Die beinlosen Freunde der Bauern
Doppelschleichen sind erdwühlende Reptilien
Doppelschleichen oder auch Amphisbaenen gehören zu den unbekanntesten Wirbeltieren der Welt, gleichen teilweise Regenwürmern und sind daher selten an der Erdoberfläche zu finden.
Doppelschleichen gehören zu den Schuppenkriechtieren – zu welchen alle Schlangen und Echsen gezählt werden. Sie besitzen einige Besonderheiten. Dazu zählt, dass die Doppelschleichen ganz im Gegensatz zu den Schlangen einen verlängerten linken Lungenflügel haben und eine so gefaltete Haut, welche ihnen eine Fortbewegung mit akkordeonartigen Bewegungen erlaubt.
Im Moment listet die Reptilien-Datenbank 202 Arten der Amphisbaeniae auf, die meisten davon in Amerika und Afrika, wenige Arten erreichen Asien und nur drei Europa. Die Grössen variieren zwischen 15 und 80 cm, die grösste Art ist die kinderarmdicke rote Doppelschleiche (Amphisbaena alba) aus dem nördlichen Südamerika. Die europäischen Arten, die sogenannten Netzwühlen, werden bis zu 25 cm lang und sind dann leicht dicker als ein Bleistift. Maurische Netzwühlen (Blanus cinereus und B. vendelli) werden im südlichen Teil der Iberischen Halbinsel gefunden. Doch die beiden Arten lassen sich nur schwer unterscheiden. Und aus Italien sind nur fossile Reste bekannt. Die türkische Netzwühle (Blanus strauchi) findet sich auf einigen griechischen Inseln, etwa wie auf Kos und Rhodos. In Nordafrika finden sich noch zwei weitere Arten der Gattung Blanus.
Ein Freund der Bauern
Netzwühlen sind spezialisierte und gute Jäger von wurzelschädigenden Insekten-Larven – da kann sich jeder Bauer in Spanien glücklich schätzen, wenn er sie auf seinem Feld findet. Doppelschleichen verfügen über eine durchaus kräftige Kiefermuskulatur und haben im Verhältnis zur Körpergrösse ein gut entwickeltes Gebiss. In der Tat sind alle Arten recht bissig. So kann eine 30 cm lange amerikanische Doppelschleiche, kaum fingerdick, bei Berührung bereits einen blutigen Kieferabdruck im Finger hinterlassen. Auch die kleinen europäischen Arten beissen, allerdings sind die Zähne so klein, dass sie die Haut nicht durchdringen.
Die Iberische Netzwühle ist die best erforschte Art. Sie ist eierlegend, jedoch gibt es auch lebendgebärende Arten. Und im Zuge der Klimaerwärmung wird sie in Spanien immer weiter nördlich gefunden und wird bald auch an der Costa Brava auftauchen. Von da ist es dann nicht mehr weit bis nach Frankreich.
Da sich die Schleichen mit dem Schädel durchs Erdreich bohren müssen, haben sie ein stark verknöchertes Schädelskelett. Die Kopfformen bei den verschiedenen Arten variieren, einige haben einen merkwürdigen, abgeflachten, spatenförmigen Schädel. Die Augen sind, der unterirdischen Lebensweise angepasst, sehr stark reduziert oder fehlen vollständig. Wie andere Wirbeltiere, die unterirdisch l können Doppelschleichen sehr alt werden. Im Erdreich verborgen müssen sie kaum Raubtiere fürchten. Selbst die kleine Iberische Netzwühle kann 40-jährig werden – erstaunlich für einen «Wurm» von gut 20 cm Länge.
Als Doppelschleichen bezeichnet man diese Tierchen, da Kopf und Schwanz von Weitem schlecht zu unterscheiden sind, der Schwanz ist bei vielen Arten nur rudimentär vom Rest des Körpers abgesetzt. Etliche Arten werden deshalb im Volksmund in Amerika als «zweiköpfige Schlangen» bezeichnet; diese galten im alten Mexiko als mystische Wesen und man kennt entsprechende aztekische Darstellungen.
[IMG 2]
Verbreitungsgebiet
Auf den grossen Inseln der Karibik lebt ein ganzes Artenspektrum von etwa 20 verschiedenen Doppelschleichen, auf Hispaniola (Dominikanische Republik und Haiti) alleine leben schon neun verschiedene Arten, aber auf den kleineren Antillen-Inseln fehlen sie. In der Dominikanischen Republik haben Touristen die Chance, auch eine Doppelschleiche zu finden, wenn die herumliegenden Baumstämme und Holzabfälle umgedreht werden. Angst muss niemand haben, es gibt dort keine Giftschlangen. In Mexiko, speziell auf der Niederkalifornischen Halbinsel (Baja California) finden sich drei Arten der Handwühlen (Bipes). Bipes bedeutet übrigens «zweifüssig», denn in der Tat besitzen die Handwühlen noch zwei Ärmchen vorne, aber keine Hinterbeine mehr – echt bizarre Lebewesen. Diese rosaroten Schleichen werden bis 25 cm lang und sind in der Umgebung der Provinzhauptstadt von Baja California, La Paz, gar nicht selten. Man findet sie häufig auf Müllplätzen unter Abfall, Steinen und Holz. Sie sind die einzigen Doppelschleichen, die noch Beinchen haben, bei anderen Arten finden sich nur noch Beinresten im Skelett.
In Afrika, meist südlich der Sahara, leben weitere 60 Arten von Doppelschleichen. Sie werden selten gefunden und es ist nur wenig über deren Biologie, Verhalten und Fressgewohnheiten bekannt. Wie auch in Südamerika oder Spanien wird man sich deren Präsenz oft erst nach starken Regenfällen bewusst und staunt dann, was da alles im Boden unter unseren Füssen noch lebt. Denn zusätzlich zu den Doppelschleichen erscheinen noch viele andere Lebewesen aus dem Boden, wie etwa Blindschlangen und Erdvipern. Die Erdvipern graben jedoch nicht selbst im Erdreich, sondern leben in Nagerbauten. In Marokko ist die Schachbrett-Doppelschleiche (Trogonophis wiegmanni) zu finden. Auch diese können ausdauernd sein und bis zu mehr als zehn Jahre alt werden. Zu finden sind sie in Graswurzeln, unter Steinen und Holzbrettern in Ceuta und Melilla.
Interessanterweise haben die Doppelschleichen das tropische Asien (Indien, Indo-China) nicht erreicht, nur ganz am Rand haben einige Arten Asien besiedelt. Rund acht Arten finden sich in der Türkei, Arabien und auch im Jemen. Speziell aber ist, dass eine endemische Art die jemenitische Insel Sokotra erreicht hat.
Bitte loggen Sie sich ein, um die Kommentarfunktion zu nutzen.
Falls Sie noch kein Agrarmedien-Login besitzen:
Jetzt registrieren