Über den Sattel werden Bücher geschrieben und mit der Auswahl der richtigen Trense für das Pferd haben sich Doktorarbeiten befasst. Eine solche Aufmerksamkeit erfährt der Anbindestrick nicht. Muss ein neuer her, wird allenfalls darauf geachtet, dass seine Farbe zum Rest der Ausrüstung passt. Ansonsten wird seine Existenz als selbstverständlich erachtet, solange er neben der Stalltüre hängt und den Dienst verrichtet, für den er vorgesehen ist: das gehalfterte Pferd anzubinden oder es von einem Ort an einen anderen zu führen. 

Dabei hat der Strick meistens einen Durchhänger. Denn ältere, gut erzogene Pferde kennen die Routine am Putzplatz und bei der Vorbereitung zum Reiten: Sie stehen in der Regel ruhig und gelassen da. Das Gleiche gilt beim Führen: Das Pferd hat gelernt, den Strick als verlängerten Arm des Reiters zu betrachten und folgt ihm anstandslos, ohne daran zu ziehen oder zu zerren. Für viele Pferdebesitzer ist das zur Normalität geworden und sie vergessen, dass das Angebundensein für das Fluchttier Pferd alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist und grosses Vertrauen voraussetzt.

Nylon gibt verbrannte Finger
Doch selbst das bravste Pferd kann sich erschrecken und erhält dann von seinem Instinkt den Impuls zur Flucht. Macht es dann beim Führen einen Satz zur Seite oder nach vorne und will Reissaus nehmen, ist es der Strick, der die Sicherheit gewährleistet: Er gibt dem Pferd Bewegungsspielraum und sorgt für eine Pufferzone zwischen Mensch und Tier. Keinem Reiter oder Pferdehalter würde es deshalb in den Sinn kommen, ein Pferd ohne Strick zu führen. 

Wichtig ist dabei die Beschaffenheit des Führseils: Je dicker es ist, desto griffiger und damit sicherer ist es. Und das Material entscheidet darüber, wie gut der Strick in der Hand liegt. Die bunten, aber meist recht dünnen Nylon-Stricke in modischen Farben sind zwar hübsch anzusehen, werden sie dem Reiter aber von einem erschrockenen Pferd mit grosser Kraft durch die Hand gezogen, kann dabei die Haut verbrennen. Wer solche Stricke bevorzugt, sollte sein Pferd nie ohne Handschuhe führen.

Bei Stricken aus Baumwolle ist das weniger der Fall, ausserdem sind sie meist dicker und dadurch griffiger. Im Nachteil ist der Baumwoll-Strick, wenn er nass wird; dann dauert es lange, bis er wieder trocken ist. Handelsübliche Stricke sind meist zwei Meter lang und damit eher knapp bemessen. Wenn man von einer mittleren Anbindelänge von 60 bis 80 Zentimetern ausgeht, kann ein zwei Meter langer Strick rasch einmal zu kurz sein, vor allem wenn er um eine dickere Anbindevorrichtung wie etwa einen Holzbalken geschlungen werden muss.

Besser ist ein Strick mit einer Länge von zweieinhalb bis drei Metern, der keinen «Seilsalat» verursacht, aber ein paar wesentliche Vorteile hat. Erschreckt sich das Pferd beim Führen und droht es nach vorne wegzustürmen, kann man diese Vorwärtsbewegung mit einem längeren Strick leichter in eine Vorwärts-Seitwärts-Bewegung umwandeln, in der das Pferd wesentlich weniger Kraft hat. So kann das Pferd um die führende Person kreisen, bis sich die Situation beruhigt hat. 

Ein faules Pferd oder eines, das beim Führen immer mal wieder stehen bleibt, kann man durch einen Klaps mit dem Ende eines längeren Seils auf Schenkel oder Kruppe zum Vorwärtsgehen ermuntern. Ein längerer Strick lässt ausserdem einen Knoten an seinem unteren Ende zu, der als praktischer Stopper dient, dank dem das Seil dem Halter nicht aus der Hand rutscht. 

Eine Schlaufe am Seilende, wie man sie auch bei Führleinen kennt, ist nicht empfehlenswert. Schon vor der ersten Reitstunde lernt der Reitanfänger, dass er Strick oder Führseil niemals um die Hand wickeln darf: Stürmt das Pferd davon, zieht sich die Schlinge zu und der Führende kommt nicht mehr frei, was gebrochene Finger, Hände oder noch Schlimmeres zur Folge haben kann.

Der Panikhaken hat einen Haken
Am anderen Ende des Stricks befindet sich ein Befestigungshaken aus Edelstahl, vernickeltem Eisen oder Vollmessing. Am gebräuchlichsten sind Karabiner und sogenannte Panikhaken. Beide haben Vor- und Nachteile. Der Panikhaken öffnet sich durch das Herunterschieben eines breiten Mittelstücks, was auch mit einer Hand und unter Zug möglich sein soll. In der Praxis sieht das aber oftmals anders aus: Tests eines deutschen Fachmagazins haben gezeigt, dass eher das Halfter reisst, als dass sich der Verschluss löst. Hängt ein Pferd, das sich am Anbindeplatz erschrocken hat, mit voller Kraft im Seil, sollte man besser nicht versuchen, den Haken zu öffnen: Zum einen sind dabei die eigenen Finger in Gefahr, zum anderen kann das Pferd durch die ruckartige Befreiung nach hinten stürzen und sich schwer verletzen. 

Das Gleiche kann passieren, wenn ältere Haken durch Materialermüdung brechen. Panikhaken, die viel in Gebrauch sind, leiern mit der Zeit aus, sodass sie sich schon bei einem leichten Ruck öffnen. Passiert das, wenn man das Pferd beim Führen anhalten will, zum Beispiel an einer befahrenen Strasse, kann das zu einer gefährlichen Situation führen. Mit einem Karabiner passiert das nicht. Die im Umgang mit dem Pferd gebräuchlichen Boltsnap-Karabiner (auf dem Bild rechts oben zu sehen) haben einen Bolzen, der mit Unterstützung einer Feder zuschnappt. Er lässt sich nur bewusst öffnen, indem die Feder über eine kleine Schiebevorrichtung zurückgezogen wird. 

Eine vergleichbare Vorrichtung zum Anbinden von Pferden wurde übrigens bereits in dem 1616 erschienenen Buch «Kriegskunst zu Pferdt» des Militärschriftstellers Johann Jakob von Wallhausen erwähnt. Kauft man einen Anbindestrick mit Karabiner, sollte man darauf achten, dass der Karabiner von guter Qualität und nicht zu klein und dünn ist. Die federgestützte Schnappvorrichtung des Karabiners hat den Nachteil, dass sie anfällig für Verschmutzungen ist und dadurch kaputt gehen kann. Ausserdem sind Karabiner im Winter mit Handschuhen schwerer zu öffnen. Trotzdem sollte der Strick mit Karabiner die erste Wahl beim Führen von Pferden sein, während der Panikhaken sich beim Anbinden am Putzplatz sowie im Transporter bewährt.