Eine Mitteilung der Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu von Ende Mai liess aufhorchen: Laut einer aktuellen Hochrechnung gibt es in der Schweiz jedes Jahr rund 8000 Reitsportverletzte. In fast 3000 Fällen sind Mädchen unter 17 Jahren betroffen. «Reiten ist damit für Mädchen eine der gefährlichsten Sportarten überhaupt», schreibt die bfu. Gemäss den Unfallverhütungs-Spezialisten lässt sich das Verletzungsrisiko durch vertiefte Kenntnisse im Umgang mit Pferden und mit einer fundierten Reitausbildung senken – aber auch mit weiteren Sicherheitsvorkehrungen wie einer gut schützenden Reitausrüstung. 

«Viele Kopfverletzungen lassen sich mit einem normengerechten und gut passenden Reithelm vermeiden. Auch die restliche Ausrüstung des Reiters und des Pferdes sollten den Sicherheitsanforderungen entsprechen. Empfohlen werden nebst dem Helm: hohe Reitstiefel mit flacher Sohle und einem Absatz, anliegende Reithosen, Reithandschuhe sowie eine gut sitzende Schutzweste gegen Rumpfverletzungen», heisst es in der bfu-Meldung. 

Wie die Reithelme haben Schutzwesten im vergangenen Jahrzehnt eine grosse Entwicklung durchlaufen. Unbequem war früher und die Westen sehen nicht mehr aus wie zu gros­se Schildkrötenpanzer. Heute gibt es anatomisch geformte Rückenprotektoren, die nicht einmal unter dem Turniersakko auftragen, und Sicherheitswesten, die den gesamten Oberkörper schützen, aber trotzdem volle Bewegungsfreiheit auf dem Pferd erlauben. Im Handel sind sogar Airbag-Westen erhältlich, die sich bei einem Sturz in Sekundenbruchteilen mittels einer Gaskartusche aufblasen und den Reiter schützen, wenn er am Boden aufprallt.    

Schützender Schaumstoff
Allen Sicherheitswesten ist eines gemeinsam: Sie können Verletzungen nicht vollständig verhindern, aber in den meisten Fällen deren Schweregrad deutlich mindern. Für Kinder, Jugendliche und bei risikoreichen Aktivitäten mit dem Pferd wie Springen oder rasanten Geländeritten sind sie daher unbedingt zu empfehlen. Im Cross an Concours-Complet-Turnieren ist der Körperschutz für die Teilnehmenden obligatorisch, in den anderen Disziplinen ist sein Tragen aus Sicherheitsgründen ebenfalls gestattet.

Das «Innenleben» der am häufigsten verwendeten Oberkörper-Schutzwesten besteht aus speziellem, festem, aber gleichzeitig flexiblem Schaustoff. Dieser verteilt und absorbiert bei einem Tritt oder Sturz vom Pferd einen Teil der Aufprallenergie und schützt damit verletzungsgefährdete Körperteile wie Wirbelsäule, Brustkorb, Schulterblätter und Schlüsselbeine. Durch neue Verfahren der Kunststoff-Herstellung und -Verarbeitung sind die Westen besser und immer leichter geworden. 

Die Schaumstoffe werden in unterschiedlich dicken Lagen verarbeitet. Wird nur eine einzige dicke Schicht verwendet, ist die Weste sperriger, der Tragekomfort dementsprechend weniger gut als bei der Verarbeitung mehrerer dünnerer Schichten, die sich besser an die Körperform anpassen. Das erklärt auch die grosse Preisspanne: Je nach Design, Material und Verarbeitung kosten die günstigeren Modelle im Reitsportfachhandel 100 bis 400 Franken. Reine Rückenprotektoren, wie man sie auch aus dem Winter- oder Motorradsport kennt, sind günstiger, sie schützen aber nur die Wirbelsäule vor Schlägen und Stössen. 

Die Passform ist entscheidend
Wie für Reithelme gibt es auch für die Oberkörper-Schutzwesten eine europäische Norm: EN 13158, Level 3, entspricht dem höchsten Sicherheitsstandard, nach dem heute die meisten in der Schweiz verkauften Westen zertifiziert sind.

Die meisten Modelle werden vorne mit einem Reissverschluss geschlossen und verfügen über Klettbänder im Schulter- und Taillenbereich, mit denen die Passform justiert werden kann. Durchdachte Details wie Armausschnitte für die Bewegungsfreiheit oder ein elastisches, offenmaschiges Obermaterial, das eine gute Luftzirkulation ermöglicht, erhöhen den Tragkomfort. 

Die volle Schutzwirkung kann eine Weste nur entfalten, wenn sie optimal passt. Sie sollte eng am Körper anliegen, auf zu dicke Pullis oder Jacken darunter sollte man verzichten. Beim Kauf muss man darauf achten, dass die Weste den gesamten Torso abdeckt: Das Vorderteil sollte am Hals über das Brustbein reichen und die untere Kante unterhalb der Rippen enden, also ungefähr auf Höhe des Bauchnabels. Im Rücken sollte die Weste vom Nacken bis über den Beckenrand reichen, allerdings darf sie nicht so lang sein, dass sie bei aufrechtem Sitz den hinteren Sattelrand berührt. 

Da die diversen Marken und Modelle vom Schnitt her sehr unterschiedlich ausfallen, ist es von Vorteil, die Schutzwesten in einem Reitsportfachgeschäft anzuprobieren und dabei auch gleich von fachlich kompetenter Beratung zu profitieren. Im Gegensatz zu Reithelmen, die man nicht gebraucht kaufen sollte, weil man ihre Sturz-Vorgeschichte nicht kennt, ist das bei gepflegten, gut erhaltenen Sicherheitswesten aus zweiter Hand kein Problem. Allerdings sollte man vor dem Kauf auf eine Anprobe bestehen.