Um den extrovertierten und kontaktfreudigen Berkshire-Eber Harry herum hat Florian Schweer keine ruhige Minute. Kaum hört der Landwirt auf, die borstige Haut des Schweins zu kratzen, trampelt ihm der Eber fordernd hinterher. «Er schätzt den Kontakt und die Nähe», meint Schweer mit einem nachsichtigen Lächeln. Einen ganz anderen Charakter sei Harrys Zuchtpartnerin der Rasse Wollschwein. «Lisa ist sensibel und eher zurückhaltend», verrät Schweer. Er verspricht sich einiges von der Kreuzung der beiden Rassen. «Wir haben schon seit Jahren Wollschweine und sind zufrieden mit ihnen.» Das einzige Manko: Sie setzen viel Fett an, was nicht mehr so gefragt ist wie einst. «Die Leute wollen heute Magerfleisch», so Schweer. «Wir wünschen uns Schweine, die gleich robust, sozial und umgänglich sind wie das Wollschwein.» Allerdings müssen sie auch rentabel sein, da die Wollschweine etwas sehr langsam zunehmen, so der innovative Landwirt. Auch diesen Nachteil könnten die Berkshire-Schweine vielleicht ausgleichen.

Schweizer Pionierarbeit

Laut dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) wird dieser Versuch die erste dokumentierte Kreuzung dieser beiden Rassen auf Schweizer Boden. Die alte Berkshire-Rasse stammt ursprünglich aus Grossbritannien. In der Schweiz gibt es kaum solche Tiere. «Es ist natürlich auch ein Risiko für uns», so Schweer. «Wir glauben aber, dass ein Schwein, das gut gelebt und gegessen hat, auch gutes Fleisch gibt.» Bei der Idee, Berkshire und Wollschwein zu kreuzen, wird Florian Schweer vom Verein «Alternative Schweinezucht Schweiz» unterstützt. Seit Kurzem ist er Mit-glied des Vereins, der zum Ziel hat, die Diversität von Schweinerassen zu erhalten und auszubauen. «Der Erfahrungsaustausch mit gleichgesinnten Bauern, die auch eine andere Idee der Schweinehaltung haben, ist sehr wertvoll», schwärmt Schweer. Durch diese Kontakte erhielt er auch die einmalige Chance, einen dieser raren Berkshire-Eber für die Zucht zu gewinnen.

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Ins Leben gerufen wurde der Verein durch ein Zuchtprojekt vom FiBL, welches 2017 startete. Das gemeinsame Ziel: eine neue Schweinerasse züchten, die den Ansprüchen der modernen Biomast für direktvermarktende Betriebe und alternative Haltungssysteme besser entspricht. Das bedeutet einerseits, dass die neue Rasse besser mit der Freilandhaltung zurechtkommt als konventionelle Intensivrassen. «Kleine, leichte und bewegliche Tiere mit starken Beinen sind ideal für die Freilandhaltung», erklärt Anna Jenni, die das FiBL-Projekt begleitet. Auch sollten sie dank der Pigmentierung besser gegen Sonnenbrand geschützt sein als die rosafarbenen Schweine. Andererseits sollte die neue Rasse zu einem möglichst grossen Anteil die Nebenprodukte eines Hofes verwerten können. Dies können Molke oder Biertreber sein, aber auch Rüstabfälle von Gemüse und Obst – wie es eben früher die sogenannten Hausschweine gemacht haben. Auch Raufutter wie Klee, Silage oder Heu soll das moderne Hausschwein verwerten können.

All diese Eigenschaften bringt die traditionelle Wollschweinrasse bereits mit. Allerdings sind auch die Mastleistung und Fleischqualität wichtig für einen modernen Landwirtschaftsbetrieb, wo die Schweinehaltung rentieren muss. Um diese neue Rasse zu entwickeln, hatte das FiBL deshalb die Idee, Intensivrassen mit alten Rassen zu kreuzen, bis eine neue entsteht, die alle positiven Eigenschaften aufweist, die auf den beteiligten Betrieben gefragt sind. «Die Idee beim Projekt ‹Unser Hausschwein› ist eine Rasse zu züchten, die ressourcenschonender und standortangepasst gezüchtet und gemästet werden kann und trotzdem Ertrag liefert», fasst Jenni zusammen.

Damit dies auch sicher gelingt, wollte das FiBL das Zuchtprojekt nicht in einem isolierten Stall durchführen, sondern direkt auf den Höfen von experimentierfreudigen Biobetrieben. So sieht man schnell, wie gut sie sich auf einem Betrieb einfügt, wie viel Kraftfutter noch zugekauft werden muss oder ob es auch hier lokale Lösungen gibt. Das Forschungsinstitut steht unterstützend und beratend zur Seite und organisiert die Anpaarungsplanung. Weitere Betriebe, die beim Projekt mitmachen, seien stets willkommen, wie Jenni betont. «Wer mitmacht, ist meist nicht vollends zufrieden mit den vorhandenen Schweinerassen und hat Lust auf was Neues.» Dank regelmässigem Austausch, einem Beratungsangebot und Informationsanlässen finden auch Neueinsteigende schnell den Anschluss.

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Direktvermarktung als grosse Hürde

Ziel ist es, dass nach Ablauf des FiBL-Projekts 2030 die Zucht von den Betrieben eigenständig weitergeführt wird – beispielsweise koordiniert durch den Verein der Alternativen Schweinezucht Schweiz. Die Herausforderung für deren Mitglieder bleibt, mit den weniger ertragsorientierten Schweinerassen Geld zu verdienen. Dies gelingt meist über die Direktvermarktung, wie das Beispiel vom Hof Outremont oberhalb von Saint-Ursanne eindrücklich zeigt. Florian Schweer und seine Frau Nicole, die den Biohof im dritten Jahr gemeinsam betreiben, haben dieses Problem auf eine sehr moderne Art und Weise gelöst: Sie bieten neben Mischpaketen auch sogenannte Fleischpatenschaften an. Konsumentinnen und Konsumenten können sich so direkt nach der Geburt eines Ferkels ein Viertel seiner zukünftigen Fleischausbeute von etwa 30 Kilogramm sichern. Bis das Tier mit etwa 12 bis 15 Monaten geschlachtet wird, dürfen die Paten das Tier auch besuchen und schauen, wie es ihm geht. Währenddessen versuchen die Schweers, das Leben der Schweine möglichst artgerecht zu gestalten, ihnen genügend Beschäftigung und abwechslungsreiche Nahrung zu bieten. «Schweine, die Raufutter fressen, produzieren gesünderes Fleisch mit einem höheren Omega-3-Gehalt», erklärt Schweer. «Mein Ziel ist es, ein gesundes Tier zu produzieren, auch wenn es am Ende seines Lebens ein paar Kilo weniger hat.»

Seine Rinder der Rasse Hinterwälder tötet er selbst auf dem Hof. Wenn er die Finanzen beisammen hat, will er das auch mit den Schweinen machen. «Wir wollen diese Nähe zum Tier und es von der Geburt bis zum Tod begleiten», erklärt er. «So wissen wir, was mit ihnen geschieht, und können den Paten alles erzählen, wenn diese es möchten.»

Weniger ist mehr

Die Schweers stellen bei ihrer Arbeit mit den Schweinen klar Qualität vor Quantität. Dass auf dem Hof viel mehr Fleisch produziert werden könnte, stört Florian Schweer nicht im Geringsten. «So, wie wir Fleisch produzieren, ist das gut fürs Klima und die Natur», ist er überzeugt. «Wir haben die Schweinehaltung bewusst reduziert, damit wir mehr mit den Nebenprodukten arbeiten können.» Die Tiere dürfen alternierend auf die Weiden, wo sie auch Roggen oder Hafer fressen, der dort wächst. So muss Schweer im Vergleich zur konventionellen Mast rund einen Drittel weniger Kraftfutter zukaufen. «Den Rest machen wir mit dem Nebenprodukt Kleie, Obst, Klee und Heu.» Das Einzige, was Florian Schweer seinen Schweinen gerne zusätzlich bieten würde, sind abgeerntete Äcker, dessen Reste sie noch so gerne wegputzen würden. «Ich bin noch auf der Suche nach einem nahen Biobetrieb, der das ermöglichen würde.»

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Doch auch wenn das nichts wird, möchte er weiter mit Schweinen arbeiten. «Es ist ein tolles Tier», schwärmt der Landwirt. «Sind sehr neugierig und intelligent, wollen von sich aus mit uns interagieren und kommunizieren.» Aus dieser Faszination heraus war er auch für die Zuchtidee zu begeistern. «Wir sind immer offen für neue Rassen», so Schweer. «Für uns wäre die ideale Endsau eine zufriedene Sau, die mit Futter vom Hof ein gesundes Leben führt. Wenn die noch ein super-gutes Fleisch gibt, ist das der Jackpot.»