Viele Pferde haben Holz zum Fressen gern. Das ist erst einmal nicht besorgniserregend, denn auch Pferde in freier Wildbahn naschen regelmässig Rinde und Äste. «Allerdings kommt es immer wieder vor, dass Pferde im Stall oder auf dem Paddock übermässig viel Holz knabbern und dann zum Teil ziemliche Schäden anrichten», sagt die Tierärztin und Verhaltensmedizinerin Ruth Herrmann. Warum Pferde Zäune, Trennwände und Co. zu Spänen raspeln, liesse sich nicht generell beantworten. «Bei der Ursachensuche muss man immer den Einzelfall anschauen, oft kommen auch mehrere Faktoren zusammen.» Ein häufiger Grund: Das Pferd bekommt nicht genug Raufutter und/oder hat zu lange Fresspausen. Und da sein gesamter Organismus darauf eingerichtet ist, bis zu 16 Stunden pro Tag mit der Nahrungsaufnahme zu verbringen, versucht es naturgemäss einen Ausgleich zu finden.

Ursache Nummer zwei: Langeweile, etwa weil es an Auslauf oder Sozialpartnern zum Spielen und zur Fellpflege mangelt. «So ein Problem muss gar nicht immer chronisch sein», erzählt Herrmann. Sie erinnere sich noch daran, dass ihre Offenstallpferde in einer Periode mit sehr schlechtem Wetter offenbar nicht recht wussten, wohin mit ihrer Energie. «Die haben dann an einem Tag gemeinschaftlich einen Pfosten zerlegt», berichtet die Expertin, die in Olten SO eine Praxis für Verhaltensmedizin führt. Ein anderer möglicher Auslöser ist Stress, verursacht zum Beispiel durch einen ungeeigneten Boxennachbarn.

Manchmal hört man, der übermässige Hunger auf Holz könnte auch ein Indiz für einen Nährstoffmangel sein. Holznagen könne aber keinem spezifischen Mangel zugeordnet werden. Eine genauere Abklärung durch einen Tierarzt ergebe Sinn, sofern noch andere Veränderungen sichtbar seien oder ein Pferd nicht ganz fit wirke. Es lohne sich aber in jedem Fall, Haltung, Beschäftigung und Fütterung kritisch zu prüfen, rät Herrmann.

Äste als Knabberspielzeug
Nach der Devise «Vorbeugen ist besser als Heilen» sollte man im Idealfall dafür sorgen, dass das Pferd erst gar keinen ungesunden Appetit auf die Holzbalken im Stall entwickelt. Denn ist das Verhalten erst einmal etabliert, ist es oft sehr schwierig, es wieder abzustellen, selbst wenn man dann die möglichen Ursachen behebt und geeignete Alternativen anbietet.

Ein weiteres Problem: «Beim Holzknabbern setzen Pferde ihre Schneidezähne auf und reissen dann ein Stück ab», sagt Ruth Herrmann. Diese Bewegung könne eine Vorstufe des Koppens sein, eine Verhaltensstörung, die das Öffnen des Schlundkopfes durch Anspannen der unteren Halsmuskulatur bezeichnet. «Viele Kopper zeigten vorgängig ausgeprägtes Holznagen.» Macht sich das Pferd nicht über Naturhölzer, sondern über imprägniertes oder gestrichenes Holz her, kann das auch auf den Magen schlagen.

Zu den vorbeugenden Massnahmen gehört eine artgerechte Haltung mit reichlich Auslauf, am besten in abwechslungsreichem Gelände, und einem guten Herdenmanagement. Ausserdem sollten Pferde reichlich hochwertiges Heu bekommen, am besten in einem engmaschigen Heunetz oder einer speziellen Raufe serviert, sodass sich die Fresszeit verlängert. Zum Knabbern und Zeitvertreib kann man dem Pferd regelmässig frische, nicht gespritzte und ungiftige Äste, unter anderem Birke, Buche und Obstgehölze, sowie spezielles Knabber- oder Futterspielzeug anbieten. Ausserdem gut gegen Langeweile ist ein abwechslungsreiches Trainingsprogramm.

An besonders heiklen Stellen wie hervorstehenden Kanten in Kopfhöhe empfiehlt die Tierärztin, das Holz mit aufschraubbaren Metallblechen oder stabilen, engmaschigen Gittern zu schützen. So vermeidet man im besten Fall nicht nur teure und zeitaufwendige Renovierungsarbeiten, sondern auch, dass aus einem kleinen Knabbervergnügen eine ungute Marotte wird. «Ich kenne aber auch einen Stall, bei dem die Abtrennungen zwischen den Ausläufen aus ungeschälten Baumstämmen bestehen», sagt Herrmann. «Der Stallbesitzer hat das Benagen schon eingerechnet und wechselt einen zu stark abgenagten Stamm dann einfach aus.»