Ronny bellt und die Gänse schnattern. Der Empfang auf dem Leitnerhof könnte herzlicher nicht sein: Hofherr Ferdinand Plattner begrüsst seine Gäste mit den Worten, er sei soeben zum vierten Mal Vater geworden, und Sohn Michael zeigt den Weg zur Ferienwohnung. Die geräumige Bleibe verfügt nebst einem gemütlichen Schlafzimmer über mehr, als man an einem verlängerten Wochenende nutzen kann: Küche, Fernseher, Sofa, Essecke, Waschmaschine. Vom Balkon sieht man die Dolomiten und ein Blick in den Garten erklärt, warum die Gänse so aufgeregt sind: Eine Katze hat sich zu ihnen geschlichen. Die Hühner haben schon die Flucht ergriffen – sie marschieren weit draussen auf der Wiese. Zäune gibts hier fast keine.

Familie Plattner betreibt einen Bergbauernbetrieb im Südtirol, auf 1450 Metern Höhe, in Jenesien. Die Städte Bozen und Meran liegen rund 40 Autominuten entfernt. Plattners leben vor allem von der Milchwirtschaft, aber nur dank dem Nebenerwerb durch die Ferienwohnungen können sie von der Landwirtschaft leben – im Gegensatz zu vielen anderen Bauersleuten müssen sie somit keiner externen Arbeit nachgehen. 

Hohe Qualität, regelmässige Kontrolle
Ferien auf dem Bauernhof bieten im Südtirol rund 2500 Betriebe an. Sie werden überwacht und bewertet vom Amt für ländliches Bauwesen. Ein Blumensystem gibt Aufschluss über den Standard – fünf Blumen sind das Maximum, ähnlich den Hotelsternen. Bauersleute, die Ferien auf dem Bauernhof anbieten wollen, müssen erst eine entsprechende Weiterbildung absolvieren.

Gut 1600 Betriebe gehören zum Roten Hahn. Die Marke des Südtiroler Bauernbundes nimmt Höfe bei sich auf, die alle einen Nebenerwerb anbieten. Vier Säulen sind massgebend: Ferien auf dem Bauernhof, Schankbetriebe, Qualitätsprodukte vom Bauern, bäuerliches Handwerk. Das Label steht für hohe Qualität und regelmässige Kontrolle. Wer beispielsweise nebst dem Bauernbetrieb einen Hofschank anbieten will, darf maximal 30 Sitzplätze einrichten und muss zu 30 Prozent Rohstoffe vom eigenen Hof verarbeiten, sicher aber eigenes Fleisch. Dafür darf der Hofschank das ganze Jahr geöffnet haben. 50 Prozent der Produkte müssen aus der Region stammen und lediglich 20 Prozent dürfen von ausserhalb zugekauft werden, zum Beispiel Kaffee oder Salz. 

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Wunderbare Aussicht vom Leitnerhof.
Bild: Sarah Ganzmann

Wer einen sogenannten Buschenschank besitzt, bezieht ebenfalls 30 Prozent Rohstoffe vom eigenen Hof und schenkt auf jeden Fall eigenen Wein aus. Die Sitzplätze sind unbeschränkt, aber der Betrieb darf nur halbjährig geöffnet werden. «Diese Regelungen sind so strikt, weil es ein Nebenerwerb bleiben soll», erklärt Valentina Thurner vom Roten Hahn. «Die meisten Betriebe bei uns bieten aber mehr als 30 Prozent eigene Produkte an.»

Speck, Käse, Joghurt – alles selbstgemacht
«Die Ferien beginnen mit einem Erlebnis», verspricht Familie Plattner vom Leitnerhof. Gemeint ist das Frühstück und pünktlich um 9 Uhr klingeln wir am nächsten Morgen an der Haustüre der Hofbesitzer. In ihrer Stube, zwischen Bauernofen und Sitzbank, nehmen wir Platz an einem grossen Holztisch, bedeckt mit rot-weiss kariertem Tischtuch. Der älteste Sohn Michael bringt eins ums andere: Dreiminuten-Eier, Kaffee, selbst gemachten Lindenblütentee, Konfitüre aus eigener Produktion, selbst gemachten Speck und Würste, Käse, selbst gemachtes Joghurt, Fruchtsalat. In unserem Rücken bescheint die Sonne die Dolomiten und zu jeder halben Stunde ruft der Kuckuck aus der Uhr. In der Tat ein Erlebnis!

Die Söhne, zwischen 14 und 19 Jahre alt, helfen kräftig im Haushalt und im Stall mit. Erst recht, solange die Mutter mit dem jüngsten Brüderchen Elias im Krankenhaus weilt. Seit 1628 ist der Leitnerhof im Besitz der Familie Plattner. Heute wohnen drei Generationen auf dem Hof: die Eltern, die Kinder und die Grosseltern. In Stall stehen zwölf Kühe und zehn Jungtiere, dazu kommen Schweine, Hühner, Kaninchen, Meerschweinchen und Hofhund Ronny, der jeden Gast bellend begrüsst. Im Jahr 2001 sanierte die Familie ihr Wohnhaus komplett. Für neun Monate war darum die Garage ihr Zuhause. Eine schwierige Zeit – aber mit vereinten Kräften wurde das Projekt Anfang 2002 erfolgreich beendet.

Wer Ferien auf dem Bauernhof anbietet, darf entweder maximal fünf Ferienwohnungen haben oder acht Ferienzimmer. Die Höfe werden mit maximal 30 000 Euro vom Staat unterstützt.

Südländische Lebensfreude
Viele Höfe beim Roten Hahn bieten gemeinsame Erlebnisse an. Entweder wandern, Wildbeobachtungen oder Kochkurse mit der Bäuerin, wo beispielsweise eigene Knödel hergestellt werden. Knödel werden im Südtirol übrigens oft als Vorspeise gegessen – viel Hunger mitzubringen, ist empfohlen. Wie alles hier orientiert sich ein grosser Teil an Österreich, vom Essen bis zur Sprache. Aber seit 1918, also seit das Land zu Italien gehört, sprechen die meisten Südtiroler auch italienisch. Die Lebensfreude und Offenheit jedenfalls wirken sehr südländisch. Mahlzeiten werden mit einem offerierten Schnaps des Hauses beendet, ein «nein danke» wird vom stolzen Bauern nur schweren Herzens akzeptiert.

Der nächste Morgen beginnt mit dem traditionellen Gebell von Ronny, dem krähenden Güggel und Motorsäge-Geräuschen. Bereits ist unser letzter Ferientag in Jenesien angebrochen, die schöne Aussicht und das feine Frühstück werden uns daheim mit Sicherheit fehlen. Ein bisschen Trost gibt es aber: Im Keller der Plattners stehen reihenweise hof­eigene Produkte, die wir kaufen und mit nach Hause nehmen. So erhalten wir uns wenigstens ein bisschen vom Südtiroler Feriengefühl.

www.roterhahn.it

Übernachtungstipps

Leitnerhof: Bergbauernhof mit Viehwirtschaft in Jenesien. Zwei Ferienwohnungen für zwei bis vier Personen. Unter anderem Kinderspielecke, Grillmöglichkeit, Tischtennis, Tischfussball, Wildbeobachtungen, basteln mit Heu und Naturmaterialien, Frühstück mit hofeigenen Produkten. Ausgezeichnet mit vier von fünf Blumen. www.leitnerhof.eu

Wietererhof: Neu erbauter Reiterhof in Jenesien. Vier Ferienwohnungen für zwei bis fünf Personen. Sehr modern ausgestattet, jede Wohnung wurde aus Fichten- oder Arvenholz gezimmert. Unter anderem eigene Küche, zwei getrennte Schlafräume, Spülmaschine, Waschmaschine, Kinderspielplatz, Grillmöglichkeit, Reiten am Hof möglich, Tiere zum Streicheln. Aufnahme-Prozedere läuft noch, darum noch mit keinen Blumen ausgezeichnet. Hofschank im Aufbau. www.wietererhof.com