10.00 Uhr 

Mischa Hofer und Kilian Zürcher haben sich soeben zur gemeinsamen Kaffee-pause an den Tisch gesetzt. Ein lockerer Erfahrungsaustausch unter guten Freunden. Die Klassifizierung von Schlachtkörpern, Stressfaktoren beim Verlad von Schweinen, Vermarktung von Demeter-Fleisch. Die beiden sind offensichtlich nicht im Pausenraum irgendeiner IT-Firma zusammengekommen, sie sitzen am gemütlichen Küchentisch des Dorni-Hofes in Walkringen BE.

Landwirt Kilian Zürcher hält hier 21 Mutterkühe mit ihren Kälbern, und Mischa Hofer nimmt mit seiner mobilen Schlachteinrichtung Hoftötungen vor. Das ist die achte Hoftötung, die Hofer und Zürcher gemeinsam auf dem Hof im Emmental durchführen. «Begonnen hat es vor etwas mehr als zwei Jahren mit einer Kuh, die mir sehr viel bedeutete», erzählt Kilian Zürcher. Seither können er und seine Frau sich nicht mehr vorstellen, ihren Tieren den Stress des Transportes und der Warterei in einem Schlachthof zuzumuten. «Uns ist ein respektvoller, auf Vertrauen basierender Umgang mit unseren Tieren wichtig – und dies bis in den Tod hinein.» Der Blick auf die Uhr bestätigt, nun ist es an der Zeit, in den Stall zu gehen.

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10.30 Uhr

Kilian Zürcher verteilt reichlich Heu auf dem Futtertisch. Die Kühe sputen sich, vom Auslauf zurück in den Stall zu kommen, bald ist zufriedenes Mampfen zu vernehmen. In einem separaten Auslauf warten draussen Leitkuh Ronja und die zehnmonatige Rita gespannt darauf, dass auch sie ihre Futterration bekommen. Seit gut einer Woche sind die beiden in ihrem Séparée untergebracht, bestehend aus einem Unterstand und einem Auslauf.

An einer Längsseite des Auslaufes ist eine metallene Rampe platziert. «Wir haben täglich geübt, auf diese Rampe zu steigen, die erfahre Ronja hat es jeweils vorgezeigt», erklärt der Landwirt und krault seine älteste Kuh. Mit dem Platzieren von Futter in einem Trog am oberen Ende der Rampe klappe es am besten. Die Versuche, die stämmige Rita am Halfter die Rampe hochzuführen, hätten das zutrauliche Kalb nur genervt und Abwehr hervorgerufen. «Von dieser Methode habe ich schnell wieder abgelassen, denn ich möchte sicher nicht, dass die Rampe mit negativen Erlebnissen verknüpft wird.»

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Nun hat Kilian Zürcher Heu, etwas Silage und als besonderen Leckerbissen sogar eine Handvoll Kraftfutter in den Futtertrog an der Stirnseite der Rampe gelegt und Kuh Ronja im hinteren Teil des Auslaufes mit Heu gefüttert. Doch die kleine Rita mit ihrer grossen weissen Blesse lässt sich Zeit. Auch wenn sich Mischa Hofer diskret zurück-gezogen hat und Kilian Zürcher mit grosser Gelassenheit das Futter verteilt, spürt das Kalb, dass heute etwas Besonderes in der Luft liegt.

«Manche Tierbesitzer sind bereits bei meiner Ankunft enorm aufgeregt, da braucht es meinerseits viel Fingerspitzengefühl,damit die Hoftötung erfolgreich ablaufen kann», so Hofer. Denn auch wenn ihnen äusserlich kein Stress anzusehen sei, reagieren Rinder sehr wohl auf entsprechende Hormone, die von anderen Lebewesen in ihrer Umgebung ausgeschüttet werden. «Es kommt vor, dass sich in mir bei der Ankunft auf einem Hof alles zusammenzieht, weil ich spüre, dass das Tier noch nicht bereit ist zu gehen.» Die Aufträge, die er mit einem guten Gefühl ausführen könne, würden aber klar überwiegen. Ebenso oft wie Rinder begleitet Hofer auch Schweine oder Schafe in ihrer trauten Umgebung in den Tod.

10.40 Uhr 

Ein kritischer Blick auf die Uhr. Rita macht noch immer keine Anstalten, auch nur eine Klaue auf die Rampe zu setzen. «Der Metzger hat sich ein Zeitfenster für uns reserviert, das schon bald anläuft», so Mischa Hofer stirnrunzelnd.

Verborgen hinter seinem Anhänger, auf dem unübersehbar der Schriftzug «hofschlachtung.ch» prangt, lauscht Hofer gespannt, ob endlich Tritte auf dem Metalluntergrund zu hören sind. Wie er in seiner grünen Fleecejacke leicht nach vorne gebeugt hinter dem Fahrzeug hervorlugt, könnte man ihn fast für einen Jäger auf Pirsch halten, nur dass er statt eines Gewehres das Bolzenschussgerät in den Händen hält.

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10.50 Uhr

Tritte sind zu vernehmen und dann das Klacken des Fressgitters, in dem Rita nun am Hals fixiert ist. Ein erleichterter Blickaustausch der beiden Männer. Ein kurzer Knall lässt einen zusammenzucken und dann erklingt ein lautes Scheppern, als der Körper auf die Rampe heruntersackt.

Nun geht alles schnell, die Handgriffe sitzen. Kilian Zürcher entfernt die Umzäunung von der Rampe, dann aktiviert Mischa Hofer den Elektromotor, der die Rampe in den Anhänger hochzieht. Gleichzeitig schliesst sich das Rolltor. Als Mischa Hofer den Bruststich zur Entblutung setzt, ist der Tierköper bereits im Innern des Anhängers verschwunden. Ronja frisst derweil unbeteiligt weiter, der Tod ihrer Artgenossin scheint sie nicht aus dem Konzept zu bringen.

Mehr spannende Artikel rund um Tiere und die Natur?Dieser Artikel erschien in der gedruckten Ausgabe Nr 07/2023 vom 6. April 2023. Mit einem Schnupperabo erhalten Sie 6 gedruckte Ausgaben für nur 25 Franken in Ihren Briefkasten geliefert und können gleichzeitig digital auf das ganze E-Paper Archiv seit 2012 zugreifen. In unserer Abo-Übersicht  finden Sie alle Abo-Möglichkeiten in der Übersicht.

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10.55 Uhr

Der Motor des Pickups heult auf und Mischa Hofers Gespann setzt sich in Bewegung. Der Weg über die wenig befahrenen Strassen in die Dorfmetzgerei von Lützelflüh nimmt kaum mehr als zwölf Minuten in Anspruch. Dennoch muss Hofer ziemlich aufs Gaspedal drücken, um die kleine Verzögerung möglichst wettzumachen. Als ein Bagger bei einer Baustelle den Weg versperrt, kriecht doch ein klein wenig Ungeduld im sonst so besonnenen ausgebildeten Landwirt hoch.

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11.07 Uhr

Das Tor des kleinen Schlachthauses auf der Rückseite der Metzgerei Gygax steht weit offen, davor sind drei mit grossen Schürzen, Gummistiefeln und Haarnetzen ausgestattete Männer positioniert. Sie weisen Mischa Hofer ein, damit der Anhänger exakt vor dem weiss gekachelten Raum zu stehen kommt. Nun heisst es für die drei Metzgergesellen anpacken: An einer um die Hinterbeine gelegten Kette wird der Tierkörper aus dem Anhänger gezogen.

Als Mischa Hofer die mit Blut gefüllte Auffangwanne aus dem Hänger holt und danach das Innere seines Fahrzeuges mit Wasser sauber spritzt, haben die drei beschürzten Männer bereits mit ihrer Arbeit begonnen. Sie setzen ruhig und sicher ihre Handgriffe, als Mischa Hofer wieder davon fährt in Richtung Dorni-Hof, um sich dort noch richtig von Kilian Zürcher verabschieden zu können.

Einkaufskorb
Auf der Website der Platzhirsch Hofschlachtung GmbH ist eine Landkarte zu finden, auf der sämtliche Bauernhöfe, Restaurants und Metzgereien vermerkt sind, für die Mischa Hofer Hof- und Weidetötungen vornimmt.
In der Ostschweiz nimmt Damian Signer mit seinem Team von der Waidwerker GmbH Hof- und Weidetötungen vor. Auf ihrer Website findet man die Kontaktdaten sämtlicher Höfe, mit denen sie zusammenarbeiten: waidwerker.ch unter Kunden. Bei der Partnerfirma, der Larina Fleischveredelungs AG, können Fleischbestellungen telefonisch und per Mail aufgegeben werden:
Seit etwas mehr als zwei Wochen ist im Onlineshop von Coop Demeter-Fleisch aus den Hoftötungen durch Mischa Hofer unter dem Label «Hofschlachtung.ch» erhältlich.
Auf der Plattform Biomondo sind Direktvermarkter zu finden, deren Fleisch aus Hof- oder Weidetötung stammt.