Ende September und Anfang Oktober findet im Basler Zoo, verborgen vor den Augen der Besucher, ein wahres Naturspektakel statt. Tausende geflügelter Termiten fliegen nachts aus ihrem Bau im Gamgoas-Haus und verwandeln den Boden in einen wuselnden Teppich aus winzigen Beinen und Körpern. «Etwa zwei Monate vor dem Ausflug merken wir, dass sich etwas tut», berichtet Kurator Fabian Schmidt. «Die Termiten bauen regelrechte Startrampen an den Eingängen zum Bau.»

Der Zoo Basel ist nebst dem Tierpark Bern der einzige Zoo in Europa, der Riesentermiten (Macrotermes bellicosus) hält. Die lediglich 3,5 Millimeter grossen Tierchen errichteten im Gamgoas-Haus einen stattlichen Termitenhügel, in dessen Tiefe die mit über10 Zentimetern Länge wesentlich grössere Königin stets für neuen Nachwuchs sorgt. Die restlichen Tiere unterteilen sich in zwei Kasten, die männlichen Arbeiter, die den Bau unterhalten und die Königin versorgen, sowie die weiblichen Soldaten, die den Hügel gegen aussen verteidigen.

Seit 2011 ist die Kolonie so gross, dass sich jedes Jahr geflügelte Tiere auf den Weg nach draussen machen, um eine neue Kolonie zu gründen. In freier Wildbahn treffen bei diesen sogenannten Hochzeitsflügen Tausende Männchen und Weibchen aufeinander, bilden Paare und vergraben sich an einer geeigneten Stelle, sofern sie nicht vorher den zahlreichen Fressfeinden zum Opfer fallen. Im Gamgoas-Haus sind das die Tokos, die sich mit ihren krummen Schnäbeln regelrecht auf die Tausenden Insekten stürzen, die in einer einzigen Nacht ausfliegen. Erst am nächsten Tag finden die Tierwärter die «Bescherung». «Wir schliessen dann das Haus für die Besucher und müssen erstmal aufräumen», schmunzelt Fabian Schmidt.

Dabei sammeln die Tierpfleger jedes Jahr Tiere ein und setzen einzelne Männchen und Weibchen zusammen, um zu sehen, ob diese Paare bilden. So entstehen jedes Jahr bis zu 170 Paare, die in mit Erde ausgestattete Gefässe verfrachtet werden, um neue Kolonien zu kultivieren. Denn die Tage des Termitenbaus in Basel sind gezählt. «Wir müssen jederzeit damit rechnen, dass die Königin altershalber stirbt und mit ihr die ganze Kolonie», erklärt Schmidt. Für diesen Fall würde eine Ersatzkolonie eingesetzt werden. Der bestehende Termitenbau müsste dann allerdings vorher abgerissen werden, da dieser von einer neuen Königin nicht übernommen wird.

Ein Festessen für Vögel

Die restlichen ausgeflogenen Termiten werden an die Spinte verfüttert, zu denen auch der Europäische Bienenfresser gehört. In der Natur gehören Termiten für die afrikanischen Arten zur Hauptnahrungsquelle. Die zur Weiterzucht eingesammelten Termitenpaare sitzen derweilen verborgen vor den Augen der Besucher im Keller des Gamgoas-Hauses in einem Schrank und werden aufwendig gepflegt. Termiten kultivieren in ihrem Bau einen Pilz, von dem sie sich ernähren. Um diesen am Leben zu halten, muss eine bestimmte Temperatur und Feuchtigkeit vorherrschen. Allerdings lockt gerade dies auch andere Pilze an, die den Tieren schaden können. Schimmel ist entsprechend eine grosse Gefahr für die noch jungen Insektenstaaten, und von den über 100 jedes Jahr angesetzten Kolonien überleben nur wenige. In der Natur wäre das nicht anders.

«Aus dem Jahr 2019 haben wir jetzt drei Völker, die gross genug sind, um mit ziemlicher Sicherheit zu überleben», berichtet Fabian Schmidt. Sollte der Basler oder Berner Kolonie also etwas passieren, so gäbe es Ersatz. Trotzdem sucht Schmidt auch nach anderen Zoos, die Termiten halten wollen, um Kolonien abgeben zu können. «Sollte bei uns einmal eine Krankheit ausbrechen, so wäre eine weitere Termitenpopulation in einem anderen Zoo eine Art Versicherung», erklärt der Kurator. Von den Kolonien aus den Jahren 2021 und 2022 sind noch keine so weit, dass man sie als stabil erklären könnte. Bis im Herbst sind die Tierpfleger des Gamgoas-Hauses also weiterhin damit beschäftigt, hinter den Kulissen die fragilen Jungvölker zu pflegen. Bis erneut ein Hochzeitsflug das Haus in einen Ausnahmezustand versetzt und Tausende potenzielle Königinnen sich auf dieSuche nach einem hochherrschaftlichen Partner begeben. Für diesen Fall stehen Fabian Schmidt und sein Team bereits mit Gefässen und Besen bereit.

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