Ein sonniger Sonntagnachmittag in einem Naherholungsgebiet irgendwo in der Schweiz. In den umliegenden Reitställen werden die Pferde gestriegelt und voller Vorfreude auf den bevorstehenden Ausritt gesattelt. Zur gleichen Zeit suchen Hundebesitzer nach der Leine, nehmen die Nordic-Walker ihre Stöcke zur Hand, schnüren Jogger ihre Laufschuhe und schwingen sich Biker auf ihre Velos. Bei schönem Wetter zieht es viele Menschen ins Freie und es kann ganz schön voll werden in der Natur. Es droht Dichtestress im Wald und verhalten sich einzelne Individuen dann auch noch rücksichtslos, ist eine Eskalation programmiert. 

Für Reiterinnen, Reiter und Fahrer ist es besonders wichtig, sich beim Zusammentreffen mit anderen Erholungsuchenden angemessen zu verhalten. Zum einen haben sehr viele Menschen, die nicht mit Pferden vertraut sind, Angst oder zumindest einen gesunden Respekt vor dem grossen Vierbeiner, der da des Weges kommt. Zum anderen werden die «hoch zu Ross» sitzenden Reiter alleine aufgrund dieser Position oftmals als arrogant empfunden. Dazu kommt, dass die meisten Benutzer von Feld- und Waldwegen keine Freude haben an den natürlichen Hinterlassenschaften der Pferde. Führen Begegnungen zwischen Reitern und anderen Erholungsuchenden wiederholt zu Auseinandersetzungen sind die Folgen bekannt: Es drohen Reitverbote.

Pferde sollen sich in der Natur erholen
«Ein gutes Einvernehmen zwischen Reitern und der Öffentlichkeit ist deshalb sehr wichtig. Alle Reiter und Fahrer sind auf eine intakte, dem Pferdesport zur Verfügung stehende Umwelt angewiesen. Auch Spitzenpferde sollen sich im Gelände ausruhen und erholen können», sagt Michael Hässig, Präsident des Verbandes Ostschweizerischer Kavallerie- und Reitvereine OKV.

Der grösste Schweizer Regionalverband, dem rund 150 Reit- und Fahrvereine mit über 20 000 aktiven Pferdesportlern angehören, übernimmt deshalb auch die Vermittlerrolle, wenn es darum geht zwischen Vereinen und Behörden zu schlichten. Innerhalb des OKV gibt es eine Kommission «Pferd & Umwelt», deren Sinn und Zweck es ist, «die Reitmöglichkeiten im Einvernehmen mit allen anderen Weg- und Strassenbenützern, mit den Land-, Weg- und Waldbesitzern und allen zuständigen Behörden und Kommissionen durch eine geordnete und anständige Reiterei zu erhalten, zu pflegen und zu fördern».

Dafür führt der OKV auch regelmässig Kampagnen durch. So lancierte er vor einem Jahr die Plakataktion «Pferdeäpfel gehören auf den Mist und nicht auf Quartierstrassen», mit der Pferdefreunde aufgefordert wurden, in ihren Gebieten eine Lösung für die «Rossbollen» zu finden, bevor der Gesetzgeber deren Beseitigung vorschreibt.

Michael Hässig empfiehlt jedem Reitverein oder grösseren Reitstall, proaktiv zu handeln und einen Verantwortlichen zu bestimmen, der als Ansprechperson bei Problemen dient, der aber auch frühzeitig das Gespräch mit Gemeindebehörden, Forstamt oder kantonalen Stellen sucht und durch einen guten Kontakt zu Kommunalpolitikern sicherstellt, dass die Interessen der Pferde sportler gewahrt sind.

Freundlichkeit und Rücksichtnahme
Für ein gutes Image der Reiter in der Bevölkerung sind aber nicht nur die Vereine und Verbände besorgt, sondern jeder einzelne Reiter und Fahrer, der mit seinem Vierbeiner im Gelände unterwegs ist. Dabei sind Freundlichkeit und Rücksichtnahme das oberste Gebot. «Bei Begegnungen auf Wald- oder Feldwegen pariere ich mein Pferd in den Schritt, reite an den Wegrand, damit ein problemloses Kreuzen möglich ist, und versuche immer als Erster zu grüssen», sagt Michael Hässig. «Ausserdem bedanke ich mich, wenn jemand seinen Hund an die Leine nimmt oder sich zur Seite stellt.» Ein paar nette Worte wirken oft Wunder und lassen viele Spaziergänger ihre Meinung über die «hochnäsigen» Reiter überdenken. 

Für ein einträchtiges Neben- und Miteinander, nicht nur mit anderen Erholungsuchenden sondern auch mit der Natur, gibt es eine ganze Reihe von «ungeschriebenen Gesetzen», an die sich Reiterinnen und Reiter im Gelände halten sollten. So wird an Fussgängern grundsätzlich im Schritt vorbeigeritten. Befindet man sich in einer anderen Gangart, pariert man das Pferd mindestens 30 Meter vorher durch. Besondere Rücksicht empfiehlt sich bei Kindern, älteren Personen und Hunden. 

Ist man in einer Gruppe unterwegs, formt man eine Einerreihe und reitet hintereinander und mit genügend Abstand vorbei. Aus Sicherheitsgründen – auch für ihre Mitmenschen! – dürfen Reiter erst dann ins Gelände, wenn ihr Ausbildungsstand ihnen erlaubt, das Pferd auch in kritischen Situationen zu kontrollieren. Eine gute reiterliche Grundausbildung, umfassendes Wissen über das Pferd sowie eine intakte, gepflegte Ausrüstung sind die Voraussetzungen für faires und unfallfreies Reiten im Gelände.

Die Gangart des Pferdes muss stets den Bodenverhältnissen angepasst werden. Es sollte nur auf Wegen und Strassen geritten werden, niemals mitten durch den Wald und auch nicht querfeldein, wenn man dafür keine Bewilligung des Landeigentümers hat. Gebiete, die sehr dicht mit Spaziergängern bevölkert sind, sollen nach Möglichkeit gemieden werden, ebenso neu gekieste Wege, ausgeschilderte Wander- und Velowege sowie Lehrpfade. Der Vitaparcours ist für Ross und Reiter ebenso tabu wie Finnenbahnen und Golfplätze. Sind hingegen Reitwege explizit ausgeschildert, sind Pferdesportler verpflichtet, diese zu benutzen. Das Verkehrsschild «Fahrverbot» dagegen gilt nicht für Pferde. 

Auf Wegen bleiben, Schäden vermeiden
Nach starken Regenfällen sollte man auf das Bereiten von witterungsempfindlichen Wegen verzichten und einen Umweg in Kauf nehmen, wenn der Boden zu weich geworden ist. Kaltes Wasser ist zwar gesund für Pferdebeine, trotzdem gehören Pferde nicht in Feuchtbiotope und andere geschützte Gewässer. Auch Flussufer sind empfindlich und müssen geschont werden. In der Zeit von Anfang Oktober bis Ende März ist der Einstieg in Gewässer ganz zu vermeiden, denn in dieser Zeit laichen die Fische. Passiert man auf dem Ausritt Tore, Gatter oder Viehzäune, sind diese wieder zu schliessen, auch wenn man dafür absteigen muss. Wer Landschäden anrichtet, zum Beispiel weil ein Pferd gescheut hat oder durchgebrannt ist, meldet dies umgehend dem Landbesitzer, das Gleiche gilt für beschädigte Zäune. 

Es versteht sich ausserdem von selbst, dass jede Art von Wegesperrungen, Signalen, Hinweistafeln und Verbotsschildern auch von Reitern zu respektieren sind und die Gesetzgebung zu befolgen ist. Das gilt auch für die Beseitigung von Pferdeäpfeln in bewohnten Gebieten, die in einigen Schweizer Gemeinden bereits vorgeschrieben ist. Denn wie alle anderen Erholungsuchenden und Sporttreibenden sind auch Reiter nur zu Gast in der Natur. Verhalten sie sich aber korrekt und rücksichtsvoll, dann bereichert das Pferd die Landschaft.

In einer Broschüre hat der Pferdesportverband die wichtigsten Verhaltensempfehlungen zusammengefasst.