Die ersten Viehtransporter rollen auf den grossen Parkplatz der Markthalle Burgdorf und machen vor dem Eingangstor halt. Ein Wegweiser mit der Aufschrift «Auffuhr» weist den Verkäufern den Weg. Während einige Kühe mit kaum zu bändigendem Übermut aus dem Anhänger hüpfen, müssen andere gut dazu überredet werden, das Gefährt zu verlassen. Einmal draussen, wird den Tieren ihre Verkaufsnummer mit blauem Marker auf das Hinterteil gemalt. Dann geht es nicht über den roten, sondern den grünen Teppich hinunter in Richtung Stall. Im Schnitt sind es 90 Tiere, die an eine der jährlich zwölf stattfindenden Abendauktionen in Burgdorf zum Verkauf angeliefert werden. Anfangs Jahr gibt es noch zusätzlich eine Kälber-Tagesauktion. Die meisten Kälber, Rinder und Kühe kommen aus den Kantonen Bern, Solothurn, Luzern und Freiburg. Es gibt aber auch Landwirte aus Schaffhausen, die ihre Tiere hier präsentieren, sagt Urs Buri, Präsident der Zucht- und Nutzviehauktion Burgdorf.

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Mittlerweile sind mehrere Kühe an der Betonmauer vor dem Stall angebunden. Hier werden sie für ihren Auftritt herausgeputzt – will heissen, es wartet eine Dusche. Die glänzenden Vertreterinnen der Rassen Holstein, Red Holstein und Swiss Fleckvieh werden dann an ihren Stallplatz geführt. Dort kauen die meisten Kühe gelassen ihr Heu, nur ab und zu ist ein leises Muhen zu hören. Etwas separiert ist auch Jungstier Santos angebunden, der das Geschehen misstrauisch beäugt. Ein Team von 13 Personen kümmert sich um die Pflege, Präsentation, Anmeldung und Vermarktung der Tiere.


Nun bilden die Autos mit den Anhängern eine lange Schlange vor der Markthalle. Landwirte, Leute aus dem Stallteam und die ersten Interessenten wuseln zwischen dem Vorplatz und dem Stall im Untergeschoss hin und her. Bis um 19.00 Uhr sollte jedes Tier an seinem Platz stehen, dann nämlich beginnt die Besichtigung. «Es gibt jedes Mal einige angemeldete Tiere, die kurz vorher zurückgezogen werden, und andere, die wiederum in allerletzter Minute angemeldet werden, schlussendlich sind dann aber meist in etwa die Anzahl an Tieren im Stall, wie auf dem Katalog aufgelistet», sagt Urs Buri. Wer jetzt noch keinen solchen Katalog besitzt, kann ihn für fünf Franken bei den zwei jungen Helfern erwerben, die in einer Stallecke ihren Verkaufstisch aufgeschlagen haben.

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Männer in Arbeitshosen und Überkitteln schieben sich durch die Stallgänge und mustern abwechselnden die Tiere und die entsprechenden Angaben im Katalog. «Die wichtigsten Faktoren, die eine gute Kuh ausmachen, sind ihre Milchmenge und Milchqualität, kommt ein gutes Exterieur und eine tolle Abstammung dazu, wird sie zur Spitzenkuh», so Buri. Mit diesen Qualitätsmerkmalen im Kopf geht auch der Präsident des Auktionskomitees durch die Stallgänge. Jeder Landwirt setzt bei der Anmeldung seines Tieres einen Schatzpreis fest, Buri überprüft, ob dieser wirklich realistisch ist, und diskutiert mit den Verkäufern gegebenenfalls Anpassungen nach oben oder unten.


Im Stall steigt die Anspannung, letzte Mistflecken werden weggeputzt und Schwänze aufgebürstet. In der Halle schwillt der Lärmpegel langsam an und ein feiner Bratwurstduft weht aus der Festwirtschaft herüber.


Urs Buri trifft sich mit seinem Team und Auktionator Andreas Aebi im kleinen Büroraum im hinteren Teil der Halle zur Sitzung. Tier für Tier wird durchgegangen und dabei erwähnt, ob der Schatzungspreis, also der Einstiegspreis für die Auktion, gleich geblieben ist oder sich verändert hat.


Die Markthalle ist bis auf den letzten Platz besetzt. An den Tischen im hinteren Teil wird gegessen und getrunken, während sich rund um den Verkaufsring die Interessenten positioniert haben. Die drei Stuhlreihen reichen bei Weitem nicht aus, zahlreiche Männer und Frauen haben sich, mit möglichst guter Sicht auf den Ring, dahinter aufgestellt. Die Scheinwerfer leuchten auf und Andreas Aebi macht einen letzten Soundcheck. Draussen am Eingang zum Präsentationsring warten bereits die beiden Kälber Svetlana und Lisa mit ihren Vorführern auf den baldigen Auftritt.

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Der Auktionator schreitet aufs Podest in der Mitte des Verkaufsrings. Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Urs Buri stellt das Tier, das den Verkaufsring betritt, vor. Informationen zu Alter, Abstammung und Milchleistung werden präsentiert. Dann hat Andreas Aebi seinen Einsatz. Mit dem Schatzungspreis legt er los, anschliessend schraubt sich der Preis entweder in die Höhe oder es zeigt auch einmal kein Anwesender sein Interesse an. «Durchschnittlich können 90 Prozent der angebotenen Tiere verkauft werden», so Buri. Im Publikum wird fachsimpelt. Nun sind auch viele jüngere Leute anwesend. Die Auktionen seien auch immer ein Event und Treffpunkt. «Auch wir können uns vor der Digitalisierung nicht verschliessen, in etwa zwei Jahren wird man bei unseren Auktionen online mitbieten können», so Buri.


Die heimlichen Stars, die Milchkühe, betreten die Manege, nachdem erst die Kälber und Rinder sowie Jungstier Santo versteigert wurden. «Die meisten Kühe wechseln für einen durchschnittlichen Preis von 3500 Franken den Besitzer, die Preisgestaltung ist immer abhängig vom Milchpreis.» Wenn 4000 Franken geboten werden, handle es sich um eine wirklich gute Kuh, bei 5000 Franken könne man von einer Spitzenkuh sprechen, so Buri. An diesem Donnerstagabend ist es die Nummer 25, die Red-Holstein-Dame mit dem Namen Bieri’s Ried Agent Raquita, die den Höchstpreis von 4600 Franken erzielt. Meist seien es private Käufer, die hier bieten.


Für Raquita und ihre Kolleginnen geht es nach der Präsentation zurück in den Stall, wo sie gemolken werden. Ist ein Tier verkauft, wird die Verkaufsnummer auf ihrem Hinterteil rot durchstrichen, sobald sie den Ring verlässt. Ihre neuen Besitzer können den Kaufpreis währenddessen in bar begleichen oder innerhalb von zehn Tagen mit einem Einzahlungsschein. Die meisten Tiere werden direkt am Abend von ihren neuen oder auch alten Besitzern nach Hause gefahren. Es besteht aber die Möglichkeit, die Kühe im betreuten Stall nächtigen zu lassen und sie dann am nächsten Morgen abzuholen.