Im 16. Jahrhundert brachte der spanische Konquistador Hernán Cortés ein seltsames Tier von seiner Reise mit nach Hause. Die auf dem heutigen Gebiet Mexikos einheimischen Azteken hielten Vögel als Nutztiere, die wesentlich grösser waren als Hühner, deren Fleisch ausgezeichnet schmeckt. Truthühner (Meleagris gallopavo) sind in ganz Nordamerika beheimatet und waren bei der indigenen Bevölkerung von grosser Bedeutung. Nebst dem Weisswedelhirsch dienten Truthühner als wichtige Fleischlieferanten, und auch die Federn wurden für Kleider, Schmuck und bei der Herstellung von Pfeilen genutzt.

Mit den Entdeckungsreisen europäischer Seefahrer gelangte das Truthuhn auch zu uns. Die domestizierte Form, die Trute oder Pute, ist in den USA ein traditioneller Bestandteil des Thankgiving Days, gewinnt aber auch in Europa zunehmend an Bedeutung. Rund 30 Schweizer Betriebe halten die Vögel, so auch die Familie Schweizer im sankt-gallischen Brunnadern. Ihr Hof ist der einzige Trutenzuchtort Europas, der mit der Bio-Knospe ausgezeichnet ist. «Zuerst wollten wir Truten selbst mästen und das Fleisch verkaufen, haben aber festgestellt, dass es in der Schweiz schwierig ist, Bio-Jungtruten zu kaufen. Also haben wir angefangen, selbst zu züchten», berichtet Bruno Schweizer. Bei ihm werden die Elterntiere im Freiland gehalten, wo sie nicht nur Tageslicht und frische Luft bekommen, sondern auch viel Bewegung. «Truten weiden mehr und scharren weniger als Hühner, also brauchen sie frisches Gras», so Schweizer.

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Natürlichkeit statt Überzüchtung

Seine Truthühner seien ausgezeichnete Brüterinnen, schwärmt der Landwirt. Einmal geschlüpft, verbringen die Küken bis zu sechs Wochen auf dem Hof, bis sie dann auf einen Schweizer Bio-Mastbetrieb ziehen. «Uns ist wichtig, dass unsere Tiere nicht überzüchtete Fleischberge sind, sondern auch bis zum Ende der Mast noch agil und beweglich bleiben», erzählt Bruno Schweizer. Denn eigentlich sind Truten vor allem eins: Fleischlieferanten. Mit einem Gewicht von bis zu15 Kilogramm passen die grössten Exemplare auch nicht mehr in den Backofen. «Truten eignen sich gut zum Zerlegen. So kann man Flügeli, Putenbrust, Schenkel etc. einzeln erwerben. Das Fleisch ist sehr schmackhaft und dabei kalorien- und fettarm», so Schweizer.

Aber nicht nur die kulinarischen Eigenschaften lassen den Landwirten schwärmen. «Truthühner sind sehr neugierige Vögel, die manchmal fast schon frech werden», schmunzelt Bruno Schweizer. Wer Truthühner auf dem Hof hält, braucht zudem keinen Wachhund mehr, denn die Tiere kündigen fremde Besucher mit lauten Rufen an. Mit diesen warnen sich Truthühner in ihrer nordamerikanischen Heimat vor Fressfeinden wie Kojoten, Füchsen und Adlern. Waschbären und Skunks haben es zudem auf die Eier und Küken der am Boden brütenden Vögel abgesehen. Trotzdem erreichten Truthühner vor der Ankunft der Europäer mancherorts eine Dichte von bis zu 80 Individuen pro Quadratkilometer.

Truthühner leben gesellig und müssen auch als domestizierte Tiere in Gruppen gehalten werden. Die natürliche Gruppengrösse schwankt zwischen sechs und zwanzig Vögeln, bestehend aus Hennen mit ihrem Nachwuchs sowie aus Hähnen. Letztere bilden in der Natur auch reine Männchenverbände. Weibliche Truthühner sind jedoch nicht zwangsläufig auf die Männchen angewiesen: Sie können Parthenogenese betreiben und auch unbefruchtete Eier ausbrüten. Die so entstandenen Küken sind immer männlich und versterben jedoch meistens bereits vor dem Erreichen der Geschlechtsreife.