Bei Chiara beginnt das Auftrensen vielversprechend. Die fünfjährige Stute, die im Ausbildungszentrum SinTakt in Ellighausen TG zu Hause ist, senkt auf Kommando den Kopf und lässt sich überall anfassen. Doch wenn ihr die Trense – also jenes Gebissstück mit einem Ring an jeder Seite, an dem die Zügel befestigt sind – zu nahe kommt, reisst das 1,71 Meter grosse Pferd den Kopf hoch.

Die meisten Reiter haben dann keine Chance mehr. «Bei mir macht sie das nicht. Vermutlich, weil ich selber 1,80 Meter gross bin und ihren Kopf auch dann noch gut erreiche, wenn er oben ist», sagt Doris Süess, Gründerin und Leiterin des Ausbildungszentrums, das in diesem Jahr sein 25-Jahr-­Jubiläum feiert.

Hand bleibt am Pferd
Die Stute sei ein gutes Beispiel dafür, dass Probleme beim Auftrensen nicht unbedingt auf schlechten Erfahrungen basieren müssen, sondern schlichtweg eine erlernte Verhaltensweise sein können. «Sie hat einmal beim Auftrensen den Kopf hochgenommen, vielleicht weil sie an dem Tag ein bisschen aufgeregter war als sonst oder sich nach ihren Kumpels auf der Weide gesehnt hat, und dabei hat sie leider gelernt, dass sie sich der Trense so erfolgreich entziehen kann. Inzwischen ist es für sie fast eine Art Spiel geworden», sagt Süess.

Um sich problemlos auftrensen zu lassen, muss ein Pferd lernen, auf Kommando (ein Stimmkommando oder leichter Druck von der Hand im Nacken) den Kopf zu senken, das Maul auf leichte Einwirkung hin zu öffnen und sich bereitwillig die Trense einlegen zu lassen. Wichtig: Für jeden Schritt in die gewünschte Richtung loben und nicht zu viel auf einmal erwarten.

Es ist eine ganz natürliche Reaktion, beim ersten heftigen Kopfschlagen die Hand wegzuziehen. Richtig ist sie aber nicht, denn so erfährt das Pferd, dass es mit seinem Abwehrverhalten Erfolg hat. «Wenn möglich sollte man deshalb, auch während das Pferd den Kopf hochreisst, eine Hand am Pferd, also zum Beispiel am Hals oder im Nacken, lassen», rät die 53-jährige Ausbildnerin. Wenn die Proportionen, also kleine Reiter und grosse Pferde, das unmöglich machen, kann ein «verlängerter Arm», zum Beispiel eine Gerte, an der ein Handschuh befestigt wird, gute Dienste erweisen. Merkt das Pferd, dass es die Hand nicht so einfach loswird, hält es irgendwann inne. Erst in diesem Moment sollte man die Hand wegnehmen und das Pferd ausgiebig loben.

Aus Sicherheitsgründen sollte man allerdings bei dieser Übung besser nicht auf einen wackligen Stuhl oder Hocker steigen. Und bei Pferden, die nicht nur den Kopf hochnehmen, sondern auch nach vorne austreten, beissen oder steigen, ist es höchste Zeit, sich Unterstützung von einem erfahrenen Ausbildner zu holen.

Zeit und Geduld helfen
Damit das Pferd die Trense mit positiven Erfahrungen verknüpft und gerne ins Maul nimmt, kann es helfen, sie mit etwas Leckerem wie Apfelmus einzuschmieren oder das Tier mit der Trense im Maul zu füttern. Und natürlich sollte man behutsam vorgehen: Denn schlägt dem Pferd beim gewaltsamen oder eiligen Auftrensen die Trense gegen die Zähne, wird der empfindliche Maulwinkel gequetscht, oder zieht die Trense unangenehm am Schopf, weil das Kopfstück unsanft von vorne nach hinten über die Ohren gezogen wird, ist es nicht verwunderlich, wenn sich das Pferd beim nächsten Mal gegen die Prozedur wehrt. Auch gesundheitliche Probleme wie Zahnschmerzen oder Erkrankungen der Ohren sowie unpassende Trensen können zum Abwehrverhalten führen.

Die Lust auf die Trense kann dem Pferd aber auch durch eine harte Reiterhand vergehen. Damit ein Pferd nach solchen schmerzhaften, oft traumatischen Erfahrungen wieder Vertrauen zur Trense gewinnt, ist neben einem Reiterwechsel oder gutem Reitunterricht oft viel Zeit und Geduld nötig. «Manchmal kann es sogar nötig sein, solche Pferde zumindest vorübergehend mit einer gebisslosen Zäumung zu reiten», sagt Doris Süess.