Seltene Pferderasse
Huzulenpferde sind wild und liebenswürdig
Huzulen-Pferde sind Wildpferden sehr ähnlich. Die eigenständigen Charaktere sind anhänglich undzuverlässig, wenn feinfühlig mit ihnen umgegangen wird. Das weiss Kaspar Dietrich Kradolfer, der vielleicht einzige Halter dieser besonderen Rasse in der Schweiz.
Es war nicht abzusehen, dass Kaspar Dietrich Kradolfer am Ende gleich drei Huzulen-Pferde haben würde. Der grosse, hagere 74-Jährige steht am Rand einer Weide hoch über Zullwil (Kanton Solothurn) im Schwarzbubenland. Der Tierliebhaber macht das, was ihm besonders gefällt: beobachten. «Ich verbringe viel Zeit damit, den einzelnen Individuen bei ihren Verhaltensweisen zuzusehen.» Dabei hat er ganz besonders Malek, Pamina und Pamir im Auge, die drei Huzulen-Pferde. Sie sind Teil einer 20-köpfigen Pferdeherde, die zusammen mit einem Esel auf der Sunfield-Ranch lebt. Die Pferdepension wird von der Familie Stebler geführt. «Die Philosophie dieses Betriebs sagt mir zu, die Pferde können frei wählen, ob sie sich drinnen oder draussen aufhalten wollen, und haben grosse Weiden zur Verfügung.» Kradolfer zeigt auf das ansteigende Gelände oberhalb des Betriebs, das in der Ferne von einem Wald gesäumt wird. Er sagt: «Pferde fühlen sich als Herdentiere wohl in der Gruppe.» Es herrsche aber eine Hierarchie, wie in Freiheit bei den Wildpferden. Und den Wildpferden entwicklungsgeschichtlich nahe stehen die drei Huzulen.
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«Man sagt, dass sie von den Tarpanen abstammen», fügt Kaspar Dietrich Kradolfer hinzu. Tarpane wurden im 19. Jahrhundert ausgerottet. Die kleinwüchsigen Steppenpferde lebten einst im Gebiet vom Ural westwärts bis nach Westeuropa, wo sie auch Waldgebiete bewohnt haben sollen. Sie gelten als Vorfahren der Hauspferde.
Unbekannte Huzulen
«Mein Malek, komm», sagt Kradolfer zärtlich. Sofort stapft sein Wallach zu ihm, schnaubt leise und hält seine Nüstern nahe ans Gesicht des sanften Mannes. «Ich habe zu ihm eine ganz besondere Beziehung», raunt Kradolfer, der reitet und Pferde hält, seit er 20 Jahre alt ist.
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Von Huzulen wusste er damals allerdings noch nichts. Während den letzten 35 Jahren hielt er zusammen mit seiner Frau Verena und der Familie seiner Tochter Rebekka Fjordpferde. Als sie im hohen Alter von 32 und 36 Jahren starben, recherchierte sein Schwiegersohn Felix und stiess auf ein Inserat mit dem Titel «Scheidungspferd sucht Lebensplatz». Hinter diesem Satz verbarg sich Malek, ein Huzul, der ursprünglich aus Polen stammte. «Schon bei der ersten Begegnung stimmte die Chemie zwischen uns», schwärmt Kradolfer, während er Malek über den Hals streichelt. Dass der Huzul eine absolute Seltenheit in der Schweiz ist, merkten Kradolfer und seine Familie, als sie eine Kumpanin für Malek suchten. «Angebote fanden wir nur in Österreich und Deutschland.» Huzulen seien in der Schweiz nicht vorhanden, doch in Ländern wie Rumänien, Polen, Ungarn, der Slowakei und der Ukraine seien die Pferde sehr verbreitet. Dort kümmere man sich um den Erhalt der Rasse. «Der Huzul wird um 1603 erstmals erwähnt», erklärt Kradolfer und erzählt weiter: «Diese Pferde lebten wild im Wald und auf Weiden, die Tiere wurden kaum gefüttert.» Die Huzul, ein Bergvolk aus den Karpaten, haben die Tiere nur dann geholt, wenn sie sie für Arbeiten im Wald oder auf dem Feld benötigten.
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Kaspar Dietrich Kradolfer ist nun umringt von seinen drei Huzulen. Schon als er Pamina in Österreich holte, fiel ihm ihr beträchtlicher Umfang auf. «Strohbauch», habe ihm die Besitzerin lapidar gesagt, es sei ausgeschlossen, dass sie trächtig sei. Diese Geschichte ist schnell erzählt. Einige Zeit später kam Pamir auf die Welt, ein wunderschönes Huzulen-Hengstfohlen. Nachforschungen ergaben, dass Pamina im Gestüt in Österreich von einem Huzulen-Zuchthengst, der sich von einem Angestellten losriss, gedeckt worden sei. So sind Kradolfers Besitzer von drei aussergewöhnlichen Pferden, die es in der Schweiz kaum noch gibt.
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Kaspar Dietrich Kradolfer streicht die Wildpferdeabzeichen der Rasse hervor. So spricht er vom Aalstrich, der sich über den Rücken zieht, schwärmt vom russigen Kopf, den Huzulen aufweisen und ihnen etwas Wildes verleiht.
Rangfolge in der Herde
«Ich habe ein Faible für Wildpferde», betont der Tierkenner und Lehrer Kradolfer, der nebst ostafrikanischen Buntbarschen auch Schweizer Hühnerrassen, Zwergenten, Landschildkröten und Schafrassen hält und einst als Tierpfleger im Basler Zoo tätig war. «Die Wesenheit der Tiere interessiert mich besonders», sagt Kradolfer und kommt damit auf den eigenen Willen der Huzulen zu sprechen. Man müsse ihn verstehen, sonst komme man mit Huzulen nicht zurecht. Es gehe nicht, wenn der Mensch zu sehr Dominanz ausübe. Die Huzulen seien zwar klein, aber man dürfe sie nicht unterschätzen. «Ich fördere ihr Wesen.» So würden sie sich wunderbar entfalten, seien willig und zäh.
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Er reite mit Malek durch Wald und Flur. Sein Wallach absolviere auch Geschicklichkeitsparcours völlig frei, also ohne Longe. Das Halfter, das er ihm anlege, zeige ihm, dass er arbeiten solle. Malek sei in der Herde rangniedrig. «Alle paar Stunden öffnet sich eine Vorrichtung, so dass die Pferde Heu fressen können», erzählt Kradolfer. Malek sei sehr intelligent, warte ab und suche dann einen Platz bei einer zweiten Vorrichtung, wo er in Ruhe fressen könne. Der junge Wallach Pamir erarbeite sich gegenwärtig einen hohen Rang. «Das alles zu beobachten ist sehr faszinierend», schwärmt Kaspar Dietrich Kradolfer. Sein Blick schweift über die Weide zum Wald. Eine Stimmung, wie im Ural, wo in längst vergangenen Zeiten Huzulen herumstreiften.
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