Wer seinen Müll zu früh an die Strasse stellt, auf den wartet oft eine unangenehme Überraschung: Der Sack ist am nächsten Tag zerrissen, der Ghüder liegt weit in der Gegend verstreut. Mit ihren feinen Sinnen haben Krähen zwischen den Verpackungen fette Beute in Form von Essens-resten gewittert und sich ans Werk gemacht. Die Vögel gehören zu jenen Arten, die von der Lebensweise des Menschen profitieren und sich in Siedlungen wohl fühlen. Krähen sind somit typische Kulturfolger.

Kulturfolger

Als Kulturfolger bezeichnet man in der Regel Tiere, jedoch auch Pflanzen, die sich die menschengemachten Strukturen zunutze machen und dadurch Vorteile erlangen. Sie folgen den Menschen in die Kulturlandschaft, auf Äcker, Wiesen, aber auch in Städte und sogar Behausungen. Die Hausmaus und die Wanderratte gehören zu den klassischen Beispielen. Sie haben sich komplett an das Leben rund um den Menschen angepasst. Mittlerweile gilt die Regel, «wo der Mensch, da auch die Ratte beziehungsweise Maus». Mit der Besiedlung jeder Ecke der Erde durch den Homo sapiens verbreiteten sich auch die beiden Nagetiere praktisch über den gesamten Globus. Doch bereits vor dem Entdeckerdrang des Menschen profitierten Tiere von dessen Aktivitäten. Durch die Rodungstätigkeiten konnten sich Tiere, die auf offene Flächen angewiesen sind, besser ausbreiten. Dazu gehören Feldhase, Wildschwein und Steinmarder, aber auch Insekten wie der Kohlweissling. Auch Rebhuhn, Wachtel und Feldhamster profitierten erst von der veränderten Landschaft. Durch die Intensivierung der Landwirtschaft sind diese heute jedoch bedroht oder in manchen Regionen sogar schon komplett verschwunden.

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Wichtiger Lebensraum

Landwirtschaftliche Gebäude sind heute ein wichtiger Teil des Lebensraums von vielen Kulturfolgern. Rauch- und Mehlschwalben jagen in den Tierställen nach Fliegen und bauen ihre Nester unter den Balken der Dächer. Früher flogen Rauchschwalben durch die Öffnungen im Giebel ein und aus, durch die auch der Rauch des Herdfeuers abzog, daher ihr Name. Viele ihrer Beutetiere, darunter die Stubenfliege, gelten ebenfalls als Kulturfolger. Sie legen ihre Eier in den Dung von Nutztieren oder in faulende Stoffe, wie man sie auf Komposthaufen findet.

Die Schleiereule ist ein weiterer Vogel, der fast ausschliesslich in offenen Landschaften mit kleinen Siedlungen vorkommt. Er brütet in Scheunen und Kirchtürmen und ernährt sich seinerseits von Kulturfolgern, den Hausmäusen. Diese machen in manchen Teilen des Verbreitungsgebiets der Eule bis zu 97 Prozent der Nahrung aus. Bei uns besteht der Speiseplan der Schleiereule primär aus Wühlmäusen. Diese Präferenz ist auch der Grund für ihren Rückgang, denn die Mäuse werden in der Landwirtschaft rigoros bekämpft, sodass die Eule immer weniger Beute findet. Zudem verschwinden mit dem Abbruch alter Gebäue und Ställe mögliche Brutplätze und selten wird für Ersatz gesorgt.

Weiterhin im Aufwind sind jene Vögel, die sich dem städtischen Leben angepasst haben. Felsenbrüter finden hier besonders viele Nischen, in denen sie ihre Jungen aufziehen können. Die Gebäude dienen hier als eine Art «Kunstfelsen», die Tauben, Mauersegler und Turmfalken anziehen. Der gefährdete Alpensegler brütet in mehreren Schweizer Städten äusserst erfolgreich. So befindet sich nach dem Südtessin die grösste Alpensegler-Population mit etwa 250 Brutpaaren in Bern.

Während seltene Kulturfolger wie der Alpensegler gezielt gefördert werden, möchte man andere lieber loswerden. Bettwanzen, Hausstaubmilben und Küchenschaben gehören zu den unliebsamen Nutzniessern der menschlichen Zivilisation. Der ursprüngliche Lebensraum der Hausstaubmilbe sind Vogelnester. Von dort aus sind sie allerdings auf die alljährlich beheizten und trockenen menschlichen Behausungen übergegangen und wurden zur Plage für rund zehn Prozent der Bevölkerung, die allergisch gegen die Krabbler sind. Gerade Asthmatiker leiden dann an Dauerschnupfen und Niesanfällen bis hin zu Atemnot.

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Eine relativ junge Stadtbewohnerin ist die Amsel. Sie dringt erst seit rund 150 bis 200 Jahren in menschliches Siedlungsgebiet vor. In London zum Beispiel ist die Amsel erst seit den 1930er-Jahren in den Stadtparks heimisch. Das menschliche Umfeld bietet dem Vogel einige Vorteile. So findet die Amsel hier ein ganzjährig gutes Nahrungsangebot und ein milderes Mikroklima als auf dem Land. Zudem kann sie dank der künstlichen Beleuchtung länger brüten. Allerdings trifft sie in der Stadt auch auf mehr Fressfeinde wie Hauskatzen, die ihr das Leben schwer machen.

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Auch Füchse trauen sich seit rund 100 Jahren nach und nach in die Städte. Die ersten Stadtfüchse wurden in den 1930er-Jahren in Londoner Vororten gesichtet. Ab 1980 bildeten sich in vielen Grossstädten Fuchspopulationen, so auch in Zürich. Füchse profitieren in Städten vom reichen Nahrungsangebot, darunter Essensreste und Nagetiere, sicheren Rückzugsorten in allerlei Nischen und Bereichen ohne menschliche Störung, wie nachts in Park oder auf Friedhöfen. Zudem ist die Fuchsjagd in der Stadt kaum grossflächig durchführbar. Viele Stadtfüchse fühlen sich rund um den Menschen mittlerweile so wohl, dass sie ihre Scheu verloren haben. Untersuchungen von englischen Forschern haben jetzt gezeigt, dass Füchse in Städten kürzere Schnauzen und andere Schädelmerkmale aufweisen, die sie von ihren ländlichen Vettern unterscheiden. Solche Veränderungen kann man auch bei domestizierten Tieren beobachten, wie bei der Entwicklung des Wolfs zum Haushund.

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Stadttiere melden

Bei der Erforschung von Stadttieren sind Wissenschaftler nicht zuletzt auf die Beobachtungen aus der Bevölkerung angewiesen. Der Marder unter dem Auto, der Igel im Garten oder gar das Wildschwein im Park können über eine Onlineplattform von SWILD gemeldet werden. Die eingetragenen Beobachtungsdaten werden dann unter anderem dem Schweizer Zentrum für Kartografie der Fauna (CSCF) zur Verfügung gestellt.

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