Ein hübsches Fotomotiv würden die beiden nur wenige Tage alten Zebu-Kälbchen abgeben! Doch die Möglichkeit, sich den zwei jüngsten Herdenmitgliedern zu nähern, ja sie nur schon richtig zu Gesicht zu bekommen, bietet sich nicht. Schützend haben alle Kühe einen Kreis um die Nesthäkchen gebildet und schirmen sie hermetisch ab. «Das ist typisches Zebu-Verhalten, denn ihr Herdeninstinkt ist sehr ausgeprägt», weiss Christoph Jakob vom Berchtoldshof in Bätterkinden BE. Er ist der Besitzer dieser 70 Tiere umfassenden Zebu-Herde.

Neben den noch stark vorhandenen Ur-Instinkten sind ihre Genügsamkeit, die robuste Gesundheit, eine sehr gute Hitzeverträglichkeit und natürlich ihr spezielles Aussehen mit einem Höcker auf dem Rücken, langen, starken Hörnern und den besonderen Farbschlägen typisch für die Buckelrinder. Dass sich diese Tiere deutlich von den bei uns heimischen Rinderrassen unterscheiden, ist auf ihre Herkunft zurückzuführen. Zebus (Bos indicus) stammen von einer anderen Unterart des Auerochsen ab als europäische Rinder (Bos taurus). Sie wurden vor rund 10 000 Jahren auf der indischen Halbinsel domestiziert und gelangten von dort nach Afrika, Australien, Mittel- und Latein-amerika.

Die Tropenrinder sind das Wahrzeichen des afrikanischen Inselstaates Madagaskar. In der dortigen Kultur und Religion nehmen sie einen sehr wichtigen Stellenwert ein. Für die Inselbewohner sind sie ein Prestigeobjekt und die Grösse einer Herde weisst auf den Reichtum des Besitzers hin. Selbst aus dem sportlichen Bereich sind die Zebus nicht wegzudenken. Der Nationalsport Madagaskars nennt sich «Savika» und ist mit dem Stierkampf vergleichbar. Im Inselstaat wird zudem der Zebu-Raub praktiziert, eine Mutprobe zur Bestätigung der Männlichkeit.

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Unbekannt und deshalb unpassend

Weltweit existieren rund 600 verschiedene Zebu-Rassen. In der Schweiz ist allerdings nur ein Bruchteil dieses Rassenspektrums anzutreffen. Am weitesten verbreitet ist das Zwergzebu, daneben sind hier einige der grossrahmigeren Nelore-Zebus heimisch und vor kurzem wurde ein Zuchtstier aus der Brahmas-Linie aus Deutschland importiert.

20 Jahre ist es her, seit die ersten Zebus aus Deutschland in die Schweiz kamen. Heute sind sie auf 30 bis 40 Betrieben anzutreffen. Bei Mutterkuh Schweiz waren in der letzten Erhebung 2020 insgesamt 158 Kühe registriert, Stiere gibt es momentan zirka 26 Stück. Nur fünf Zebu-Halter besitzen grössere Herden. Diese Tiere machen etwa zwei Drittel der Gesamtpopulation hierzulande aus, weiss Christoph Jakob. Vor ziemlich genau zehn Jahren zogen bei ihm auf dem Berchtoldshof die ersten sechs Zebu-Kühe mit jeweils einem Kalb sowie ein Stier ein. Die kleine Herde erwarb der Landwirt in Trimbach SO vom Hof Horn.

Der Familienbetrieb in Bätterkinden arbeitete bis dahin mit Milchkühen. Eine Umstellung auf Mutterkühe war angedacht. «Ich suchte allerdings eine Rasse, die sonst kaum jemand hat», berichtet der geschäftige Betriebsführer. Die Wahl fiel auf die exotischen Zebus. Daneben sind noch Zwerg- und Burenziegen, Hühner, Schweine und Ponys auf dem Hof am Eingang des Emmentals zu Hause. Auf den 30 Hektaren Land werden nach ökologischen Grundsätzen Weizen und Gerste sowie das Heu für die Tiere angebaut. Weit herum Bekanntheit hat der Berchtoldshof durch seine vielen verschiedenen Kartoffelsorten. Rund 50 Pflanz- und Speisekartoffeln, darunter zahlreiche Raritäten, werden hier angepflanzt. Die Kartoffeln, aber auch Eier und ein breites Angebot an Zebu-Fleisch können im Hofladen erworben werden. Zudem werden in Bätterkinden auch Gäste bewirtet.

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Zwergzebus sind mit einer Widerristhöhe von 110 Zentimetern weniger gross als die übrigen Fleischrinder, womit natürlich auch ihre Fleischstücke kleiner bemessen sind und dadurch in kein Label wie NaturaBeef oder SwissPrimeGourmet hineinpassen. Viele seiner Tiere wären zwar etwas zu gross geratene Zwergzebus und allgemein sei in der Schweiz der Wunsch vorhanden, die Tiere etwas grösser zu züchten. Doch bisher passt Zebu-Fleisch in kein Markenprogramm und ist ein Nischenprodukt, weshalb die Direktvermarktung die einzige Option darstellt, erklärt Christoph Jakob.

Mittlerweile hat sich die gute Qualität des Fleisches herumgesprochen, die ersten drei bis vier Jahre nach der Umstellung gestalteten sich jedoch ziemlich harzig, gibt der Betriebsleiter zu. «Zebu-Fleisch war den Schweizern gänzlich unbekannt und es benötigte viel Aufklärungsarbeit», so Jakob. Oft seien sie auf Unverständnis gestossen, wenn sie erklärten, dass es sich bei den Zebus um die in Indien als heilig verehrten Kühe handle, und hier ihr Fleisch zum Essen angeboten wird. Langsam hat das feinfaserige, sehr fett- und damit auch cholesterinarme Fleisch mit dem dezenten Wildgeschmack seine Abnehmer gefunden und auch erste Gastronomen werden darauf aufmerksam. Jakob berichtet, dass er regelmässig ein Altersheim beliefert. Anfangs war auch dort eine gewisse Ablehnung spürbar, doch als die Bewohner sich von der Schmackhaftigkeit des Fleisches überzeugen konnten und erfuhren, dass die Tiere nur wenige Kilometer entfernt auf der Weide standen, wurde daraus Begeisterung.

Dass Christoph Jakob ein grosser Fan seiner Zebus ist, wird im Gespräch und im Umgang mit den Tieren schnell ersichtlich. «Natürlich haben alle einen eigenen Namen, allerdings verzichten wir so weit wie möglich darauf, Menschennamen zu vergeben», erzählt der Hofbesitzer. Und so kommt es, dass er einer Kuh besonders liebevoll den Kopf tätschelt, die auf den Namen Erdbeeri hört.

Den Tieren zuliebe will Jakob die Bewilligung zur Hofschlachtung einholen, damit ihnen der stressige Transport in die Metzgerei erspart bleibt. Wichtig ist ihm auch eine vollständige, sogenannte «Nose to tail»-Verwertung. Die Häute beispielsweise werden zu modischen Taschen verarbeitet. Die Milch der Zebu-Kühe ist ausschliesslich für die Kälber vorgesehen. Obwohl sich Zebu-Milch dadurch auszeichnet, dass sie allergenfrei ist und somit auch für Personen mit einer Laktoseintoleranz bekömmlich wäre, wird sie in der Schweiz nirgends verwertet.

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Resistent und robust

«Der Aspekt der Nachhaltigkeit und Ökologie ist uns wichtig, und zwar nicht nur bei der Verwertung», betont Christoph Jakob. Gefüttert würden seine Zebus ausschliesslich mit Gras und Heu aus Eigenanbau. Kraftfutter bekomme diesen Rindern sowieso nicht, denn damit würden sie schnell zu fett. Dagegen können Zebus gut auch auf kargen oder buschigen Weiden eingesetzt werden. Ein weiterer Vorteil besteht in der hohen Hitzeresistenz dieser in tropischem Gebiet heimischen Rasse. Selbst bei über 30 Grad Celsius würden die Tiere keine Schattenplätze aufsuchen, gibt der Zebu-Halter Auskunft. Auch gegen Fliegen sind sie dank ihrer dicken Haut und der langen Ohren besser gewappnet als die einheimischen Rinder. Die kalten Schweizer Winter können ihnen trotzdem nichts anhaben.

Er würde seine Tiere die Wintermonate über einstallen und eine trockene Kälte sei ihnen schon lieber als nasskaltes Wetter. «Aber bei uns Menschen verhält sich das ja nicht viel anders», scherzt der Landwirt. Zebus auch den Winter über draussen zu halten, wie es manchmal propagiert wird, wäre für ihn nicht stimmig, vor allem auch, weil sie rund ums Jahr abkalben, meint Christoph Jakob. Eine künstliche Besamung ist bei Zebu-Kühen nämlich nur schlecht möglich, da sie ihre Brunst kaum merklich anzeigen. Deshalb läuft ständig ein Stier in der Herde mit. Die Geburten laufen in den allermeisten Fällen komplikationslos ab, was auch der Beckenform zu verdanken ist. Während Milchkühe ein gerades Becken haben, ist dasjenige der Zebu-Kühe typischerweise abgezogen.

Auf die sehr krankheitsresistenten Zebus sind mittlerweile auch andere Mutterkuhhalter in der Schweiz aufmerksam geworden. Einige davon werden sich vielleicht tatsächlich eine ganze Herde der indischen Buckelrinder anschaffen. Noch mehr setzen jedoch erst einmal auf die Einkreuzung eines Nelore-Stiers, um so die Robustheit der Simmentaler oder Grauviehkühe zu steigern.