlerweile zu weiten Teilen trockengelegt oder stark verschmutzt von Abwässern der nahegelegenen Millionenmetropole, Pestiziden aus der Landwirtschaft und den Abfällen von Touristen, die auf Booten über die Kanäle schippern. Nicht minder fatal: In den 1970er-Jahren wurden für die Fischerei Tausende chinesische Karpfen und afrikanische Tilapias in die Gewässer ausgesetzt, die seither mit dem Axolotl um Nahrung konkurrieren und seinen Laich fressen.

Projekte zur Rettung des Axolotls laufen seit mehreren Jahrzehnten, doch von Entwarnung kann keine Rede sein. Zwar gibt es im Moment keine wissenschaftlich gesicherten Zahlen zur Gesamtpopulation, aber laut der Internationalen Union zur Erhaltung der Natur und natürlicher Ressourcen bleibt die Situation höchst alarmierend: Der Bestand der frei lebenden, erwachsenen Tiere wird auf lediglich 50 bis 1000 Exemplare geschätzt.

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Axolotl sind im Jahr 2025 in Menschenobhut sehr viel häufiger anzutreffen als in ihrem angestammten Revier. Doch die zig Millionen Axolotl, die weltweit in Aquarien leben, weichen von den wild lebenden Exemplaren meist erheblich ab, wurden sie doch mit nahe verwandten Arten verpaart. Das ist unschwer an den farblichen Abweichungen vom Original zu erkennen, das sich dank seines dezenten Braun-Schwarz-Tonus gut in Höhlen verstecken kann. Ob gelb, rosa oder weiss: In der Schweiz haben die Zuchttiere eine wachsende Fangemeinde – ein eigentliches «Modetier», so Therese Schumacher, seien sie aber nicht. Im letzten Jahr hat ihre Tierhandlung neun Tiere verkauft. «Die moderate Nachfrage ist auch der hohen Lebenserwartung und den nicht zu unterschätzenden Kosten für die Ausstattung zuzuschreiben», mutmasst die Geschäftsführerin, die erstmals Jungtiere aus eigener Zucht im Angebot hat. Zwar sind die Auslagen für ein Tier eher moderat, ins Gewicht fällt aber das Equipment, das inklusive der empfohlenen Kühlanlage schnell 1000 Franken übersteigen kann. Doch gerade die Wassertemperatur ist essenziell. Steigt sie über längere Zeit auf über 19 Grad, leidet die Gesundheit. Auch tierärztliche Behandlungskosten können den Anschaffungspreis des Tiers schnell um ein Mehrfaches übersteigen.

Vorsicht mit Temperatur und Futtermenge

Ein «Anfängertier», wie der Axolotl in Internetforen und auf Blogs verschiedentlich genannt wird, ist er laut Prof. Jean-Michel Hatt, ärztlicher Direktor des Universitären Tierspitals Zürich, keinesfalls: «Es gibt schlichtweg keine Anfängertiere – jedes Tier ist auf seine Weise anspruchsvoll.» Der Axolotl erfordere mit einer Lebenserwartung von bis zu 20 Jahren jedoch ein langes Commitment, gibt er zu bedenken. Hinzu kommt: Die Haltung im Wasser hat ihre Tücken: Während zu hohe Temperaturen oft zu Haut- oder systemischen Infektionen führen, kann auch die Hygiene zu einem Problem werden. «Infektionserreger vermehren sich im Wasser schnell», sagt der auf Exoten spezialisierte Veterinärmediziner. Auch überfütterte Tiere bekommt er häufig zu sehen: «Axolotl sind sehr gefrässig, aber nicht besonders aktiv.» Zu viel Futter führt rasch zu einer Verfettung, die es schnellstmöglich zu stoppen gilt. Ebenso ist beim Untergrund Vorsicht geboten, weil die rund 20 cm langen Tiere Dinge wie scharfkantigen Kies oft schlucken, was zu inneren Verletzungen führt.

Doch wann ist der Besuch beim Tierarzt angezeigt? «Weil sich der Axolotl nicht sehr aktiv und expressiv verhält, ist es für Halter meistens schwierig, den Gesundheitszustand richtig einzuschätzen», weiss Hatt aus Erfahrung. Im Zweifelsfall hilft das Beratungstelefon des Tierspitals Zürich weiter (s. Kasten). Allzu langes Warten kann problematisch sein: «Oft werden Tiere erst zu uns gebracht, wenn sie schon sehr krank sind.» Besser sei es, das Tier nach der Anschaffung und dann alle paar Jahre wieder einem auf Exoten spezialisierten Tierarzt zu zeigen, um Risiken früh zu erfassen. Für den Zürcher Veterinär, der auch im Zoo Zürich Tiere medizinisch versorgt, steht dennoch fest: «Der Axolotl ist ein faszinierendes, charismatisches Tier, dank dem man viel lernen und beobachten kann, insbesondere auch im Zusammenhang mit dem Medium Wasser.»

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Auch die Forschung hat längst ein Auge auf diesen Exoten geworfen, ist doch seine Regenerationsfähigkeit höchst imposant: Wenn er ein Bein verliert, wächst es innerhalb weniger Wochen wieder nach, und auch Teile des Rückenmarks und des Gehirns oder verletztes Netzhautgewebe kann er komplett neu bilden. Wissenschaftler der EPFL und der Technischen Universität Dresden vermeldeten im Herbst 2023, sie hätten den Mechanismus hinter den Selbstheilungskräften von Axolotln entschlüsselt, was neue Perspektiven mit weitreichenden Auswirkungen auf die regenerative Medizin beim Menschen eröffne. Der Prozess sei jedoch komplexer als bisher angenommen.

Doch gerade solche vielversprechende Forschungsprojekte kämpfen mit grossen Problemen: Um die Gen-Diversität bei den Tieren in den Labors ist es schlecht bestellt, weil die Züchtungen meist nur untereinander kombiniert werden. Das will heissen: Wenn der Axolotl in freier Wildbahn ausstirbt, können die Labortiere nicht mehr verjüngt und gesund erhalten werden. Ob die laufenden Projekte in Mexiko in naher Zukunft das Ruder herumreissen können, bleibt offen. Doch auf dem Spiel steht mehr als ein knuffiges rosa Plüschtier oder das Konterfei auf einer Trinkflasche.

BeratungstelefonDas Tierspital Zürich bietet im Auftrag des Zürcher Tierschutzes täglich ein Beratungstelefon für Heimtiere an:
8.00–12.00, 13.30–17.00 Uhr
Tel. +41 44 635 83 43

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