Wasser ist der Quell des Lebens. Der Mensch kann wochenlang ohne Nahrung überleben, aber höchstens drei Tage ohne Wasser. So weit, so unstrittig. Doch bei der Wahl des Trinkwassers scheiden sich die Geister. Während die einen auf Hahnenburger schwören, bevorzugen die anderen stilles Mineralwasser aus der Flasche. Letzteres ist eindeutig auf dem Vormarsch, wie Zahlen untermauern. So wird heute in der Schweiz fast 50 Prozent mehr Mineralwasser getrunken als vor 20 Jahren. Grossen Anteil an diesem Anstieg haben die stillen Wässer.

Als Gründe für diesen Trend werden in Konsumenten-Umfragen vor allem Zweifel an der Qualität von Hahnenwasser angegeben. Der Bleigehalt sei bedenklich; es habe zu viele weibliche Hormone im Wasser; Mikroplastik, Fluor und andere Rückstände würden die Gesundheit gefährden. Manche gehen so weit und behaupten, Hahnenwasser eigne sich nur für die WC-Spülung.

Schweizer Hahnenwasser ist überall gut
Die Vorurteile gegenüber Hahnenburger widerlegt Urs von Gunten, Experte für Trinkwasser und Wasseraufbereitung bei der  Eawag, dem Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs und der ETH Lausanne. «Es gibt keinen Anlass, in der Schweiz auf Hahnenwasser zu verzichten», sagt der Fachmann. «Bleileitungen und -verbindungen sind seit über hundert Jahren verboten. Fluor wird dem Trinkwasser nicht beigemischt. Und Hormone kommen, wenn überhaupt, in unbedeutend tiefer Konzentration vor.» Auch Mikroplastik sei unproblematisch, da es unser Verdauungstrakt gewohnt sei, Partikel aller Art auszuscheiden.

Urs von Gunten weist zudem darauf hin, dass die Qualität des Hahnenwassers in allen Kantonen gut ist. Und zwar egal, ob es sich um Quellwasser oder um Grund-, See- oder Flusswasser handelt. Je nach Wasserressource erfolge keine, eine einstufige Aufbereitung mit Desinfektion oder eine mehrstufige mit Desinfektion und Entfernung von Partikeln und Spurenstoffen, um die gesetzlichen Anforderungen zu erreichen oder sogar zu übertreffen.

«Die Unterschiede zwischen Hahnenwasser und Flaschenwasser sind nicht gross, ausser bei der Mineralisierung von einigen Wässern», sagt von Gunten. Den hohen Absatz von Flaschenwässern schreibt er deshalb vor allem einem guten Marketing zu.

Jedes Mineralwasser schmeckt anders
Christiane Zwahlen vom Verband schweizerischer Mineralquellen und Soft-Drink-Produzenten SMS erklärt den Erfolg von Mineralwasser dagegen mit dem Geschmack: «Beim Mineralwasser ohne Kohlensäure tritt das Geschmackserlebnis in den Vordergrund», sagt sie. «Jedes natürliche Mineralwasser muss am Ort der Quelle unbehandelt in verschliessbare Behältnisse abgefüllt werden. Es handelt sich also um ein Naturprodukt erster Güte.»

Jedes Mineralwasser hat laut Zwahlen eine «eigene DNA». Die Mineralisation und der Geschmack hängen stark von den Gesteinsschichten ab, welche das Mineralwasser bisweilen mehrere Jahre lang durchfliesst. Somit könne der Konsument zwischen verschiedenen Mineralwässern unterschiedlicher Anbieter wählen und wisse immer, was er kaufe, da die Mineralisation ausgewiesen, das Mindesthaltbarkeitsdatum angegeben und der verantwortliche Abfüller auf der Flasche aufgeführt sind.

Keine Geschmacksfrage ist dagegen die Ökobilanz. Hier schneidet das Hahnenwasser deutlich besser ab. Eine Studie, die vom Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfaches SVGW in Auftrag gegeben wurde, ergab, dass beim direkten Vergleich von Leitungswasser mit ungekühltem Mineralwasser das Hahnenwasser nur einen Bruchteil der Umweltbelastungen von Mineralwasser verursacht. Dabei ist die Herkunft und der damit verbundene Transportaufwand deutlich relevanter als die Verpackung. Das zweifelt auch Christiane Zwahlen nicht an. Sie verweist aber darauf, dass der Verzicht auf Mineralwasser für den Umweltschutz kaum eine Wirkung hat, was die Studie ebenfalls einräumt.

Letztlich spielt es also keine entscheidende Rolle, welches Wasser wir trinken. Wichtig ist, dass wir ausreichend vom Quell des Lebens zu uns nehmen.