Laut dem Marktlagenbericht der Schweizer Milchproduzenten SMP gab es im Juli 2023 514 496 Milchkühe in der Schweiz. Das hört sich nach einer hohen Summe an, in Tat und Wahrheit handelt es sich um einen historischen Tiefstand. Die Branche ist sich in den vergangenen Jahren einen kontinuierlichen Rückgang in der Anzahl Milchkühe zwar gewohnt. Ab dem Herbst des vergangenen Jahres kann jedoch ein regelrechter Sinkflug beobachtet werden. Im Juli 2022 wurden noch 11 500 Tiere mehr gezählt als im Juli dieses Jahr. Dies entspricht einem Rückgang von 2,2 Prozent.

Zum Vergleich: Im Januar 2012 lebten 606 443 Milchkühe in unserem Land, im Juli desselben Jahres 581 588. Sechs Jahre später waren es im Januar 564 735 Tiere und im Juli 543 274. Was über alle Jahre beobachtet werden kann, ist jeweils ein Einbruch der Tierbestände in den Sommermonaten, und ein deutlich höherer Bestand an Milchkühen in den Wintermonaten. Zu begründen ist diese Saisonalität damit, dass die meisten Tiere im Hebst abkalben, wenn sie von der Alp zurückkommen. Viele Rinder werden somit zur Kuh. Im Frühjahr findet dann die Auslese statt, welche Tier weiterhin als Milchkühe behalten werden und welche zur Schlachtbank geführt werden.

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Auch die Gesamtpopulation der Kühe in der Schweiz liegt auf einem Tiefstand mit total 655 240 Tieren im August 2023. Im Jahr zuvor lebten im selben Monat immerhin noch 664 999 Kühe in der Schweiz. Der Bestand ging also um rund 10 000 Tiere zurück. Bei den Kühen, die in der Tierverkehrsdatenbank von Identitas als «andere Kühe» festgehalten werden ist hingegen ein starker Anstieg zu beobachten. Dabei handelt es sich um Kühe, die nicht zur Milchproduktion gehalten werden, Mutterkühe sind hier miteingerechnet. Gab es im Juli 2010 erst 109 781 sogenannt «andere Kühe» ist diese Zahl im Juli 2023 auf die stattliche Nummer von 143 764 Tieren angewachsen. «Detaillierte Zahlen explizit zu Mutterkühen können wir keine vorweisen», sagt Karl Küenzi, der Fachspezialist Kommunikation von Identitas.

 

Verschiedene Gründe

Wie diese starke Abnahme exakt zu begründen ist, sei nicht einfach zu beantworten, sagt Reto Burkhardt, der Kommunikationsleiter der Schweizer Milchproduzenten. Es sei wohl eine Kombination aus mehreren Aspekten, die zu diesem Tiefstand geführt haben. Zum einen liege es am Strukturwandel – immer mehr Betriebe stellen nämlich von Milchkuh- auf Mutterkuhhaltung um oder steigen gar ganz aus der Kuhhaltung aus. Auch der markante Anstieg der für die Produzentinnen anfallenden Kosten spielt mit. «Der Milchpreis liegt zwar höher als vor einigen Jahren», so Burkhardt, die wegen Inflation, Krieg und Pandemie angestiegenen Produktionskosten fallen allerdings ins Gewicht. Weitere mögliche Gründe sieht Reto Burkhardt in der Hitze und der damit zusammenhängenden Futterknappheit. 2022 ging als besonders schlechtes Futterjahr in die Bücher ein.

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Keine Milchknappheit

Die Investitionen im Bereich der Milchkuhhaltung sind kaum eingebrochen. Im Gegenteil: Gerade der Bau von Roboterställen verzeichnet ein Hoch. Solche modernen Ställe weisen tendenziell einen höhere Milchertrag auf. Es findet also eine Leistungssteigerung bei den Milchkühen statt. Diese Entwicklung kann auch als Erklärung dafür herangezogen werden, weshalb die Milchmenge nicht in gleichem Masse abgenommen hat, wie die Anzahl der Tiere. Laut dem Marktlagebericht der SMP liegt die Milchproduktion nur minim unter dem Vorjahreswert. Von einer Milchknappheit muss also nicht gesprochen werden, sagt Reto Burkhardt. Dass zu viel Milch auf dem Markt sei, könne man allerdings auch nicht behaupten, so der Kommunikationsbeauftragte. «Schweizer Milch ist nach wie vor gesucht.»