Die Klimaerwärmung sorgt dafür, dass es im Frühling früher warm wird und die Temperaturen im Herbst länger sommerlich bleiben. Davon würden die Pflanzen profitieren, so die gängige Meinung: Sie hätten eine längere Vegetationsperiode und blieben besonders lange grün. Eine Studie der Universität Basel zeigt jedoch, dass dies bei alpinen Arten häufig nicht der Fall ist. Hier führt der Klimawandel zu vorzeitiger Alterung der Pflanzen und daher zu «braunen Matten».

Das Frühjahr 2022 war extrem warm und bescherte vielen Pflanzen einen frühen Wachstumsbeginn, so auch in den Schweizer Alpen. Die Schneedecke schmolz bald einmal und brachte die darunterliegende Vegetationsdecke zum Vorschein, die schnell zur vollen Pracht ergrünte. Forscherinnen und Forscher am Departement für Umweltwissenschaften der Universität Basel untersuchten nun, wie Alpenpflanzen auf einen frühen Frühling reagieren.

Früher Sommer in der Klimakammer

Wie viele wissenschaftliche Studien beruhen auch hier die Daten nicht auf reinen Beobachtungen, sondern wurden durch ein Experiment untermauert. Dabei entnahmen die Forschenden intakte Blöcke von alpinem Rasen und brachten sie in eine begehbare Klimakammer am Botanischen Institut in Basel. Hier können Licht und Temperatur so eingestellt werden, wie die Forschenden sie haben möchte.

Einen Teil der Rasenstücke schickten sie bereits im Februar in den Sommer, einen zweiten Teil liessen sie bis im April in einer dunklen, kühlen Kammer. Die Expertinnen und Experten verglichen dann das Wachstum der Pflanzen auf den experimentellen Rasenstücken mit jenen in der natürlichen Umgebung auf 2500 Metern Höhe, die erst Ende Juni aus dem Schnee kamen.

Festgelegtes Programm

Ein Grossteil der alpinen Pflanzen hören nach fünf bis sieben Wochen auf zu wachsen. Dann setzt der Alterungsprozess ein. Die Krummsegge (Carex curvula), eine der dominanten Pflanzenarten, zeigte sich beim Experiment besonders stur. Egal, wann für sie der Sommer eingeläutet wurde, sie schaltete nach exakt der gleichen Zeitspanne auf Alterung um und wurde braun.

Selbst der als sonst so robust geltende Löwenzahn (Leontodon helveticus) folgte einem erstaunlich strickten Zeitplan. Eine auf eine bestimmte Länge fixierte Wachstums- und Alterungsperiode ist in einer alpinen Umgebung von Vorteil, denn oft sind die Vegetationszeiten hier sehr kurz. Würde die Pflanze länger aktiv bleiben, und bereits der Wintereinbruch einsetzen, würde sie erfrieren.

Flexible Arten werden dominant

Wird es im Frühling also bereits früh warm, so erwarten uns im Sommer braune Alpenwiesen. Das gilt jedoch nicht für alle Pflanzen: Einzelne Arten sind weniger strickt und können die Länge der Wachstumsperiode flexibler gestalten und unter günstigen Bedingungen länger aktiv bleiben.

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Das Goldfingerkraut (Potentilla aurea) und das Alpen-Ruchgras (Anthoxanthum alpinum) blieb während der ganzen Zeit grün, selbst wenn sie schon im Februar in den künstlichen Sommer starteten. Solche Arten könnten künftig häufiger werden und jene verdrängen, die heute dominant sind.