Um es gleich vorwegzunehmen: Spitzmäuse sind keine Mäuse, sondern gehören zur Familie der Insektenfresser. Somit sind ihre nächsten Verwandten der Igel und der Maulwurf. In der Schweiz sind neun Arten heimisch. Zu den Spitzmäusen gehören auch die einzigen giftigen Säugetiere der Schweiz: die Wasser- und die Waldspitzmaus. Sie produzieren in einer unter der Zunge liegenden Giftdrüse ein Sekret, welches ihre Beute lähmt und tötet. Für den Menschen ist das Gift jedoch höchstens schmerzhaft, ansonsten harmlos.

Hoher Energiebedarf

Spitzmäuse haben eine hohe Stoffwechselrate, das heisst, sie verbrauchen für ihre kleine Körpergrösse viel Energie. Etwa 2000 Käfer von fünf Millimetern Länge muss eine Waldspitzmaus pro Tag fressen, um ihren Energiebedarf zu decken. Tatsächlich ist ihr Nahrungsspektrum sehr breit und Regenwürmer spielen darin eine wichtige Rolle. Entsprechend lebt die Waldspitzmaus hauptsächlich unterirdisch, wo sie Jagd auf ihre bevorzugte Beute macht. Gelegentlich wird der Speiseplan durch ölhaltige Samen bereichert. Das Leben von Spitzmäusen ist kurz und intensiv. Waldspitzmäuse werden in freier Natur maximal 18 Monate alt, die meisten sterben jedoch schon viel früher.

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Umso eiliger haben sie es mit der Reproduktion. Die Tragezeit eines Weibchens beträgt gerade einmal 20 Tage, nach denen sie fünf bis neun Junge zur Welt bringt. Innerhalb einer Saison, zwischen März und September, schafft ein Weibchen bis zu fünf Würfe. Das liegt unter anderem auch daran, dass die Jungtiere nach einer kurzen Säugezeit von knapp drei Wochen bereits selbstständig sind.

Schrumpfen im Herbst

Ihre Hauptbeschäftigung besteht danach darin, ein Territorium zu finden und zu verteidigen sowie sich einen Fettvorrat für den Winter anzufressen. Denn die Zeit wird knapp und die kalte Jahreszeit ist hart. Entgegen der landläufigen Vermutung halten Spitzmäuse keinen Winterschlaf. Obwohl sie sich primär von wirbellosen Tieren ernähren, gibt es auch im Winter durchaus noch Beutetiere für die kleinen Säuger. Um den Nahrungsbedarf trotzdem zu reduzieren, hat die Waldspitzmaus einen besonderen Trick: Sie stellt am Ende des Jahres ihr Wachstum nicht nur ein, sondern schrumpft sogar. Die wichtigsten Organe verlieren an Gewicht und Volumen, die Wirbel verkürzen sich und sogar auch der Schädel wird kleiner. Somit vermindert sich natürlich der Energiebedarf des Tieres deutlich. Im Frühjahr wächst die Waldspitzmaus dann wieder und erreicht zur Geschlechtsreife ihre volle Grösse von bis zu neun Zentimetern und einem Gewicht von bis zu dreizehn Gramm.

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Der stärkste Konkurrent der Waldspitzmaus ist die Schabrackenspitzmaus. Während die Waldspitzmaus in allen Gebieten über 1000 Metern über Meer vorkommt, besetzt die Schabrackenspitzmaus die Regionen in den Ebenen, insbesondere des Mittellandes. Die Schabrackenspitzmaus ist der Waldspitzmaus sehr ähnlich und von dieser optisch kaum zu unterscheiden. Auch in der Lebensweise ähneln sich Wald- und Schabrackenspitzmaus sehr. Die wichtigsten Feinde beider Arten sind Eulen, deshalb bevorzugen die Tiere eine konstante Bodenbedeckung, unter der sie sich verstecken und bewegen können.

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In der Nähe von Siedlungen verdrängt meistens die Hausspitzmaus die Schabrackenspitzmaus. Sie ist sowohl tag- als auch nachtaktiv, mit rund einem Dutzend Aktivitätsphasen, die durch Ruhephasen im Nest unterbrochen werden. Im Gegensatz zu den sonst so territorialen anderen Spitzmäusen sind Hausspitzmäuse gerade während der kalten Jahreszeit durchaus sozial verträglich und nutzen gelegentlich gemeinsame Nester. Die relative Nähe zum Menschen verschafft der Hausspitzmaus den Vorteil, dass sie gerade im Winter von schützenden Strukturen rund um Haus und Hof profitiert. Im Kompost, einem Hühnerstall oder schon nur entlang einer Hausmauer ist es oft wesentlich wärmer als in der freien Natur, was die Überlebenschance der kleinen Tiere erhöht.

Angepasste Winzlinge

Mit einem Gewicht von gerade einmal 2,5 bis 5 Gramm ist die Zwergspitzmaus das kleinste Landsäugetier in der Schweiz. Die Zwergspitzmaus teilt ihren Lebensraum mit der Waldspitzmaus, jagt jedoch vorwiegend auf der Bodenoberfläche und gräbt weniger. Ihr Nest befindet sich deshalb meistens unter einem Baumstamm versteckt und nicht in einem selbst gegrabenen Tunnel. Entsprechend findet man auf ihrer Speiseliste kaum Regenwürmer, dafür Spinnen, Weberknechte und Käfer.

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Im Vergleich zur Zwergspitzmaus ist die Wasserspitzmaus eine imposante Erscheinung. Mit einer Länge von bis zu zehn Zentimetern und einem Gewicht von bis zu neunzehn Gramm gehört sie zu den grössten Spitzmäusen der Schweiz. Wie ihr Name schon andeutet, ist sie stark an das Leben im und am Wasser angepasst. Unter anderem besitzt sie eine Reihe harter Härchen entlang der Schwanzunterseite, die eine Art Ruder bilden. Auch die Füsse sind von starren Härchen gesäumt und bilden so regelrechte Schwimmflossen. Die Wasserspitzmaus jagt nach wirbellosen Wassertieren und kann 50 Zentimeter tief tauchen. Dabei hält sie bis zu 20 Sekunden lang die Luft an. Ihre Territorien verteidigen die Wasserspitzmäuse denn auch vehement gegen Konkurrenten. Lediglich zur Paarungszeit treffen sich Männchen und Weibchen kurz, um danach wieder ein einzelgängerisches Leben zu führen. Für Romantik ist im Spitzmausleben keine Zeit. Viel zu stressig ist die ständige Suche nach Nahrung und der Kampf ums Überleben im harten Winter.

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