Herr Gfeller, was haben Delfine mit Pferden zu tun?
Reto Gfeller: Rolf Knie senior, den ich persönlich kannte, sagte einmal zu mir, dass jeder Pferdetrainer erst einmal erfolgreich mit Delfinen gearbeitet haben sollte. Denn bei Delfinen habe man kein Druckmittel, man müsse ihre freiwillige Kooperation gewinnen. Bei Pferden könne man viel zu viel mit mechanischen Mitteln machen und lasse dann deren Willen ausser Acht.

Das ist beim Delfin-Pferdetraining anders?
Gfeller: Ja. Die Grundidee besteht darin, beim Training primär den Willen der Pferde einzubeziehen. Das Pferd muss es selber wollen. So lernt es viel schneller und hat dabei Spass, genau wie die Trainerin oder der Trainer.
Chantal Karrer: Das ist ein wichtiger Punkt. Training sollte kein Stress, sondern ein Vergnügen sein. Statt Zwang gilt: Klappt etwas heute nicht, klappt es vielleicht morgen, aber auf jeden Fall in zwei Wochen.

Aber wie erreicht das Delfintraining, dass überhaupt etwas klappt?
Gfeller: Unser Konzept basiert auf drei Säulen: Gelassenheit, Leadership und Kommunikationsablauf.

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Delfintraining in der Praxis. 

 

Pferde brauchen also auch bei Ihrer Methode Führung?
Gfeller: Das ist der Unterschied zu Delfinen. Pferde brauchen eine klare Linie, einen Leader, der ihnen Sicherheit gibt. Die Verhältnisse müssen geklärt sein. Das Pferd muss den Menschen zum Leader wählen.

Und was ist unter dem Kommunikationsablauf zu verstehen?
Karrer: Die Kommunikation ist das Fundament der Zusammenarbeit und muss präzise sein, sodass das Pferd den Menschen gut versteht. Deshalb verwenden wir dazu einen präzisen Ablauf.

Was passiert, wenn das Pferd diesen Ablauf beziehungsweise Sie ignoriert?
Karrer: Dann üben wir einen sanften Nachdruck aus. Zum Beispiel durch Touchieren. Eine Aufgabe endet aber immer mit etwas Positivem in Form einer Belohnung.

Wie sieht diese aus?
Karrer: Eine Belohnung kann aus verschiedenen Facetten bestehen: Lob mit der Stimme, wobei der Tonfall fast wichtiger ist, als die Worte; Streicheln; Kraulen; mit dem Pferd sein Lieblingsspiel spielen oder natürlich Futterlob.

Besteht dadurch nicht die Gefahr einer Kuschelkultur?
Gfeller: Diese Befürchtung ist immer wieder zu hören. Es stimmt: Mit Kuscheln und Futter erreicht man nicht, dass das Pferd den Menschen zum Leader wählt. 

Sondern?
Gfeller: Mit Bestimmheit und Verstandenwerden. Ich halte es auch hier mit Fredy Knie senior, der sagte, dass nur schon kein Lob eine Strafe sei. Ich finde es unfair, Druck zu machen und ihn dann bloss zu entfernen, wenn das Gewünschte eintritt. Jede Leistung verdient ein Lob, auch wenn etwas Druck nötig war: Nach erfolgreicher Ausführung kommt stets eine Belohnung.

Ein weiterer Kritikpunkt lautet, dass Pferde etwas nicht für Goodies machen sollen.
Gfeller: Im Delfin-Training erreichen wir, dass das Pferd uns gefallen will. Wenn es erkennt, was uns gefällt, dann macht es das Gewünschte von sich aus.

Gibt es dafür ein konkretes Beispiel?
Karrer: Einige Halter haben Probleme, Pferde in einen Anhänger zu bekommen, und versuchen dann, das Pferd gegen seinen Willen zu zwingen. Wenn das Pferd aber selber in den Hänger will, dann geht es von sich aus hinein. Mancher Pferdebesitzer wird bei diesem Satz denken: Schön wär’s! Doch schauen Sie sich dazu ein Video auf unserer Website an.

Bleibt noch die Säule Gelassenheit. Wie trainiert man diese Fähigkeit?
Karrer: Wir gewöhnen Pferde gezielt an Dinge, vor denen untrainierte Pferde in Panik geraten würden. Sie verlieren schrittweise die Angst vor Lärm, Berührungen, schnellen Bewegungen, dem Verkehr – und werden immer cooler. Mit der Zeit sind sie fast vierbeinige Lebensversicherungen. 

Sie haben sich 2016 unter dem Namen «delfin-horsetraining.ch» zusammengeschlossen. Wie kam es dazu?
Gfeller: Ich habe bereits in den 1980er-Jahren mit dieser Methode angefangen. Ich suchte Partner, die mich ergänzen und fand sie in Chantal Karrer und Mirjam Dunkel. Unser gemeinsamer Nenner ist: Wir möchten Pferde so behandeln, wie wir als Pferde behandelt werden möchten. 

Wen wollen Sie mit den Kursen ansprechen?
Gfeller: Die erste Zielgruppe sind Freizeitreiterinnen jeder Altersklasse. 
Karrer: Aber auch Spring- oder Dressurreiter können von unserem Angebot profitieren. Schliesslich geht es immer darum, dass Pferde sich bei ihrem Halter sicher fühlen. Und es ist eine tolle Abwechslung für Pferd und Reiter, die beiden Spass macht.

Kommen nur bestimmte Pferde infrage?
Karrer: Nein. Wir trainierem auch mit Ponys oder mit älteren Pferden. Die Abwechslung hält sie jung.

Ihr Konzept beruht auf dem sogenannten Blended Learning. Was bedeutet das?
Gfeller: Unsere Ausbildung beinhaltet computerunterstütztes Lernen. Man lernt bereits zu Hause die Theorie auf dem Computer oder Smartphone und wendet sie dann mit seinem Pferd in einem Praktikum mit einem von unseren Trainern an.
Karrer: Das ist ein sehr gutes didaktisches Konzept. Ich war früher bei zahlreichen Kursen verschiedener namhafter Pferdetrainer, wusste aber nie so recht, was mich an den Kurstagen erwartet. Das ist bei uns anders, was weniger Stress für das Pferd und den Menschen bedeutet.

Was vermittelt das E-Learning?
Karrer: Man lernt anhand von Lernvideos die Theorie, zum Beispiel, wie man ein Pferd dazu kriegt, dass es den Menschen zum Leader wählt. Dazu gibt es übrigens einen kostenlosen Minikurs, wenn man sich auf unserer Homepage registriert.

Welche Kurse gibt es noch?
Karrer: Obligatorisch ist zunächst der Basiskurs, bei dem es unter anderem um den Grundrespekt, das Abbauen von Stressreaktionen wie der Angst vor einem Gegenstand, den Kommunikationsablauf und einfaches Longieren mit dem Kommando «hier», bei dem das Pferd kommt, geht.
Gfeller: Danach steht die Tür für weitere Kurse offen. Die Themen sind: Verladetraining, Zirkuslektionen, Trainieren mit mehreren Pferden oder freies Reiten ohne Sattel, Zaumzeug und Halsring. Es ist übrigens auch möglich, uns für einen Demotag, Shows und Vorträge zu buchen.

 

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Zu den Personen

Chantal Karrer (Bild) 
Die 41-Jährige ist seit über drei Jahrzehnten dem Reiten ver-fallen. In ihrer Freizeit gibt sie Privatstunden und Kurse für Menschen, die gerne an sich arbeiten, damit die Kommuni-kation zwischen ihnen und ihrem Pferd besser wird.

Reto Gfeller 
Der 67-Jährige machte seine ersten öffentlichen Vorführungen mit Pferden ab 1985. Seine Showeinlagen bestanden aus Akrobatik und Freiheitsdressur. Inspiriert von Fredy Knie senior entwickelte er das Konzept des Delfintrainings.