Handgemachte Sauberkeit
Naturseifen als nachhaltige Alternative
Naturseifen erleben eine regelrechte Renaissance. Heidi Ryter hat sich das Handwerk der Seifensieder zum Beruf gemacht und gibt einen Einblick in ihr Schaffen.
Heidi Ryter zieht ihre Handschuhe an, rückt die Schutzbrille auf der Nase zurecht und greift einen Plastikkrug mit einer klaren Flüssigkeit drin. «Mit Lauge muss man besonders vorsichtig arbeiten», sagt sie und rührt die ätzende Flüssigkeit in einen anderen Krug mit goldenem Öl.
Mit dem Pürierstab verwandelt sie das Gemisch in eine milchig gelbe Masse, cremig und duftlos. Erst eine Parfümmischung gibt der Flüssigkeit die gewünschte Duftnote und der wohlig warme Geruch von Bienenwachs erfüllt das Atelier. «Mehr muss man nicht machen.»
Die Masse verdickt allmählich, danach kommt sie in eine Holzform, wo sie rund 48 Stunden ruhen darf. So lange dauert es, bis die Lauge und das Öl fertig reagiert haben und aus dem Seifenleim Naturseife entsteht. Heidi Ryter ist eine von mittlerweile vielen Seifensiederinnen und Seifensiedern in der Schweiz, die das Handwerk gewerblich ausüben.
Die 40-Jährige siedet schon seit 14 Jahren und gehört damit zu einer der Ersten in der Branche. Das Wissen hat sich die Bäuerin und gelernte Pflegeassistentin aus Büchern und Experimenten selbst erarbeitet. Seit vier Jahren kann sie von dem Geld leben, das sie mit dem Vertrieb ihrer Naturseifen einnimmt. «Seifenstück» nennt sie ihr Kleinunternehmen in Frutigen im pragmatisch.
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Weniger Abfall, mehr Handwerk
Auf die Frage, warum sie damit begonnen hat, muss Ryter nicht lange überlegen. «Es gibt genau drei Gründe.» Sie sitzt an einem Tisch mitten in ihrem kleinen Atelier, neben ihr vier Holzformen mit Seife. «Plastik, Abfall und Handwerk.» Sie habe genug gehabt vom Plastikabfall, den sie und ihre drei Kinder produzierten – von den Shampoo-Flaschen, den vielen Duschgels und deren unübersichtlichen Inhaltsstoffen. Und schliesslich habe sie auch etwas eigenhändig kreieren wollen. «Nach drei Kindern wollte ich wieder etwas für mich tun», so die Unternehmerin.
Also beginnt sie, Seife zu sieden, und trifft damit den Nerv der Zeit. In ihrer Scheune produziert sie eine Seife nach der anderen, tüftelt an neuen Rezepten und fällt mit ihren bunten Naturseifen auf. Auf einem Markt wird sogar die Drogerie auf dem Ballenberg aufmerksam auf ihre Kreationen und nimmt ihre Produkte ins Sortiment.
Seife ist nicht gleich Seife
Je nach Zusammensetzung der Öle und des Herstellungsprozesses entstehen jeweils andere Seifen, die für andere Zwecke verwendet werden. Ein kleiner Überblick.
Naturseife
Herstellung: Für Naturseifen werden hochwertige Pflanzenöle verwendet, die mit Natronlauge zu einem Seifenleim verarbeitet werden. Dieser muss mehrere Wochen bis Monate reifen.
Eigenschaften: Naturseife ist überfettet. Das heisst, nicht alle Fette und Öle wurden verseift und die Seife wirkt pflegend und rückfettend.
Verwendung: Naturseifen werden in der Körper- und Handpflege geschätzt und zum Duschen verwendet.
Kernseife
Herstellung: Entsteht, wenn man den Seifenleim mit Natriumchlorid (Kochsalz) aufkocht. Bei diesem sogenannten Aussalzen spaltet sich der Seifenleim in Glyzerin und Kernseife.
Eigenschaften: Sie besitzt keine pflegenden Eigenschaften und entzieht der Haut Feuchtigkeit.
Verwendung: Kernseife wird zum Putzen verwendet und ist in Wasch-, Reinigungs- und Spülmitteln vorhanden.
Schmierseife/Flüssigseife
Herstellung: Wenn beim Seifensieden anstelle einer Natronlauge eine Kalilauge verwendet wird, entsteht Schmierseife.
Eigenschaften: Sie hat eine dicke bis flüssige Konsistenz und wirkt wie alle Seifen fettlösend.
Verwendung: Schmierseife wird oft zur Reinigung, als Spülmittel oder als flüssige Handseife verwendet.
Und so führt eines zum anderen und ihre Seifen finden in der ganzen Schweiz und im Ausland Anklang: Heute hat Ryter 150 Wiederverkäufer, produziert 5000 Seifen pro Monat in einem kleinen Atelier in Frutigen und ihre Kurse sind bis nächstes Jahr ausgebucht.
Was ist Seife überhaupt?
Naturseifen haben sich in den vergangenen Jahren als natürliche, umweltschonende Alternativen zu industriellen Duschmitteln und Shampoos bewährt. Sie kommen ohne Verpackung aus und bestehen aus natürlichen, umweltverträglichen Inhaltsstoffen: Das heisst keine Weichmacher, Silikone oder Mikroplastik.
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Zusätzlich pflegen sie dank der hochwertigen Öle Haut und Haare und eignen sich besonders für Menschen mit sensibler Haut. Mit 9 bis 15 Franken pro Stück zahlt man zwar einen guten Preis, dafür hat man bis zu zwei Monate Freude an einem Seifenstück und erhält ein Produkt, das auf Sicherheit geprüft wurde.
Das Handwerk brachten die Araber im 7. Jahrhundert nach Christus nach Europa. Damals verwendeten die Menschen vorwiegend tierische Fette zur Produktion von Seife. Im 17. Jahrhundert aber modernisierten die Franzosen den Herstellungsprozess und erlangten mit ihrer duftenden und pflegenden «Savon de Marseille» europaweit Bekanntheit. Der chemische Prozess ist und bleibt aber derselbe wie noch vor 2000 Jahren: Seife entsteht, wenn Natronlauge oder ein anderer alkalischer Stoff auf Fette oder Öle trifft.
Bei der Reaktion spaltet sich das Fett in Salze und andere Stoffe wie Glyzerin. Bei diesem Verseifungsprozess entsteht der sogenannte Seifenleim, der bis 48 Stunden nach der Reaktion noch ätzend sein kann. Anschliessend muss die Seife wie Käse reifen: Dabei verflüchtigt sich die überschüssige Flüssigkeit in der Seife und sie wird härter und ergiebiger. Das kann bei stark überfetteten Seifen wie der Aleppo-Seife aus Olivenöl bis zu einem Jahr dauern. Seifen sind also nichts anderes als Salze von Fettsäuren.
Einfach selbst machen
Heidi Ryters Seifen müssen bis zu acht Wochen lagern, bevor sie in den Verkauf können. Rund 15 000 Stück warten in ihrem Lager auf diesen Moment, 42 verschiedene Sorten mit jeweils unterschiedlichen Rezepten. Begonnen hat aber alles mit einer einfachen Ringelblumenseife, die Ryter in ihrer Küche siedete.
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Viel mehr als sie heute verwendet, brauchte sie dafür nicht: einen Edelstahltopf oder einige Kunststoffschüsseln, eine Waage, die auf das Gramm genau wiegt, sowie einen Gummischaber, Schutzhandschuhe, Schutzbrille und einen Pürierstab. Das Natriumhydroxid für die Lauge holte sie aus der Drogerie, ebenso die wertvollen Öle und Fette.
«Der grösste Anfängerfehler ist, nicht grammgenau zu arbeiten und das Rezept nicht zu notieren», sagt sie und will Interessierte zum ersten Schritt ermutigen, selbst Seife zu sieden. «Man muss es einfach einmal machen.»
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