Hände ruhig halten! Kaum eine Anweisung schallt so häufig über Reitplätze, kaum eine führt so häufig zu Missverständnissen. Denn nimmt man die Forderung allzu wörtlich, versucht also, die Hände möglichst wenig zu bewegen, wird die Handhaltung schnell verkrampft und starr. Und das wirkt sich nicht nur negativ auf den gesamten Sitz aus – etwa an den Körper gepresste Ellbogen oder ein steifes Becken –, sondern macht eine konstante, weiche Verbindung zum Pferdemaul quasi unmöglich. 

Ist die Reiterhand sehr starr, folgt sie nicht den Bewegungen des Pferdes und übt darum in einem Moment viel zu viel Druck aus, um die Verbindung im nächsten Moment komplett aufzugeben, der Zügel hängt durch. Bei diesen sogenannten springenden Zügeln bekommt das Pferd also ständig Impulse, die es nicht versteht und die im schlimmsten Fall auch noch wehtun, während zwischendurch überhaupt keine Zügelhilfen möglich sind. Unruhig und unkoordiniert darf die Hand aber auch nicht sein, denn das stört das Pferd erheblich im Maul, lässt es – abhängig von der individuellen Handhaltung – zu eng werden, aus dem Takt kommen und nicht selten die Lust am Training verlieren. 

Im Idealfall ist die Reiterhand also keinesfalls starr, aber ruhig und elastisch. «Eine ruhige Hand geht weich mit der Bewegung des Pferdes mit, gibt Anlehnung, hält gegen, wenn es gefordert wird und gibt im richtigen Moment nach», erklärt Regula Moser, Ausbilderin der klassischen Reitkunst und Reha-Trainerin für Pferde aus Riehen. Das erfordert eine Menge Feingefühl und Koordination sowie einen zügelunabhängigen Sitz. 

Übungen für bessere Handhaltung
Wer zum Beispiel beim Aussitzen in Bedrängnis kommt, hält sich unbewusst am Zügel fest und macht automatisch alle Gelenke fest – die Hand folgt anschliessend zwangsläufig den Bewegungen des Reiters und nicht mehr denen des Pferdekopfes. Vorbeugen kann man dem, indem der Ausbilder Reitanfängern an der Longe erst dann die Zügel in die Hand gibt, wenn sie sicher und ausbalanciert sitzen. Regelmässiger Sitzlongenunterricht ohne Zügel, mit verschiedenen Übungen in allen Grundgangarten, sei aber auch für fortgeschrittene Reiter sehr sinnvoll, um einen lockeren, losgelassenen Sitz und eine ruhig atmende Hand zu erhalten, sagt Moser. Die Expertin empfiehlt zudem allen Reitern – mit oder ohne Sitzproblemen – Mobilisationsübungen für Becken, Rumpf und Schulter, schliesslich sei die ruhige Reiterhand ein ganzkörperliches Thema. 

Das heisst, die Ursache für Probleme mit der Handhaltung können eine starre Hüfte, aber auch verspannte Schultern, zu eng anliegende oder zu weit abgespreizte Ellbogen, steife Handgelenke, eine zu schwache Rumpfmuskulatur oder eine viel zu hohe Körperspannung sein. «Eine zu hohe Körperspannung, aber auch eine osteopathische Läsion des Reiters lässt die Energie nicht mehr richtig durch seinen Körper fliessen, sodass es zu Auswirkungen bis in die Hände oder aber zu klopfenden Schenkeln oder einem nickenden Kopf kommen kann», erklärt Moser.

Sie selbst lässt bei der Ursachenforschung auch ihre Arbeit zur Schmerztherapeutin für Menschen einflies­sen. Wenn es irgendwo klemmt, müssen ihre Reitschüler auch mal absitzen und diverse Übungen machen, die – je nach der individuellen Problematik – etwa die Schulterbeweglichkeit verbessern oder den gesamten Rumpf dehnen.

Wie bei allen Sitzfehlern fallen den Reitern auch unruhige, zu hohe, zu tiefe, zu starre oder verdeckte Hände oft gar nicht selber auf. Da man offensichtlich nur die Fehler beheben kann, die man kennt, sollte man den eigenen Sitz regelmässig unter die Lupe nehmen. Ein guter Ausbilder ist daher Gold wert, auch der Blick in den Hallenspiegel oder, besser noch, Videoaufnahmen vom Ritt können helfen. 

Eine spielerische und auch ziemlich lustige Methode, die eigene Handhaltung beim Reiten zu überprüfen und zu schulen, ist vielen vielleicht noch aus ihren Pony-Reitstunden in Erinnerung, eignet sich aber nur für sehr gelassene Pferde: Man klemmt zwei Messlöffel, auf die man je einen Pingpongball legt, zwischen Daumen, Zügel und Zeigefinger und versucht, die Bälle nicht zu verlieren. Alternativ kommen manchmal mit Wasser gefüllte Becher zum Einsatz. Fahrlerngeräte eignen sich dazu, die Zügelhaltung und Führung «auf dem Trockenen» zu üben.

Balance und Beweglichkeit kann man auch ausserhalb der Reitstunde bei diversen Ausgleichssportarten, zum Beispiel Yoga, schulen. Aber auch im Sattel kann man noch etwas tun: Eine klassische Übung, um die Lockerheit des Oberkörpers im Sattel, aber auch den unabhängigen Sitz und die Koordinationsfähigkeit der Hände zu fördern, ist das Jonglieren im Sattel. Dabei bewegt der Reiter – zunächst im Schritt, wenn das klappt danach auch in schnelleren Gangarten – die Hände im Wechsel vorwärts-aufwärts, dann rückwärts-abwärts, und zwar möglichst gleichmässig.

Dranbleiben lohnt sich
«Eine fantastische Unterstützung bei Übungen auf dem Pferd sind auch Franklin-Bälle. Durch diese verbessert sich die Körperwahrnehmung des Reiters oft gravierend», sagt Moser. Die sogenannten Franklin-Bälle, die zahlreiche bekannte Ausbilder beim Unterricht einsetzen, werden, je nachdem, wo das Problem liegt, beim Reiten für kurze Trainingssequenzen zum Beispiel unter die Oberarme oder die Oberschenkel geklemmt. Der Körper muss sich dadurch neu ausbalancieren, es wird leichter, neue Bewegungsmuster zu etablieren.

Wichtig ist es dranzubleiben, denn schnelle Lösungen gibt es nur selten. «Ein guter Reiter verfeinert seine Hilfengebung ein Leben lang», sagt Regula Moser. Und die Mühe lohnt sich: Schon auf kleine Verbesserungen reagieren Pferde oft positiv, indem sie verstärkt die Anlehnung suchen und motivierter mitarbeiten.