Grundschleppnetzfischerei
Wenn unzählige Meerestiere in den Fängen der Netze landen
Die Weltmeere und ihre Fischbestände sind in Gefahr – die Zerstörung ist schlimmer als gedacht. Besonders die Grundschleppnetzfischerei vernichtet Lebensräume und tötet unzählige Meerestiere als Beifang.
Im vergangenen Jahr sorgte eine alarmierende Entdeckung für Aufsehen. Eine im Fachjournal Science veröffentlichte Studie stellte die bisherigen Nachhaltigkeitsbewertungen der globalen Fischerei infrage: Viele Fischbestände sind in einem weitaus schlechteren Zustand als bisher angenommen. Besonders besorgniserregend sind die gravierenden Fehleinschätzungen bei bereits überfischten Beständen. «Offiziell gilt mehr als ein Drittel der weltweiten Fischbestände als überfischt, doch tatsächlich dürfte es eher die Hälfte sein», warnt Nicolas Entrup von der Schweizer Umweltschutzorganisation OceanCare. Die zur Regulierung eingesetzten Fischereimodelle würden die tatsächliche Lage beschönigen. Dies hat fatale Folgen für den Schutz der Meere: Fehlinformationen führen zu falschen politischen Entscheidungen – mit möglicherweise verheerenden Konsequenzen für die marine Artenvielfalt.
Besonders die Schleppnetzfischerei, eine der weltweit am häufigsten eingesetzten Fangmethoden, steht in der Kritik. Dabei gibt es verschiedene Varianten: Schwimmschleppnetze, semipelagische Schleppnetze und Grundschleppnetze. Letztere gelten als besonders problematisch. «Grundschleppnetze werden mit schweren Metallteilen und Gewichten über den Meeresboden gezogen. Dabei zerstören sie ganze Lebensräume, dezimieren die biologische Vielfalt und hinterlassen bleibende Narben im Ökosystem», erklärt Entrup.
Der Schaden geht jedoch weit über die Vernichtung von Lebensräumen hinaus: «Zwischen 20 und 50 Prozent der Wirbellosen, die den Netzen in den Weg kommen, sterben.» Dazu kämen hohe Beifangraten. In manchen Gebieten landen bis zu 90 Prozent der Fänge als unerwünschter Beifang wieder im Meer – meist tot oder sterbend. Doch nicht nur das: Die Schleppnetze haben auch Auswirkungen auf das Klima. Während sie über den Meeresboden gezogen werden, wirbeln sie Sedimente auf, die grosse Mengen an gespeichertem Kohlenstoff freisetzen. Das freigesetzte CO₂ trägt zusätzlich zur Erderwärmung bei und verschärft den Klimawandel.
Kampf gegen die Zerstörung
Einige Regionen versuchen, die schlimmsten Auswirkungen der Grundschleppnetzfischerei einzudämmen. So hat die EU-Kommission beschlossen, dass Grundschleppnetze bis 2030 in allen Natura-2000- und Meeresschutzgebieten der EU verboten werden sollen. Auch die Fischereikommission für das Mittelmeer (GFCM) erwägt eine Ausweitung von Sperrgebieten, die bislang alle Meeresböden des Mittelmeers und des Schwarzen Meeres in Tiefen von mehr als 1000 Metern umfassen. Doch weltweit sieht die Lage düster aus: Zehn Staaten sind für 64 Prozent der globalen Grundschleppnetzfänge verantwortlich. Besonders besorgniserregend ist die Situation vor den Küsten Afrikas, wo ausländische Schiffe oft unkontrolliert fischen. «Wenn überhaupt Kontrollen stattfinden, dann meist nur unzureichend», erklärt Nicolas Entrup. Dabei gäbe es durchaus umweltschonendere Fangmethoden, die den Meeresboden und marine Ökosysteme weit weniger schädigen würden – und auch den Beifang reduzieren könnten. Entscheidend sei jetzt, überfischten Beständen eine Erholungspause zu gewähren, damit sie sich regenerieren und langfristig wieder nachhaltig befischt werden können.
Zumindest im kommenden Juni bietet sich eine Gelegenheit, den Schutz der Meere voranzutreiben – dann findet die UN-Ozeankonferenz in Nizza statt. Umweltschutzorganisationen fordern ein weltweites Verbot der Grundschleppnetzfischerei in empfindlichen Meeresregionen und Schutzgebieten. Auch OceanCare setzt sich mit der Kampagne «Because Our Planet Is Blue» aktiv für politischen Druck und konkrete Veränderungen ein. «Wir brauchen dringend eine globale Strategie zum Schutz der Meere. Es muss Schluss sein mit zerstörerischen Fangmethoden und schädlichen Subventionen. Gleichzeitig müssen Fischer und Fischerinnen beim Umstieg auf nachhaltige Alternativen unterstützt werden», fordert Entrup und ergänzt: «Eine nachhaltige Fischerei ist durchaus möglich – es braucht dafür nur den politischen Willen zu einem grundlegenden Wandel.» Es bleibt abzuwarten, ob die internationalen Regierungen diesen dringenden Appellen wirklich folgen – oder ob der Raubbau an den Meeren ungebremst weitergeht.
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