Mehr als 40 Jahre ist es her, als sich in der Schweiz rund 20 begeisterte Pferdebesitzer, Warmblutzüchter und Trakehnerfreunde zur Gründung einer Genossenschaft zusammenfanden. Die Warmblutzüchter unter ihnen widmeten sich 1978 der Trakehner-Reinzucht. So unterschiedlich ihre Anliegen waren, so sehr vereinte sie der emotionale Bezug: die Verbundenheit mit dem Trakehner Pferd. 2013 wandelte sich die Genossenschaft in einen gemeinnützigen Verein um. Nicht nur aus steuerrechtlichen Gründen, sondern um die Registrierung und das Ausstellen von Papieren zu erleichtern. Seither sei auch die Pflege der Gemeinschaft untereinander mehr in den Fokus gerückt, sagt Yvonne Knupp, Vorstandsmitglied der Trakehnerfreunde Schweiz. Jedes Jahr werden die Fohlen bewertet und registriert, und Stuten ins Zuchtbuch aufgenommen.

«Überdies arbeiten wir mit dem Trakehner Verband in Deutschland zusammen, sodass die Züchter volle Trakehner-Papiere für ihre Pferde erhalten», erzählt Knupp. Es sei auch möglich, ein Fohlen als Schweizer Warmblut mit reiner Trakehner-Abstammung zu registrieren. Damit gilt das Pferd als CH-Warmblut. Bis vor einigen Jahren wurden in der Schweiz CH-Pferde mit Promotionsprüfungen bevorzugt. Für Züchter mit einem landwirtschaftlichen Betrieb war es attraktiver, ein inländisches Pferd zu züchten. Waren früher nur Schweizer Pferde der Rasse CH-Warmblut startberechtigt, so sind die Prüfungen mittlerweile für alle Warmblutrassen offen, weshalb immer mehr Züchter ihre reinblütigen Pferde beim Trakehner-Verband registrieren lassen.

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Inzwischen gehören dem Verein mehr als 100 Trakehner-begeisterte Menschen an. Schweizweit gibt es schätzungsweise 150 bis 200 Trakehner Pferde. Für Sportreiter organisieren die Trakehnerfreunde Lehrgänge. Regelmässig finden zudem Stammtische in der Zentral-, Ost- und Westschweiz statt. Auch Seminare werden laufend angeboten und fleissig besucht. Am Trakehner-Hengstmarkt im norddeutschen Neumünster organisiert der Verein ausserdem immer wieder einen Schweizer Apéro. Hier wurden bereits viele Kontakte geknüpft. 

Über 1000 Angestellte auf dem Gestüt
Nach einer halbjährigen Pause wegen Einschränkungen durch Corona-Massnahmen finden nun auch wieder von der erfolgreichen Vielseitigkeitsreiterin Esther Andres geleitete Geländetrainings statt. Um Dressurreiter mit einer Dressurakademie zu fördern, werden namhafte Trainer engagiert. Im September reisten Trakehner-Experten quer durch die Schweiz, um alle Fohlen des Jahrgangs 2020 zu mustern und um neue Stuten für eine Aufnahme ins Zuchtbuch zu prüfen. Auch Kinder und Jugendliche, die sich für Trakehner begeistern und reiten lernen wollen, können Mitglied werden.

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Sie würden damit eine ruhmreiche Tradition pflegen, die vor rund 300 Jahren ihren Anfang nahm. Noch immer prangt über dem Eingangstor des einstigen Trakehner-Gestütes im ostpreussischen Trakehnen (heute Russland) die siebenzackige Elchschaufel. Das Brandzeichen erinnert an die einstige Perdezucht. Friedrich Wilhelm I. gründete 1732 das Königliche Stutamt Trakehnen mit dem Ziel, Reit- und Kutschpferde für den königlichen Gebrauch zu züchten. Doch erst mit seiner Verstaatlichung 1786 begann der systematische Aufbau der Zucht reinblütiger Trakehner auf Basis arabischer und englischer Pferderassen mit einem Stockmass von 160 bis 170 Zentimetern. 

Um 1900 umfasste die parkähnliche Anlage aus Wäldern, Büschen, Gärten, Teichen, Eichenalleen, Backsteinhäusern und Pferdekoppeln rund 6000 Hektaren. Insgesamt 16 Gutshöfe gehörten zum Hauptgestüt. Mehr als 1000 Angestellte, darunter Tierärzte, Hufschmiede, Stallknechte, kümmerten sich um Pflege und Gesundheit der Tiere.

Die Zuchtstuten wurden je nach Fellfarbe in fünf Herden aufgeteilt, von denen jede einen eigenen Typ verkörperte: zum einen Rappen, zum anderen Füchse. Und schliesslich gab es die schweren, kräftigen Braunen, die einst die Prachtkutschen preussischer Könige ziehen mussten. Darüber hinaus gab es zwei Herden mit gemischten Farben, in denen auch Schimmel mitliefen. Die edlen Zuchthengste standen in von Bäumen umgebenen Paddocks mit genügend Auslauf. Als Trakehner galten nur diejenigen Tiere, die direkt auf dem Hauptgestüt geboren wurden. 

Ausgewählte Deckhengste wurden auf die nahe gelegenen Landgestüte Georgenburg, Rastenburg, Braunsberg und Marienwerder verteilt. Die sogenannten Landbeschäler deckten die Stuten auf Privatgestüten und die Stuten auf Bauernhöfen, die meist zu Feldarbeiten herangezogen wurden. Vor allem das ostpreussische Militär war an truppentauglichen Kavalleriepferden interessiert, schätzte es doch die Härte und Ausdauer der Trakehner. 

Schwere Zeiten nach dem Weltkrieg
Erst die herannahende Rote Armee kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges sollte der Pferdezucht ein Ende setzen. Im Oktober 1944 wurden die 800 verbliebenen Pferde samt Bewohner Trakehnens evakuiert. Im rund 50 Kilometer entfernten Georgenburg verlud man die Tiere in Eisenbahnwaggons, um sie nach Westen zu transportieren. Zudem spannten sämtliche Bauernfamilien, die aus Ostpreussen flohen, so viele Trakehner wie möglich vor ihre Treckwagen. Im harten Winter 1944 / 45 führte der letzte verbliebene Fluchtweg über das Frische Haff an der Ostsee entlang. Wasser, Kälte und Hunger rafften Mensch und Tier dahin. 

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Nur wenige Menschen und ein Bruchteil der Pferde aus dem Hauptgestüt – 27 Stuten und 85 Deckhengste – erreichten ihr Ziel. Von mehr als 25 000 Ostpreussischen Warmlutpferden aus ländlichen Zuchten kamen rund 1000 Tiere mit den Trecks ihrer Besitzer an. Es gab kaum Futter für die Tiere. Und nicht wenige der überlebenden Tiere wurden nach Anweisung der Besatzungsmächte geschlachtet. Einige Pferde landeten in Gestüten der ehemaligen DDR und im Gestüt Kirow in der heutigen Ukraine, wo die Trakehnerzucht bis heute weitergeführt wird. 

Versprengte Trakehner Pferde, die später von ehemaligen Mitarbeitern Trakehnens mühsam aufgespürt wurden, verteilte man auf vier grössere Gestüte, darunter Schmoel-Panker in Schleswig-Holstein, eines der ältesten deutschen Trakehner-Gestüte. Pferde, die von hier abstammten, kreuzte man in bodenständige Warmblüter ein, um aus ihnen Reit- und Sportpferde für Dressur und Fahrsport zu züchten. Heute finden sich in vielen Ländern der Welt Zuchten der vermutlich ältesten deutschen Reitpferderasse.