Ein melodiöser Pfiff und die Aufmerksamkeit ist ihm sicher. Der Mittelbeo flattert auf einen Ast und plustert sich auf. Er lebt zusammen mit seiner Partnerin im Vogelhaus des Zoologischen Gartens Basel. Der Beo lebt gleich in der ersten Voliere linkerhand des Eingangs. Wenn er pfeift, schauen alle nach ihm. Doch da sind auch Bettellaute aus dem Nistkasten in der linken, oberen Ecke zu hören. Sein Weibchen füttert darin eben die Jungschar.

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Kaum eingesetzt, schon Junge

«Erst im April begannen wir damit, Vögel ins neue Vogelhaus einzusetzen, letzte Arten zogen im Mai ein», sagt die Kuratorin Jess Borer. Das Vogelhaus wurde in einer fast vierjährigen Bauphase saniert und ergänzt. Schon ziehen die neuen Bewohner Junge auf. Nicht nur die Mittelbeos. Nebst den Arten in den vier Volieren fliegen viele Vögel frei in der bepflanzten Halle, darunter auch Sumbawa- und Schamadrosseln, Blaukappen- und Omeihäherlinge. All diese Arten haben bereits frei in der Halle Nester gebaut und Junge aufgezogen. «Diejenigen des ersten Geleges sind ausgeflogen, und die Altvögel brüten schon wieder», sagt Jess Borer erfreut über die Zuchterfolge. Sie sind in verschiedener Hinsicht wichtig.

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Anspruchsvolle Vogelzucht

Wenn sich Vögel fortpflanzen, zeigt dies, dass sie sich wohlfühlen, nicht gestresst sind und mit der richtigen Nahrung versorgt werden. Viele Vogelarten sind empfindlich. Fehlt der wesentliche Nahrungsbestandteil, gelingt die Aufzucht der Jungen nicht, fühlen sie sich plötzlich unsicher, verlassen sie das Gelege.

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Die nachgezogenen Arten stammen alle aus Asien. In vielen Regionen sind sie bedroht, weil sie für den lokalen Handel gefangen werden oder weil ihr Lebensraum zerstört wird. Vom Blaukappenhäherling beispielsweise gibt es im Verbreitungsgebiet im südlichen China nur noch um die 300 Vögel. Ebenso viele leben in verschiedenen Zoos, die Vögel miteinander tauschen und so eine vitale Population unter Menschenobhut aufbauen. Auch die Basler Population trägt dazu bei. Die schmucken Häherlinge sind sehr sozial. So können sie in den Pflanzen der Freiflughalle beobachtet werden, wie sie sich gegenseitig das Gefieder pflegen. Jess Borer sagt: «Bei dieser Art helfen die Jungen bei der Aufzucht ihrer Geschwister aus dem zweiten Gelege.»

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Vogelfang in der Halle

Ebenso stammen die Omeihäherlinge aus China und sind gefährdet. Auch sie teilen sich den Lebensraum in der Basler Freiflughalle mit all den anderen Arten, haben Nester gebaut und Junge aufgezogen. «Bei dieser Art können die Jungen noch bis im Frühling in der Halle bleiben, dann werden sie von den Eltern weggejagt», gibt Jess Borer zu bedenken. Wenn Junge ausfliegen, sind sie noch unbeholfen. Das ist der Moment, wo sie vom erfahrenen, langjährigen Vogelpfleger Burkhard Monsch kurz gefangen und mit einem Farbring gekennzeichnet werden. So können die Individuen identifiziert werden. Muss der Tierpfleger Altvögel aus der Halle fangen, gelingt dies in abgesonderten Käfigen, wo die Vögel hineinfliegen, um Futter aufzunehmen. Junge der Schamadrossel, die vom Geländer aus ihre Eltern anbetteln, müssten bald entnommen werden. «Diese Art beachtet den Nachwuchs rasch als Konkurrenz», erklärt Jess Borer.

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Junge Blaukrönchen

Für die Jungvögel hat der Zoo ausreichend Platz hinter den Kulissen. Auf der Zwischengalerie im hohen Vogelhaus befinden sich in einem langen Gang 14 Zuchtvolieren. Jess Borer: «Hier werden tatsächlich Vögel gezüchtet, doch wir benützen diese Volieren auch als Haltungsmöglichkeit für Arten, deren Zucht in der Halle gelang.» Hier klappte erstmals im Basler Zoo die Zucht des Veilchenorganisten, einer Art aus dem tropischen Südamerika. Weiter haben sich die Blaukrönchen in der Zuchtanlage vermehrt, eine kleine asiatische Papageienart. «In der Halle leben derzeit lediglich zwei Männchen. Dank der Nachzucht hinter den Kulissen können wir ihnen hoffentlich bald auch zwei Weibchen zugesellen», erzählt Jess Borer.

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Komplexe Ernährung

Die Kuratorin sagt, dass dank der Beobachtungsgabe und Erfahrung der Tierpfleger solch heikle Arten gezüchtet werden können. Gerade Weichfresser sind anspruchsvoll in der Haltung. Sie benötigen Insekten als Nahrung, manche dürfen nicht zu viel eisenhaltige Komponente aufnehmen, wie etwa die Beos. In der Futterküche des Vogelhauses werden Mehlwürmer, Wachsmotten und Fruchtfliegen gehalten, wertvolle Nahrung für Tropenschnäbel.

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Fütterung im Käfig

Eine Spezialität des Vogelpflegers Burkhard Monsch ist auch das stressfreie Fangen der Vögel in den Zuchtvolieren. Die Arten werden in Käfigen am Frontgitter gefüttert. Sie sind es sich gewöhnt, dort hineinzufliegen. Der Aufenthalt im kleinen Käfig ist für sie positiv behaftet, denn sie finden Nahrung. Muss ein Vogel versetzt werden, kann dieser Käfig mit einem Zugsystem, bestehend aus Fäden oder gar von Weitem automatisch mit einem Schliesssystem, wie es für Autotüren verwendet wird, geschlossen werden. Der Vogel kann darin rasch und schonungsvoll gefangen werden und muss nicht in der Voliere herumgejagt werden.

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Wissen generieren

«Wir haben hier geballte Erfahrung von Fachexperten», sagt der Zoodirektor Dr. Olivier Pagan zur Zuchtarbeit im Vogelhaus und betont weiter: «Damit schlagen wir eine Brücke zu dem, was in der Natur passiert.» Zoos arbeiteten somit ergänzend zu Naturschutzorganisationen. Einerseits werden vom Aussterben bedrohte Arten gezüchtet, andererseits gelingen mit der Vermehrung von bisher noch weit verbreiteten Arten wie dem Mittelbeo oder der Schamadrossel Zuchten von Arten, die wohl in der Natur noch gut etabliert sind, die aber unter Menschenobhut, besonders in der Schweiz, Raritäten sind. «Zudem generieren wir mit der Zucht dieser Art Wissen, um bedrohte Arten zu züchten», merkt Jess Borer an. Wenn auch der Mittelbeo und die Schamadrossel nicht bedroht sind, so sind Unterarten dieser Arten akut gefährdet. Manche kommen auf kleinen indonesischen Inseln vor. Werden sie dort für den lokalen Handel weggefangen oder wird ihr Lebensraum zerstört, sind sie rasch verschwunden.

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Das Vogelhaus im Basler Zoo hat sich schon in den ersten Wochen zur wichtigen Arche entwickelt. Die lange Geschichte wird fortgesetzt. Es beherbergt seit 1927 Vögel. Ein Stück Regenwald in Basel mit tropischem Vogelgesang und dem neckischen Pfeifen des Beos.

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