Bewusste Konsumenten kaufen Kaffee und Kakao schon lange aus fairem Handel. Ungleich schwieriger wird es bei einem Smartphone. In einem solchen Hightech-Gerät stecken bis zu 60 verschiedene Metalle und seltene Erden. Der Herkunft und Verarbeitung all dieser Stoffe nachzugehen, ist ein ambitioniertes Unterfangen. Dennoch hat sich ein holländisches Unternehmen vor sechs Jahren auf diesen Weg gemacht. 

Ende 2013 kam das erste Fairphone heraus, von dem 60 000 Stück verkauft wurden. Vom Erfolg ermutigt, hat sich das Team zu einer zweiten Ausgabe entschieden, die Anfang dieses Jahres auf den Markt kam. Zwar ist auch das Fairphone 2 immer noch weit entfernt von einem durchwegs sozial- und umweltverträglich hergestellten Produkt. Doch ein paar weitere Schritte sind unterdessen getan.

Kein Geld für Kriege
Seit diesem August enthält das Fairphone Zinn, Gold, Tantal und Wolfram aus konfliktfreien Gebieten. Die vier Metalle stammen meist aus Minen im Kongo und der Region der Grossen Afrikanischen Seen. Unmenschliche Arbeitsbedingungen, Umweltverschmutzung und Menschenrechtsverletzungen sind häufig. Zudem finanzieren sich lokale Rebellengruppen und Warlords mit der Förderung der begehrten Stoffe. Um dies zu unterbinden, haben die USA 2010 den sogenannten Dodd-Frank Act erlassen. Er verlangt von Unternehmen den Nachweis, dass sie ihre Rohstoffe aus konfliktfreien Gebieten beziehen. Mit dem Resultat, dass viele die heiklen Regionen nun einfach meiden und andere berücksichtigen. Dies schwächt die Wirtschaft der betroffenen Staaten noch mehr, was sie kaum stabilisieren dürfte.

Das Fairphone-Team entschied sich für den aufwendigeren Weg. Es bezieht die Metalle weiterhin in diesen Ländern, jedoch in Minen, die nichts mit den Konflikten zu tun haben. Damit beim Abbau mindestens minimale Sicherheits-Standards eingehalten werden, arbeitet das Unternehmen mit Partner-Organisationen zusammen. Es verheimlicht nicht, dass die Zustände immer noch nicht ideal sind. Mancherorts graben Menschen mit blossen Händen und ohne Schutzausrüstung in selbst geschaufelten Stollen nach Gesteinsbrocken. Andernorts sind zumindest elementare Werkzeuge und Schutzausrüstungen vorhanden. «Wir arbeiten daran, die Arbeitsbedingungen wie Sicherheit und Löhne zu verbessern», sagt Medienverantwortliche Tina Trinks.

Flicken statt ersetzen
Eine weitere Qualität des Fairphones ist seine Langlebigkeit. Während andere Firmen den Konsum mit nicht reparierbaren Produkten ankurbeln wollen, die häufig kurz nach Ablauf der Garantie kaputt gehen – Stichwort geplante Obsolenz – sind beim Fairphone 2 fast alle Teile ersetzbar. Zudem könne das Gerät optisch aufgewertet werden, erklärt Trinks. «Die psychologische Lebensdauer ist mindestens so wichtig.» Denn oft werden Mobiltelefone nicht ausrangiert, weil sie nicht mehr funktionieren, sondern weil ein raffinierteres und eleganteres Modell auf den Markt gekommen ist. In Nordeuropa wechseln Benutzer ihr Handy durchschnittlich etwa alle eineinhalb Jahre. Nur ein Bruchteil der enthaltenen Rohstoffe wird rezykliert.

Die Fairphone-Initianten wollen einerseits den Bedarf an wertvollen Materialien senken und anderseits so viele wie möglich wiederverwerten. Das Unternehmen ist deshalb auch in Ghana aktiv, wo grosse Berge von Elektroschrott lagern. Letztes Jahr hat es 75 000 alte Mobiltelefone von Ghana nach Belgien gebracht. Hier sollen die wertvollen Metalle für neue Telefone zurückgewonnen werden. Drei Dollar von jedem verkauften Fairphone gehen an Recycling-Projekte wie dieses. Die Hälfte des Wolframs in der Fair­phone-2-Serie ist bereits rezykliertes Material. Das Metall wird für die Motoren gebraucht, die das Telefon bei eingehenden Anrufen zum Vibrieren bringen.

In die Kritik gerät die Elektronik-Industrie auch häufig wegen der Produktionsbedingungen. Die Firma, die das iPhone montiert, machte etwa mit Bildern von übermüdeten Arbeitern und sogar Fällen von Selbstmord von sich reden. Auch das Unternehmen im chinesischen Suzhou, das das Fairphone 2 zusammensetzt, ist keine Wellness-Oase. Bei ihren zum Teil unangekündigten Besuchen pochen die Holländer auf Aspekte wie bessere Sicherheitsbekleidung, Brandschutzmassnahmen und die Einhaltung der vertraglich zugesicherten 60-Stunden-Woche – auch für temporäre Arbeitskräfte. Zudem wurde ein Sozialfonds gegründet, über dessen Verwendung die Belegschaft entscheidet. «Wir konnten schon einige Verbesserungen erreichen», sagt Trinks. Man werde aber stetig dranbleiben.

Die gesamte Branche verändern
Generell geht es den Fairphonern nicht ausschliesslich darum, ihre eigenen Geräte gerechter zu gestalten und somit ein konkurrenzloser Anbieter von sozial- und umweltverträglichen Telefonen zu werden. Ebenso wichtig ist es ihnen, die gesamte Branche zum Umdenken zu bewegen. Deswegen nehmen sie auch in Kauf, dass sich die Rohstoffe aus den kongolesischen Minen manchmal mit solchen aus anderen konfliktfreien Gebieten mischen. «Den Menschen in den Minen bringt es mehr, wenn sich ihre Arbeitsbedingungen generell verbessern», erklärt Trinks. Um dies zu erreichen, arbeitet das Unternehmen mit diversen anderen Organisationen zusammen und unterstützt Initiativen mit denselben Zielen.

Am Anfang stand denn auch nicht die Idee, in die Elektronik-Branche einzusteigen; vielmehr wollten sich die Initianten mit der Problematik rund um Konfliktmetalle auseinandersetzen. Daraus entstand ein Unternehmen, das sich einer neuen Wirtschaftsform verpflichtet. «Es handelt sich um ein gemeinschaftliches Projekt», sagt Tina Trinks. «Unsere Kunden entscheiden sich für ein Fairphone, weil sie etwas verändern wollen.»

Das Fairphone 2 ist 143x73x11 Millimeter gross und 148 Gramm schwer. Es kostet umgerechnet rund 575 Franken.