Weit muss Heike Hofmann wahrlich nicht laufen, um auf eine seltene Art zu stossen. In ihrem Garten zeigt sie auf Entosthodon fascicularis, das Büschelige Drehmoos. An nur 13 Fundorten konnte das Moos seit dem Jahr 2000 in der Schweiz nachgewiesen werden. Einer davon ist das Blumenbeet der Biologin in einem Vorort von Biel. Klein ist es und unauffällig, für das ungeübte Auge leicht zu übersehen. «Es ist oft so, dass ein seltenes Moos wenig spektakulär ist», erzählt Hofmann mit einem Schmunzeln. Nur wenige Hundert Meter weiter, auf einem Spielplatz im naheliegenden Wald, hat die Moosforscherin eine für die Schweiz neue Art entdeckt. «Das ist das Schöne an Moosen, es gibt immer noch viel zu entdecken.»

Ausser Salzwasser haben die kleinen Pflanzen alle Lebensräume besiedelt. Selbst die Arktis. Seit 470 Millionen Jahren bevölkern sie die Erde und waren die ersten Landpflanzen, die den Schritt vom Wasser aufs Land wagten. Sie haben den Aufstieg und den Fall der Dinosaurier erlebt, mehrere Massensterben überstanden und waren dabei, als der Mensch sich zum heutigen Homo sapiens entwickelte. Dennoch gehören Moose zu den Pflanzen, denen am wenigsten Beachtung zuteilwird.

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Ein Kampf um Anerkennung

Im Jahr 1918 erschien das Buch «Flore des Mousses de la Suisse», erarbeitet von drei Schweizer Botanikern. Für das Werk trugen die drei Männer alle Daten zusammen, die sie bis zu diesem Zeitpunkt über die Moose der Schweiz sammeln konnten. Ohne ihren Einsatz wäre das Wissen um die kleinen Pflanzen so gut wie kaum vorhanden. Das änderte sich erst grundlegend, als 1984 das Projekt «Naturräumliches Inventar der Schweizer Moosflora» gestartet wurde. Für dieses Projekt wurde eine Datenbank angelegt, in der alle Funde von Moosen in der Schweiz gespeichert sind. Das Ziel: Die Arten der Schweiz gezielt zu kartieren und ihre tatsächliche Verbreitung zu erforschen.

Über etliche Jahre lief das Projekt, finanziell unterstützt wurde es allerdings nur sporadisch. Erst 20 Jahre nach der Gründung erkannte das Bundesamt für Umwelt (BAFU) die Wichtigkeit von nationalen Datenzentren für die Erfassung von Daten zu Pflanzen und Tiere an und unterstützt diese regelmässig durch Gelder. Mittlerweile gibt es in der Schweiz acht Datenzentren zu allen Organismengruppen, die unter der Dachorganisation «Info Species» zusammengeschlossen sind. Die nationalen Daten- und Informationszentren stellen online Verbreitungskarten sowie Angaben zu Gefährdung und Schutzpriorität zur Verfügung und beraten Bund, Kantone und weitere Stellen in Fragen zum Artenschutz. «Die Moos-Datenbank ist sicherlich eine der ältesten der Schweiz», erzählt Heike Hofmann, Geschäftsleiterin des Datenzentrums für Moose.

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Digitaler AusflugWer sich etwas vertiefter mit den spannenden Moosen auseinandersetzen möchte, findet auf der Website des Datenzentrums Moose zahlreiche Informationen über die Pflänzchen. Zudem ist jede Art der Schweiz mit Bildern, einer Karte mit Fundorten und detaillierten Informationen beschrieben. Auch wer sich für das Sammeln und Bestimmen von Moosen interessiert, findet hier alle Tipps und Hilfsmittel, die es dazu braucht.

 swissbryophytes.ch

Der Kampf um die Anerkennung der Wichtigkeit dieser urtümlichen Pflanzen war für Hoffmann nicht immer einfach. Dass Moosen weniger Beachtung geschenkt wird und sie schlechter erforscht sind als andere Organismen, ist nicht nur eine Spekulation. «Für die Moose haben wir etwa 400 000 Datensätze, also Funde, die dem Datenzentrum gemeldet wurden», erzählt Hofmann. «Bei den Blütenpflanzen und den Vögeln dagegen sind es Millionen.» Die Gründe dafür sind schnell gefunden: Vögel zu beobachten, ist wesentlich einfacher. Alles, was es braucht, sind Artenkenntnisse und ein Fernglas. Moose hingegen müssen in der Regel unter dem Mikroskop betrachtet werden, um die Art erkennen zu können. Nur geschätzte zehn Prozent der 1150 Schweizer Moosarten lassen sich allein mithilfe einer Lupe bestimmen. Da sich Moosarten oft nur durch minime Details voneinander unterscheiden, ist die Bestimmung aufwendig und zeitintensiv. Zudem müssen die Proben archiviert werden, um sie auch zu einem späteren Zeitpunkt mit anderen Arten vergleichen zu können. Vögel dagegen können ihres Weges fliegen und die Fundmeldung ist online mit ein paar Klicks erledigt. 

Moos-Liebe

Erschwerend für die Moosforschung kommt hinzu, dass sich in der Schweiz lediglich zwischen 20 und 30 Personen mit den Pflanzen beschäftigen und sich auskennen. «Moose sind manchmal Knochenarbeit», erzählt Heike Hofmann. «Man muss das wollen und das Feuer dafür haben.» Und genau das hat die studierte Biologin, die sich seit 1991 mit den Pflanzen beschäftigt. Neben ihrer Tätigkeit im Datenzentrum betreut sie die Moossammlung der Universität und ETH Zürich. Geschätzt 400 000 Belege von Moosen aus der ganzen Welt lagern hier hinter verschlossenen Türen. Die Begeisterung für die Pflanzen ist auch nach Jahrzehnten bei Hofmann noch zu spüren. «Schliesslich habe ich immer noch nicht alle Moosarten gesehen und es gibt noch so viel zu entdecken. Das ist der Vorteil, wenn sich nur wenige Leute mit einer Organismengruppe beschäftigen.»

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Die Faszination für die kleinen Pflanzen kam schleichend. Während des Biologiestudiums mit Schwerpunkt Botanik nahm die heutige Moosexpertin an etlichen Exkursionen teil, die von erfahrenen Professoren geführt wurden, die beinahe jede Pflanze kannten. «Nur die Moose nicht, da haben sie oftmals mit den Schultern gezuckt.» Ein einwöchiger Kurs über Moose und Flechten schürte die Begeisterung für die unbeachteten Pflanzen. Dazu kam, dass die Biologin nach Abschluss des Studiums zeitgleich mit vielen anderen Studierenden auf den Arbeitsmarkt strömte. «Somit habe ich ein Nischenprodukt gewählt, das sonst niemand kann», sagt Heike Hofmann amüsiert. «Hier gab es keine Konkurrenz.»

Wasser als Lebenselixier

Um Moose zu finden, muss man nicht weit gehen. Überall finden sich die kleinen Pflanzen, auch in Städten. Während Blütenpflanzen nicht ohne Erde auskommen und über ihre Wurzeln Nährstoffe aufnehmen, haben sich Moose davon unabhängig gemacht. Licht und Wasser, mehr brauchen die Überlebenskünstler nicht, um einen Lebensraum zu besiedeln. Zwar haben auch sie wurzelähnliche Strukturen, die Rhizoide, doch diese benötigen sie nur, um sich festzuhalten. Aus genau diesem Grund schaffen sie es, auch senkrechte Strukturen wie Steinmauern zu erobern. Das, was Moose an Nährstoffen zum Überleben brauchen, nehmen sie mit ihrer gesamten Oberfläche wie ein Schwamm über die verfügbare Feuchtigkeit auf. Ein Moos ist nicht wählerisch und selektiert nicht. Alles, was es nicht brauchen kann, wird in Zellen gespeichert und eingelagert. Auch Schwermetalle und andere Schadstoffe. Aus diesem Grund werden Moose genutzt, um den Eintrag von Schadstoffen aus der Luft an einem bestimmten Ort zu ermitteln.

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Zwar besiedeln Moose beinahe jeden Lebensraum, im Wald jedoch ist ihre Artenvielfalt am höchsten. Nur die Jahreszeit ist entscheidend für das beste Beobachtungserlebnis. Im Sommer sind Moose weniger auffällig, da fehlender Regen und Wärme sie austrocknen lassen. Sie verlieren ihre intensive Farbe und werden unscheinbar. Im Herbst und Winter dagegen, wenn die Blütenpflanzen verblüht sind, die Bäume keine Blätter mehr haben und das Wetter feucht ist, dann leuchten sie in den schönsten Grüntönen.

Vom Aussterben bedroht

Trotz ihrer weiten Verbreitung sind rund 35 Prozent aller einheimischen Moosarten gefährdet, wie die Rote Liste der Moose, die 2023 erschien, aufzeigt. Ein düsteres Bild. Denn eigentlich sind Moose sehr robuste und widerstandsfähige Pflanzen. Allerdings gedeihen die meisten Arten in feuchten Lebensräumen und sind auf Wasser in Form von Nebel, Regen oder Tau angewiesen. Im Gegensatz zu Blütenpflanzen können Moose ihren Wasserhaushalt nicht regulieren und haben keine Spaltöffnungen, die sie schliessen können, um Verdunstung zu verhindern. Viele Arten können deshalb für eine gewisse Zeit austrocknen und in einen sogenannten Trockenschlaf fallen. Solange, bis sie wieder an Feuchtigkeit gelangen, um weiterwachsen zu können.

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Einzelne Arten sind wahre Spezialisten und überleben in Extremfällen einen Trockenschlaf von bis zu 20 Jahren. Diese Fähigkeit haben allerdings die wenigsten Moose. «Wasser ist also ein wichtiger Faktor für das Überleben einer Moosart, doch viele wasserreiche Lebensräume der Schweiz werden immer trockener», beschreibt Heike Hofmann die Problematik. Obwohl die noch erhaltenen Moore der Schweiz unter Schutz stehen und Massnahmen zur Erhaltung ergriffen wurden, trocknen sie weiter aus. Auch der Eintrag von Nährstoffen aus der Luft behagt den genügsamen Moosen nicht. Der Klimawandel mit vermehrten langen Phasen ohne Niederschlag macht den Pflanzen zusätzlich zu schaffen. Trotz einzelner Extremereignisse wie der jüngsten Überschwemmungen blickt die Moosexpertin nicht allzu optimistisch in die Zukunft: «Dauerhaft feuchte Lebensräume verschwinden und verlieren an Qualität. Diese Problematik wird sich in Zukunft noch zuspitzen.» Zwar werden laut der Expertin die Moose als Gesamtgruppe den Klimawandel überstehen, doch die Artenvielfalt ist im Begriff, zu schwinden.

Ein Ausflug zu den MoosenSo unscheinbar wie seine Bewohner ist das halb im Boden eingesenkte «Mooshüsli» im Botanischen Garten Basel. Ursprünglich wurde das Gebäude, so vermutet man, in den 1930er-Jahren für die Erforschung von Moosen erbaut. Seit 2019 erstrahlt es nun im neuen Glanz. Im Zuge des neu gestalteten Urweltgartens wurde auch das alte Mooshüsli saniert. Im kleinen, aber feinen Inneren lassen sich die erdgeschichtlich sehr alten Pflanzen Moose, Bärlappen und Farne bestaunen. Ob Glänzendes Flügelblattmoos oder blaues Pfauenmoos, Pflanzenliebhaber und Botaniker werden hier auf jeden Fall fündig.

Wo: Botanischer Garten Basel
Öffnungszeiten Mooshüsli: Täglich von 9.00 bis 17.00 Uhr
Eintritt: frei

Helfer gegen den Klimawandel

Moose sind ein wichtiger Bestandteil eines funktionierenden Ökosystems. Für den Menschen aber haben sie kaum einen direkten Nutzen. Sie sind nicht essbar, abgesehen von wenigen Ausnahmen kaum kommerziell nutzbar und auch in der Medizin finden sie nur selten Verwendung. Was dem Auge oftmals verborgen bleibt, ist jedoch der gewaltige indirekte Nutzen, den die Pflanzen für die Menschheit haben, so etwa ihre Relevanz für den globalen Wasserhaushalt. Ein Mehrfaches an ihrem eigenen Gewicht können Moose an Wasser aufnehmen. Wie Forschende der Universität Potsdam, des Max-Planck-Institutes für Biogeochemie Jena und der Georgia Southern University herausfanden, wird die Menge an Niederschlag, die durch die Pflanzen aufgenommen wird, direkt wieder in die Atmosphäre verdunstet. Wie die 2018 veröffentlichte Studie aufzeigt, sind Moose demzufolge nicht nur ein bedeutender Teil des globalen Wasserhaushaltes, sondern haben durch ihre Verdunstungsaktivität einen kühlenden Effekt auf die Temperatur der Landoberfläche. 

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Als Erbauer von Hochmooren sind Torfmoose, eine Gattung der Moose, wahre Helden im Kampf gegen den Klimawandel. Intakte Moore sind in der Lage, doppelt so viel Kohlendioxid, das massgeblich zur Klimaerwärmung beiträgt, zu speichern, wie alle Wälder der Erde. Im Gegensatz zu Bäumen, die einem Kreislauf unterliegen und dadurch das gespeicherte CO2 im Laufe der Zeit wieder an die Luft abgeben, wird totes Pflanzenmaterial wegen des fehlenden Sauerstoffes in Mooren nicht abgebaut, sondern konserviert. Moore, und mit ihnen die Moose, tragen also einen grossen Teil dazu bei, den Treibhauseffekt zu mildern. Es ist deshalb von grosser Bedeutung, dem Abbau und der Entwässerung von Mooren entgegenzusteuern.

Es ist nicht ausser Acht zu lassen, dass Moose zudem Lebensraum sind von vielen weiteren Organismen, die wir von blossem Auge teilweise nicht erkennen können. In einem Quadratmeter Moos können bis zu 60 000 verschiedene Tiere gefunden werden. Springschwänze, Spinnen, Käfer, Milben – wer genau hinschaut, wird erkennen, dass das Moos lebt.

Unterstützung für die Artenvielfalt

Trotz ihrer vielfältigen Funktionen und ihrer spannenden Biologie wird immer noch relativ wenig für die Erhaltung der Moose in der Schweiz unternommen. «Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, denn die Artenförderung ist Aufgabe der Kantone und die Herausforderungen, die sie haben, sind riesig», schildert Heike Hofmann. «Für die Förderung einer Vogelart kann man Nistkästen aufhängen, für die Amphibien lassen sich Tümpel bauen», führt sie aus. «Bei Moosen ist es schwieriger, konkrete Massnahmen zu ergreifen, bei denen man sieht, dass sie Erfolg haben.» Ihrer Meinung nach dürfen Moose aber nicht ganz vergessen gehen. Glücklicherweise kann die Botanikerin aus ihrer beruflichen Erfahrung berichten, dass mittlerweile immer mehr Kantone sich auch für die unscheinbaren Organismen wie Moose, Flechten und Pilze einsetzen wollen. «Das ist eine sehr positive Entwicklung!»

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Fakt2018 haben Forschende des Instituts für Biochemie und Molekulare Medizin der Universität Bern eine THC-ähnliche Substanz untersucht, die in gewissen Lebermoosen enthalten ist. Diese Substanz hat eine schmerzstillende und entzündungshemmende Wirkung, die das im Cannabis enthaltene THC übertrifft. Zudem finden sich in Lebermoosen Stoffe, die eine fungizide Wirkung haben und gegen Haut- und Nagelpilz eingesetzt werden.

Auch Privatpersonen können etwas für die unterschätzten Pflanzen in den Gärten tun. Vor einigen Jahren rief die Schweizerische Vereinigung für Bryologie und Lichenologie ihre Mitglieder auf, ihre Gärten zu inventarisieren. Was dabei herauskam, war erstaunlich: Es fanden sich nicht nur viele verschiedene Arten, sondern etliche gefährdete. Auch in ihrem eigenen Garten wird Heike Homann sofort fündig. Sie zeigt auf einen unter Moosforschern bekannten Runzelbruder, direkt daneben wächst ein Speermoos, das so heisst, weil es speerspitzenartige Sprösschen aufweist. Auf nur einem Quadratmeter Rasen sind auf den ersten Blick drei Arten ersichtlich. «Nicht die Grösse des Gartens ist wichtig für die Vielfalt an Moosen», wie die Botanikerin erklärt, «sondern verschiedene Strukturen wie Totholz, Steine, Wiesen, offener Boden sowie sonnige und schattige Bereiche. Je mehr Lebensräume es im Garten gibt, umso artenreicher ist er. Und das Beste ist, dass man gar nicht viel machen muss. Die Moose kommen von ganz allein.»

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Perspektivenwechsel

Für einige mag der Rat, Moose im Garten zu fördern, seltsam klingen, versucht der Gärtner doch meistens, die unerwünschten Pflanzen im Rasen und zwischen den Pflastersteinen loszuwerden. Vertikutieren, Düngen, Mähen, Hochdruckreinigen und der Einsatz von Giften – und dennoch kommen sie immer wieder. Besonders an schattigen Stellen sind Moose dem Rasen überlegen, wie Hofmann weiss.

Beschäftigt man sich tiefergehend mit der Fortpflanzung der urtümlichen Moose, wird schnell klar, dass ihre Bekämpfung ein Ding der Unmöglichkeit ist. Verschiedene Taktiken erlauben es den Überlebenskünstlern, sich neben der sexuellen Fortpflanzung durch Sporen auch ungeschlechtlich, ähnlich dem Klonen, zu vermehren. Mäht man also mit dem Rasenmäher, werden die zwischen dem Rasen lebenden Moose in viele kleine Stücke zerrissen und verteilt. Die Pflanzenteile wachsen an anderer Stelle einfach weiter. Andere Arten wiederum bilden kleine Knöllchen an ihren Würzelchen oder haben Blattspitzen, die abbrechen und aus denen ein neues Individuum entsteht. «Moos ist doch grün und so schön weich, ich verstehe gar nicht, warum man es wegmachen sollte», erzählt die Moosliebhaberin. Gegenüber dem Rasen ist eine Moosfläche zudem ökologisch wertvoller, wenn man an die Tausenden Tierchen denkt, die zwischen den Moosblättchen leben.

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Auf der anderen Seite stören Moose nicht nur im Rasen, sondern auch an Mauern. «Es werden immer noch Mauern geputzt, weil sie wegen den darauf wachsenden Moosen vermeintlich verlottert aussehen», erzählt Hofmann. «Dabei sind dies wunderbare Lebensräume. In Zürich haben wir auf einer Mauer ganze 27 Moosarten gefunden. Darunter sogar eine Art, die sonst überwiegend in den Alpen vorkommt.»

Die eigensinnigen Pflanzen, die dort spriessen, wo man sie nicht möchte und umgekehrt, bereiten dem Menschen in der Regel keine Probleme. Ganz im Gegenteil, denn sie werden bei Nässe nicht rutschig, wie Algen, können mit ihren Würzelchen kaum Zerstörung anrichten und schützen das Mauerwerk vor Verwitterung. Womöglich ist es an der Zeit, die Einstellung gegenüber den faszinierenden Pflanzen zu ändern. Bekämpfen lassen sie sich sowieso nicht. Heike Hofmann hat dazu einen Tipp: «Es lohnt sich, auch einmal in die Knie zu gehen, um ein Moos aus der Nähe zu betrachten. Dann nämlich lässt sich erst seine Schönheit erkennen.»

Systematik der Moose 

Weltweit sind zwischen 16 000 und 18 000 Moosarten bekannt, von denen 1153 Arten in der Schweiz vorkommen. Nach den Blütenpflanzen sind Moose somit die zweitgrösste Pflanzengruppe. Aufgeteilt werden sie systematisch in drei Gruppen.

Laubmoose (Bryophyta)

Laubmoose haben ein Stämmchen mit spiralig angeordneten Blättchen. Die Rhizoide, die wurzelähnlichen Strukturen, sind am Stämmchen wachsende Zellfäden, die zum Festhalten an Strukturen dienen. Laubmoose bilden zur Vermehrung Sporenkapseln, in denen sich die Sporen befinden, die sich bei Reife mit einem Deckel öffnen. Sie können sich wie alle Moose jedoch auch ungeschlechtlich vermehren. Laubmoose bilden die grösste Gruppe der Moose und wachsen in den unterschiedlichsten Lebensräumen.

Hornmoose (Anthocerotophyta)

Diese Gruppe der Moose unterscheidet sich von den Laubmoosen dadurch, dass sie nicht aus Stämmchen und Blättchen aufgebaut sind, sondern aus einem ungegliederten Thallus bestehen, einem vielzelligen, flächigen Vegetationskörper. Ihnen gehören weltweit nur etwa 150 Arten an. Sie sind die ältesten Landpflanzen und ihre grösste Vielfalt findet man in den Tropen. In der Schweiz sind drei Arten bekannt, die jedoch selten sind und hierzulande vor allem auf Äckern wachsen. Ihren Namen haben sie von ihren Sporenträgern, die die Form von Hörnern aufweisen.

Lebermoose (Marchantiophyta)

Lebermoose unterscheiden sich von den anderen Moosen durch ihre rundlichen Sporenkapseln, die sich mit vier Klappen öffnen. Ein Teil der Arten bildet wie die Hornmoose einen Thallus, andere sind in Stämmchen und Blättchen gegliedert. Hier sind die Blättchen nicht spiralig am Stämmchen angeordnet, sondern stehen in drei Reihen. Rund 270 Lebermoosarten konnten in der Schweiz bisher nachgewiesen werden. Aus dieser Gruppe sind mit 42 Prozent überdurchschnittlich viele Arten gefährdet.

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