Der Anfang

Mitte September 2020 gaben das Besitzer-Trio der Blausee-Fischzucht AG bekannt, dass es seit 2018 zu massenhaften Fischsterben in einem Becken der bekannten Forellenzucht des Blausees kam. Tausende Tiere seien aufgrund von Giften im Grundwasser, das ebendieses Becken speise, verendet. Der Schaden belaufe sich auf mehrere Millionen. 

Das sonst so stahlblaue Wasser des beliebten Touristenziels, sei zeitweise eine trübe blau-grüne Sauce gewesen. Recherchen der «Berner Zeitung», des Newsdesks der «TX-Group» (damals Tamedia) und der SRF-Rundschau ergaben, dass über Jahre im nahegelegenen Steinbruch Mitholz, betrieben von der Virgier AG, illegal umweltschädlicher Pressschlamm und Altschotter der Sanierung des Lötschbergtunnels und aus Regensdorf (ZH) abgeliefert wurden. 

Die Recherchen

Unterlagen, die der SRF «Rundschau» vorliegen und Informanten führen zu einem Berner Transportunternehmen. Dessen Lastwagen sind mit dem Pressschlamm und dem Altschotter mit dem richtigen Ziel, nämlich der Sonderdeponie Attisholz in Flumenthal (SO), losgefahren. Unterwegs seien aber das Ziel und die Deklaration der Ladung geändert worden. So wurde vermeintlich sauberes Material in Mitholz nahe des Blausees abgeliefert. Der Grund dafür soll Kostendruck gewesen sein. Eine LKW-Ladung der genannten Stoffe in Attisholz entsorgen soll 600 Franken kosten, während dieselbe Menge unbedenklichen Materials im Steinbruch Mitholz nur mit 300 Franken zu Buche schlagen sollen. Die Differenz hat das Transportunternehmen eingestrichen. 

Weiters soll auch die Firma Marti, die im Auftrag der Bahngesellschaft BLS AG den oberen Lötschbergtunnel schon seit 2012 belasteten Altschotter und teilweise auch Betonschlamm illegal nach Mitholz transportiert haben. Diese Materialien gehören auf Deponien des Typs B, Betonschlamm muss zum Teil sogar auf einer Reaktordeponie (Typ E) gelagert werden. Der Steinbruch Mitholz ist keine Deponie, im Gegenteil, er liegt sogar in einer Gewässerschutzzone und einem sensiblen Grundwassergebiet. Weswegen dort nur sauberer Aushub deponiert werden darf, schreibt die «Berner Zeitung» und ergänzt, dass die BLS Proben des entstandenen Betonschlamms untersuchen liess und bestätigte. Ein Teil des Materials gehört auf gesonderte Deponien (Typ E) und ist kontaminiert. Ob es Proben des Schlamms sind, der in Mitholz landete, wird noch untersucht.

Das illegale Deponieren, soll der Grund für das Forellensterben im Blausee sein, denn durch Press- und Betonschlamm, sowie Altschotter und Bahnschienen gerieten krebserregende und umweltschädigende Gifte ins Grundwasser. So die Vorwürfe der Blausee AG. 

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Die Hauptdarsteller

Im Ring um den Umweltskandal am Blausee stehen die Firma Vigier Beton AG, die den Steinbruch Mitholz betreibt, die BLS, die Firma Marti, die Blausee AG und der Kanton Bern. Von letzterem fordern die Betreiber der Forellenzucht eine unabhängige Untersuchung der Umstände und werfen ihm gleichzeitig vor, den Fall vorschnell ad acta gelegt zu haben. Der Kanton Bern beauftragte Gutachter damit, Proben des Grundwassers auszuwerten, genauso die Blausee AG. 

Erwartungsgemäss widersprachen sich die Gutachten. Der Kanton konnte keine Kontaminierung des Grundwassers feststellen. Die Besitzer der Fischzucht wiederum fanden im Wasser dieselben Giftstoffe wie in den verendeten Forellen. Die Virgier Beton AG ihrerseits arbeitete die Geschehnisse rund um den Steinbruch in Mitholz auf und kam zum Schluss, dass zwar illegale Stoffe zwischengelagert und deponiert wurden, diese aber keine Gefahr für das Grundwasser und die Fischzucht im Blausee darstellen. 

Wie geht es weiter?

Seit dem 8. November wird nun im Steinbruch gebaggert. Schon rund 1000 Tonnen des belasteten Materials sind ausgehoben, weitere 4000 Tonnen sollen folgen, berichtet die «Berner Zeitung». Dies sei allerdings vor allem Pressschlamm, der von der Berner Transportfirma illegal im Berner Oberland abgeliefert wurde, sagt Marcel Rychen, Unternehmensleiter von Vigier Beton Berner Oberland und folgert: «Dieses Material wurde uns untergejubelt.» Aber auch für den deponierten Gleisschotter und Betonschlamm der BLS übernimmt Virgier keine Verantwortung. Es habe Fehler gegeben, aber, so Rychen: «Wir sind davon ausgegangen, dass es sich um unverschmutzte Schlämme gehandelt hat.» Eine Gefährdung des Blausees und der ansässigen Fischzucht habe es aber zu keiner Zeit gegeben.

Doch auch, wenn die Vigier AG, Reue zeigt — der Steinbruch, so heisst es in der «Berner Zeitung», habe über Jahre Gleisaushub der BLS entgegengenommen, verarbeitet und teilweise gelagert. Das ist in dem Steinbruch verboten. Und die Chauffeure des Berner Transportunternehmens bestätigen, dass es kaum Materialkontrollen bei der Einfahrt in den Steinbruch gegeben habe. 

Wie der Streit auf dem Rücken des Naturschatzes Blausee ausgeht, ist offen und muss die Berner Staatsanwaltschaft im laufenden Strafverfahren klären. Wann die Untersuchung beendet ist, könne nicht abgeschätzt werden.  «Es handelt sich um ein vergleichsweise sehr aufwendiges und sehr komplexes Verfahren», sagt deren Informationsbeauftragter Christof Scheurer gegenüber der «BZ».

Entsprechend lang ist auch die Liste der Tatbestände. Es geht um Vergehen gegen das Gewässerschutzgesetz, das Umweltschutzgesetz sowie um Übertretungen gegen das kantonale Bau- und Abfallgesetz. Zudem könnten Betrug, Sachbeschädigung, Verunreinigung von Trinkwasser und Tierquälerei vorliegen. Die Untersuchung ist sowohl gegen unbekannt wie auch gegen 16 Personen eröffnet worden – darunter Angestellte von Vigier. Es gilt allerdings für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung.