Völkerschauen
Zoo Basel: Sorgfältiges Aufarbeiten von Menschenzoos
Es ist gar noch nicht so lange her, da wurden in Zoos nicht nur Tiere zur Schau gestellt, sondern auch Menschen aus fremd empfundenen Ethnien. Solche sogenannten Völkerschauen gab es auch in der Schweiz.
Als der Zoologische Garten Basel 1874 als erster Zoo in der Schweiz seine Tore öffnete, konnten sich die Besucher erstmals heimische Wildtiere aus der Nähe ansehen. Doch bald musste der Zoo erkennen, dass die Schaulustigen exotische Tiere sehen wollen. So waren herumziehende Tiertransporte und Wandermenagerien bald willkommene Gäste in Basel. Während weniger Tage konnten nun im Zolli Strausse, Zebras oder Flusspferde bestaunt werden.
Beim Flamingo-Weiher im Zoo Basel erinnert heute nichts mehr daran, dass hier einst die grosse Festwiese war, auf der nebst wilden Tieren auch Menschen zur Schau gestellt wurden. Bei den Wandermenagerien zogen nämlich häufig auch Schautruppen aus fernen Ländern mit. 1879 machte erstmals eine von Carl Hagenbeck geführte «Nubier-Karawane» in Basel halt. Die Truppe bestand aus Elefanten, Zebus, Kamelen und nicht zuletzt auch aus 15 Männern aus Ägypten. Gemeinsam mit den Tieren wurden diese während gut zwei Wochen auf dem Zoogelände ausgestellt. Das war die erste von insgesamt 21 Völkerschauen im Zoo Basel bis 1935.
Die Veranstaltungen erfreuten sich beim Schweizer Publikum grosser Beliebtheit. «Früher hatten die Leute keine Gelegenheit, zu reisen, wie wir es heute tun», erzählt Louanne Burkhardt, die für das Archiv des Basler Zoos verantwortlich ist. «Man konnte sich auch nicht einfach eine Doku im Fernseher anschauen oder Bilder in einem Magazin. Völkerschauen waren damals für viele die einzige Möglichkeit, Menschen aus anderen Regionen der Erde zu sehen. Auf entsprechend grosses Interesse stiessen solche Ausstellungen.»
1892 führten während der Völkerschau 30 Menschen aus dem Sudan viermal täglich in einer halbstündigen Vorstellung Hochzeitsfeierlichkeiten, eine Gerichtsszene und Tänze auf. Da waren sie bereits ein Jahr auf Tournee durch halb Europa. «Trotz doppeltem Eintrittspreis strömten über20 000 Menschen während der Zeit des Spektakels in den Basler Zoo», schreibt Balthasar Staehelin in seiner Lizenziatsarbeit. Das entsprach 20 Prozent aller Zoobesucher eines Jahres. An Spitzentagen hätten sich bis zu 12 000 Schaulustige in den damals noch viel kleineren Zoo gedrängt, vergleichbar mit heutigen Grossereignissen wie Fussballspielen und Musikfestivals.
Überlegenheitsfantasien
Die Veranstaltungen waren dabei keinesfalls aufklärerisch, sondern bedienten den damals gängigen Narrativ des überlegenen «Weissen». «Im Zeitalter des Kolonialismus und des Imperialismus empfand eine sozial-darwinistisch geprägte Einstellung aussereuropäische Menschen als minderwertig und dem Tier nahestehend», beschreibt Staehelin den damaligen Zeitgeist. Spezielle Anwerber waren in den fernen Ländern auf der Suche nach besonderer Schönheit oder Hässlichkeit, sowie nach Menschen mit körperlichen Veränderungen wie Tätowierungen, Skarifizierungen oder Lippentellern. Die «Basler Nachrichten» beschrieben 1887 die Ausstellung einer «Buschfamilie» mit folgenden Worten: «Vor ihren Hütten kauern halbnackt mehrere braune Gestalten, in ihrer Körperentwicklung, dieser Umgebung und dieser Draperie stark ans Affengeschlecht erinnernd.» Und selbst 1922 versprach die Zoodirektion in einer Pressemitteilung «dunkle Schönheiten», die vor Sonnenaufgang «wie die Affen frieren».
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Viele Völkerschauteilnehmer wurden mit Geld und Geschenken gelockt, manche Veranstalter schlossen Verträge, in denen Verpflegung, Unterbringung, medizinische Versorgung und Gagen geregelt waren. Auch gegen aussen waren die Unternehmer stets sehr bemüht, den Eindruck zu erwecken, dass die Völkerschau-Teilnehmer aus freien Stücken ihre Heimat verliessen und nach Europa mitkamen. Umso wichtiger war es den Veranstaltern, dass die Personengruppen auch immer Kinder enthielten, um den Eindruck zu vermitteln, es seien komplette Familien angereist. Die Menschen wurden allerdings meist in einer Umzäunung gezeigt, auch wenn keine Tiere mitgeführt wurden, und sie durften das Gelände nicht verlassen. Viele Teilnehmende litten unter Heimweh und blieben nach einer Völkerschau nicht lange in Europa. Die meisten reisten mit Geschenken der grossen Veranstalter wieder zurück in ihre Heimat. Der Kanadier R. A. Cunningham gab allerdings auch zu, Menschen für die Völkerschauen entführt zu haben, darunter eine Gruppe Aborigines im Jahr 1882.
Heute sind Völkerschauen nicht nur mehr undenkbar, sondern werden auch sorgfältig aufgearbeitet, so auch vom Zoo Basel. Das gestaltet sich oft schwierig, da der Zoo selber lediglich Kontakt zu den Organisatoren hatte, nicht zu den teilnehmenden Menschen. «Leider wissen wir praktisch nichts darüber, wer die Menschen waren, die zu den Schautruppen gehörten», bedauert Louanne Burkhardt. Der Zoo Basel pflege einen offenen und kritischen Umgang mit seiner Vergangenheit, so die Zoo-Archivarin Burkhardt. Alle Dokumente rund um die Völkerschauen sind im Staatsarchiv Basel hinterlegt und so öffentlich zugänglich.
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