Nachzucht statt Wildfang
Nachzucht exotischer Tiere hat im Vergleich zum Wildfang Vorteile
Die Lorica AG ist in der Schweiz einzigartig. Auf über 1000 Quadratmetern werden in naturnahen und grosszügigen Terrarien Reptilien, Insekten, Spinnen und Amphibien für die Terraristik gezüchtet. Gründer und CEO Simone Piovan erklärt, warum so eine Zucht dringend nötig war.
Herr Piovan, Sie haben 2011 die Lorica AG gegründet. Wie entstand die Idee?
Als ich hobbymässig mit der Terraristik angefangen habe, habe ich den Import von Wildfängen hautnah miterlebt. Da ist mir bewusst geworden, wie schlimm die ganze Sache tatsächlich ist. 80 Prozent der Tiere sterben beim Transport. Damals wurden auch in den Zoofachgeschäften viele Wildfänge verkauft. Fabian Boffa, der heutige CEO der Qualipet AG, war sich ebenfalls des Problems bewusst und kam deswegen auf mich zu. Zusammen haben wir die Lorica AG gegründet. Unsere Philosophie ist das Tierwohl.
Was ist der Vorteil von Nachzuchten gegenüber von Wildfängen?
Das Stresslevel bei Wildfängen ist riesig. Sie haben einen Fluchtinstinkt und wollen weg vom Menschen. Zudem haben sie oft Innen- und Aussenparasiten. Nachzuchten dagegen werden in Terrarien geboren und kennen nichts anderes.
Konnten Sie mit Lorica ein Umdenken erreichen?
Man war sich nie bewusst, dass Wildfänge ein grosses Problem sind. Wir haben geschafft, das zu verändern. In der Schweiz gibt es heutzutage fast nur noch Nachzuchten zu kaufen. Es war aber nicht immer einfach. Es hat denen, die Wildfänge verkauft haben, nicht gepasst, dass wir Alternativen gezeigt haben. Jetzt habe ich zum Glück schon lange keinen Drohbrief mehr erhalten.
Wie viele Tiere züchten Sie pro Jahr?
Wir züchten Reptilien, Spinnen, Insekten und Skorpione, um die sich ausgebildete Tierpfleger kümmern. Momentan haben wir etwa 2500 Tiere in 150 Arten, die in 1400 Terrarien leben. Das sind alles Arten, die sich gut zur Haltung im Terrarium eignen. Zudem haben wir eine Ausstellung und einen Laden mit Terrarienzubehör, in dem wir die Leute beraten. Die Lorica AG ist ein Herzensprojekt. Wenn ich geldgierig wäre, hätte ich etwas anderes gemacht, denn die Reptilienzucht ist nicht rentabel.
Gibt es Menschen, die sich dennoch ein ganz seltenes Tier wünschen?
Wenn sich jemand ein Tier wünscht, das es nur als Wildfang gibt, machen wir da nicht mit. Stattdessen zeigen wir Alternativen an Nachzuchten auf, die auch schön und interessant sind.
Wie gehen Sie sicher, dass die Exoten in gute Hände gelangen?
Wir verkaufen unsere Tiere an Zoofachgeschäfte, aber auch an Privatpersonen. Allerdings nicht an jeden. Wir haben auch schon jemanden nach Hause geschickt, wenn wir gemerkt haben, dass sich ein Interessent vorher nicht ernsthaft Gedanken gemacht hatte. Ein Tier geben wir nur mit, wenn wir wissen, dass zu 100 Prozent alles stimmt. Wir beraten die Leute ausführlich und informieren sie. Nachkontrollen sind Sache der Behörden.
Sind Exoten schwieriger in der Haltung als Hund, Katze oder Meerschweinchen?
Nein, solange man sich damit auseinandersetzt, was eine Tierart braucht. Ich kann auch einen Hund oder eine Katze falsch halten. Ich persönlich finde gewisse Exoten fast einfacher, denn vom Zeitaufwand her ist es nicht so anspruchsvoll. Vor allem in unserer heutigen Zeit, wo wir durch unseren Lebensstil immer so beschäftigt sind. Mit einem Hund dagegen muss ich immer rausgehen.
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Welche Tierarten empfehlen Sie Anfängern?
Es gibt tatsächlich einfacher zu haltende Arten wie Bartagame oder Königspython. Dennoch ist es immer gefährlich, von «einfachen» Tieren zu sprechen, denn die Eckpunkte wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit müssen bei jeder Tierart gegeben sein. Wenn man sich zudem denkt, dass die Art ja einfach zu halten ist, dann fehlt irgendwie das Herzblut, das es braucht, um sich langfristig darum zu kümmern.
Welche Tierart ist bei Ihnen die beliebteste?
Eines der beliebtesten Tiere ist die Zwergbartagame. Das sind geniale Tiere, an denen man lange Freude haben wird. Ich würde behaupten, dass sie vom Wildtier zum Haustier werden. Wenn man die Tür aufmacht, kommen sie, um zu schauen, was passiert, und manche Tiere klettern sogar am Arm hoch.
Was ist die Motivation von Menschen, sich Echsen, Schlangen und Co. im Wohnzimmer zu halten?
So wie es Fussballfans oder Hündeler gibt, so gibt es auch Menschen, die gerne Reptilien haben. Jeder Mensch ist ein Individuum und hat eigene Interessen. Mein Sohn und meine Tochter sind gleich erzogen worden und haben dennoch unterschiedliche Hobbys. In der Schweiz gibt es etwa 400 000 Reptilienhalter.
Kann man zu einem Reptil oder einer Spinne eine Beziehung aufbauen?
Jeder, der bei der Lorica AG gearbeitet hat, weiss, dass es möglich ist, eine Beziehung aufzubauen. Auch Reptilien haben ihren eigenen Charakter. Es gibt scheuere und frechere Individuen. Aber es sind keine Streicheltiere, sondern solche, die man bewundern kann, vor allem in einem schön eingerichteten und natürlichen Terrarium.
Was braucht es, damit ich eine gute Exotenhalterin werde?
Ich finde es wichtig, dass es ein Herzenswunsch ist, so ein Tier zu halten. Wir schauen auch mit Interessierten zusammen, welches Tier überhaupt zu ihnen passt. Manche wollen zum Beispiel einen Gecko, wissen aber nicht, dass er nachtaktiv ist. Ohne die richtigen Informationen haben die Leute nicht lange Freude an ihrem Tier. Und wenn der Halter keine Freude hat, geht es auch dem Tier nicht gut.
Haben Sie Tipps, wie ich als Käuferin sichergehen kann, dass es sich um einen seriösen Verkäufer handelt?
Wenn man sich über eine Tierart informiert, muss man den Quellen zu einhundert Prozent vertrauen können. Zudem muss ich darauf achten, ob es beim Kauf nur um das Geld oder wirklich um das Tier geht. Ist zum Beispiel das Terrarium, was mir angeboten wird, gross genug? Käufe im Internet sind gefährlich, denn dort habe ich keine Beratung und weiss nicht, wo das Tier wirklich herkommt. Auch im Zoofachhandel muss man genau hinschauen. Ein gutes Zoofachgeschäft weiss, dass es einen Herkunftsnachweis haben muss, damit man sieht, ob es sich bei den Tieren um Nachzuchten handelt.
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