Das Glück einfach erleben, statt es zu kaufen? «Das ist mit sogenannten Mikroabenteuern überall und jederzeit möglich», sagt Psychologin und Natur- und Wildnispädagogin Stefanie Gobeli aus Bern. Es brauche nur Wald, Wiese, Gewässer oder Park und schon könne man sich dem Abenteuer hingeben.

Diverse Studien zeigen, dass Zeit im Grünen Stress senkt und für kognitive Erholung sorgt. «Bei Bewegung in der Natur wird das Stresshormon Cortisol abgebaut und Sonnenstrahlen fördern die Produk-tion von Serotonin, einem Neurotransmitter, der Glücksgefühle erzeugt», erklärt Gobeli, «egal ob ein Mikroabenteuer zehn Minuten oder zehn Stunden dauert – selbst kleinste Naturerfahrungen, etwa ein Spaziergang im Park, das bewusste Hören von Vogelgezwitscher oder das Beobachten eines Sonnenuntergangs, können spürbare psychische Vorteile bringen.»

Das Wichtigste dabei: «Weniger ist mehr. Am besten einfach raus und drauflos. Denn zu viel Vorbereitung und Planung kostet Energie.» Im hektischen, durchgetakteten Alltag hätten wir ohnehin so viele Regeln zu befolgen und To-dos abzuarbeiten. Alltags-Auszeiten sollten wir deshalb ohne Regeln und strikten Plan angehen. Über Baumstämme klettern, Matsch anfassen, mit Anlauf in eine Pfütze springen, Tannenzapfen sammeln, durch den warmen Sommerregen tanzen, an Blumen riechen – das alles sollte erlaubt sein. Die einzige Regel lautet: Pläne aus, Flexibilität und Spass an! Stefanie Gobeli hat dafür sogar einen Fachbegriff aus der Wildnispädagogik: «Wandering ist das sich durch die Natur treiben lassen ohne vordefiniertes Endziel und mit kindlicher Entdeckerfreude», sagt sie, «wenn wir uns achtsam und ohne Eile darauf einlassen, schenkt uns diese Ziellosigkeit jede Menge unerwartete Überraschungen.» Das Wandering lasse uns voll im Hier und Jetzt ankommen. «Unser Gehirn erreicht dadurch eine Art hypnotischen Alpha-Zustand, der Grübelgedanken abstellt, und mit Glücksseligkeit flutet und uns stark und widerstandsfähig für kommende Herausforderungen macht», erklärt Gobeli.

Zehn Ideen für Mikroabenteuer

1. Der Landkarten-Check: «Studieren Sie einmal Google Maps oder eine Landkarte der eigenen Heimatregion. Da gibt es meistens Überraschendes zu entdecken», rät die Natur-Psychologin. Gibt es in der Nähe bisher unbekannte Grünflächen, Gewässer, Flussläufe oder sogar kleine Sehenswürdigkeiten wie Burgruinen, Höhlen oder besondere Felsen? «Halten Sie alle Entdeckungen samt Koordinaten auf einer Liste fest, dann haben Sie immer eine spontanes Mikroabenteuer griffbereit.»

2. Münzen-Spaziergang: Zu Hause oder bei der Arbeit loslaufen und an jeder Kreuzung einfach eine Münze werfen, die darüber entscheidet, ob es nach rechts oder links weiter geht.

3. Outdoor-Küche: Mit dem Camping-kocher oder der Grillschale im Park, am nächsten Fluss oder einfach direkt vor der Haustüre kochen – da schmecken selbst Pasta mit Tomatensauce gleich aufregender! «Schon mit kleinen Veränderungen verlassen wir unsere Komfortzone undhaben die Chance, Neues zu erleben,Abwechslung in den Alltag zu bringen und an Erfahrungen zu wachsen», sagt Gobeli, «Essen tut auch der Laune gut und verhindert, dass wir aus Proviantmangel das Mikroabenteuer abbrechen müssen. Deshalb: Immer an Snacks und Getränke denken.»

4. Perspektivenwechel: Gewohnte Wege, wie den Arbeitsweg, kann man spontan auch mal komplett oder in Teilstrecken zu Fuss oder mit dem Velo zurücklegen. Dabei sollte man von gewohnten Strecken abweichen. «Dieser Perspektivenwechsel lässt einen die gewohnte Umgebung ganz anders wahrnehmen – dabei entdeckt man richtig viel Neues, was bisher aus Eile und Hast verborgen geblieben ist», sagt StefanieGobeli. Wichtig sei, auch auf gewohnten Wegen nicht loszueilen, sondern bewusst loszugehen und sein Mindset auf die Natur und Details auszurichten. «Eine bewusste Verlangsamung im Gehen, tiefes Durchatmen und eine präsente Haltung für den jetzigen Moment geht überall und fördert einen achtsamen Umgang mit der Umgebung und sich selbst.»

5. Persönliches Ruhe-Plätzli: «Eine Leichthängematte oder ein kleines Sitzkissen dabei zu haben hilft dabei, es sich immer und überall gemütlich machen zu können und zu verweilen», rät die Natur- und Wildnispädagogin. Der Sitzplatz im Grünen kann unterwegs spontan gewählt werden. «Aber so ein Plätzli kann auch zur neuen Routine-Ruheoase werden, an die Sie regelmässig zurückkehren», so Gobeli. Das könne eine Lichtung im Wald sein, ein Platz mit Aussicht, eine Bank im Park oder auch eine blühende Ecke im Garten. Ihr Tipp: «Erst ankommen, durchatmen, entspannen. Dann fragen: Wie sieht meine Umgebung aus? Wie hat sie sich im Vergleich zu letzter Woche verändert? Wie riecht es? Welche Geräusche kann ich wahrnehmen?»

6. Überraschungs-Bus: In das nächste Postauto steigen und bis zur Endstation fahren. Dann den Überraschungsort mit Neugier entdecken: Was gibt es zu sehen? Wo ist ein schönes Plätzchen zum Verweilen? Gibt es Wälder, Weiden, Wiesen, Bäche oder Seen?

7. Barfuss gehen: Spitze Steine, weiches Moos und kitzelnde Grashalme an den Fusssohlen zu spüren, ist eine besonders sinnliche Erfahrung, die nicht nur dem Geist guttut, sondern auch den Gleichgewichtssinn schult. Deshalb rät Stefanie Gobeli: «Ziehen Sie öfter mal die Schuhe aus und gehen Sie barfuss. Es ist Naturgenuss pur.» Vielerorts gibt es auch angelegte Barfusspfade, die gezielt mit unterschiedlichen Naturmaterialien gefüllt sind. An heissen Tagen sollte man auch ein kleines Handtuch mit im Gepäck haben: «So unterstützt man sich selbst in seiner Spontaneität, kann die Füsse oder gleich den ganzen Körper in Bach, Tümpel, See oder Wassertretbecken abkühlen – ganz ohne Ausreden.»

8. Eine Geräusche-Landkarte malen: Dazu draussen hinsetzen, Augen schliessen und in gedanklichen Bildern festhalten: Links Vogelgeräusche, rechts plätschernder Bach, dahinter ein Rasenmäher.

9. Naturschätze sammeln: Das macht zu jeder Jahreszeit Freude, zum Beispiel einen Wildblumenstrauss im Frühling oder Sommer, knallige Blätter, Kastanien, Beeren oder Baumnüsse im Herbst, tolle Steine oder sogar Versteinerungen im Winter. Gobeli empfiehlt: «Betrachten Sie den Gegenstand, als würden Sie ihn zum ersten Mal im Leben sehen – dabei gibt es so viel zu fühlen, sehen und entdecken!» Wer gerne kreativ ist, kann aus den Naturmaterialien dann mit Ruhe und Musse auch Kunstwerke entstehen lassen: Auf einer Wiese Ketten aus Gänseblümchen flechten oder am Fluss Steine stapeln.

10. Nachtwanderung: Mit einer Taschenlampe ausgestattet, kann man sogar das eigene Dorf oder den Wald um die Ecke bei Nacht ganz neu kennenlernen.

Weitere Inspiration

Podcast: «FREI RAUS» heisst der Podcast von Mikroabenteuer-Profi Christo Foerster. Auf seiner Internetseite (christofoerster.com/freiraus) gibt es jede Woche eine neue Folge mit inspirierenden Gedanken, praktischen Tipps und Abenteurer-Interviews.

Bücher: Christo Foerster hat im deutschsprachigen Raum die meisten Bücher zum Thema geschrieben, die jede Menge Ideen liefern, unter anderem: «Mikroabenteuer – Das Praxisbuch», 272 Seiten, HarperCollins 2020, und «Mikroabenteuer – Das Jahreszeitenbuch», 240 Seiten, HarperCollins 2021.

Blog und Buch für Familien: Stefanie Schindler ist Reisebloggerin und zweifache Mama. Von ihren Reisen, Mikroabenteuern und Wanderungen mit Kindern berichtet sie seit 2013 auf ihrem Outdoor-Blog für Familien: «a daily travel mate» (adailytravelmate.com); ausserdem hat sie ein Buch geschrieben: «Mikroabenteuer mit Kindern. Tolle Familien-Auszeiten an der frischen Luft, die zusammenschweissen», 192 Seiten, Humboldt 2022.

Natur-Coaching: Psychologisches Naturcoaching, Hypnosetherapie im Grünen, sowie Achtsamkeitstrainings für Kinder bietet Psychologin und Natur- und Wildnispädagogin Stefanie Gobeli (stefaniegobeli.ch) aus Bern an.