Bei der Great Yorkshire Show in Nordengland wurden im Juli acht erwachsene Reiter gebeten abzusteigen, weil sie für die Ponys im Abreitring schlichtweg zu schwer waren. In Zukunft, so kündigte das Komitee an, sei es denkbar, dass Reiter, die mehr als 20 Prozent des Gewichts ihres Pferdes auf die Waage bringen, vom Turnier ausgeschlossen werden. Die 20-ProzentGrenze, die unter Experten als absolute Obergrenze gilt, bedeutet in der Praxis zum Beispiel, dass der Reiter eines 350 Kilogramm schweren Ponys nicht mehr als 70 Kilogramm wiegen darf, bei einem 560 Kilogramm schweren Pferd läge das Gewichtslimit für den Reiter bei 112 Kilogramm.

«Normalerweise gilt als Faustregel ein Verhältnis von eins zu sieben und demnach sollte der Reiter auf einem 560-Kilo-Pferd nicht mehr als 80 Kilogramm wiegen», sagt Anne Hoffmann, Pferdeosteopathin vom Deutschen Hippologischen Institut. Die Aktion in Great Yorkshire kam bei den Zuschauern auf jeden Fall gut an. Nicht umsonst, denn ein im Verhältnis zu schwerer Reiter behindert das Pferd ganz ähnlich wie uns ein viel zu schwerer Rucksack bei der Bergtour – es kommt schneller aus der Puste und verliert leichter das Gleichgewicht.

Pferde, die zu viel tragen, neigen oft zum Stolpern, zeigen keine korrekte Anlehnung, treten nicht unter den Schwerpunkt und weichen den Hilfen aus. Langfristig kann ein ungünstiges Gewichtsverhältnis gravierende gesundheitliche Folgen haben, darunter krankhafte Veränderungen der Wirbelkörper, Schrumpfung der Rückenmuskulatur und Sattel- und Gurtdruck.

Wer gut sitzt, darf schwerer sein
Einige Rassen wie Isländer und Norweger haben den Ruf «Gewichtsträger» zu sein. Doch ob ein Pferd auch ein paar Kilogramm mehr im Sattel vertragen kann, hängt viel weniger von seiner Rasse, als vom Individuum und vom Ausbildungsstand ab. In der Regel haben fertig ausgebildete, gut bemuskelte Pferde mit einem eher quadratischen Körperbau und einer steilen Schulter- und Beckenkonfiguration ein höheres Tragpotenzial. Besonders vorsichtig sollte man dagegen bei jungen, wenig trainierten, übergewichtigen oder gesundheitlich angeschlagenen Vierbeinern sein.  

«Wie viel ein Pferd tragen kann, hängt aber auch von der Disziplin und nicht zuletzt vom Können des Reiters ab», sagt Hoffmann. Ein schwerer guter Reiter, der in der Balance sitzt, ist angenehmer für das Pferd als ein Leichtgewicht, das dem Pferd dauernd in den Rücken fällt. Auch die Proportionen und die Beweglichkeit des Reiters spielen eine Rolle. Bei sehr starkem Übergewicht sei die Beweglichkeit naturgemäss eingeschränkt, erklärt Anne Hoffmann, die auch eine Ausbildung zur Physiotherapeutin abgeschlossen hat. Zehn überflüssige Kilos seien an sich kein Drama, aber wenn sie vor allem an den Oberschenkeln sitzen, werde es schwierig, wenn der Reiter ein Pferd mit eher tonnigem Rumpf umschliessen solle. Dasselbe Problem trete aber auch bei zarten, kleinen Menschen auf Kaltblütern auf.

Um den Sitz zu verbessern, empfiehlt die Expertin, die gerade und schräge Bauchmuskulatur zu stärken und die innere und hintere Oberschenkelmuskulatur zu dehnen. Die Mittelpositur lasse sich hervorragend durch Bauchtanz mobilisieren. Alternativ hilft es auch, auf einem Gymnastikball mit 65 Zentimeter Durchmesser bei aufrechtem Oberkörper zu kreisen.

Ist das Gewichtsverhältnis nicht ideal, sollte man dem Pferd ausreichend Erholungspausen gönnen, also auf längeren Ausritten zwischendurch absteigen und führen. Fahren, Bodenarbeit, zirzensische Lektionen sowie Training an der Doppellonge oder am langen Zügel können gute Beschäftigungsalternativen an reitfreien Tagen sein. Auf sehr leistungsintensive Disziplinen wie Springen, Vielseitigkeit, Distanzreiten und Galopprennen sollten Reiter, die etwas zu schwer für ihr Pferd sind, möglichst ganz verzichten.