Es ist scheusslichstes Novemberwetter im aargauischen Vordemwald. Die acht Zwergziegen von Bruno und Trudi Wenger haben sich in den Unterstand vor ihrem Stall zurückgezogen. «Die Kälte macht ihnen nichts aus, aber Regen mögen sie überhaupt nicht», sagt Trudi Wenger und sucht ebenfalls Schutz im Holzstall ihrer Tiere. Das Paar züchtet seit 2002 Zwergziegen. Als sie damals in ihr heutiges Haus zogen, sei klar gewesen, dass sie sich keine anderen Haustiere anschaffen wollen. «Unsere Kinder hatten immer grosse Freude an Zwergziegen», sagt Bruno Wenger. Besonders die Tochter habe Gefallen an den herzigen, kleinen Klauentieren gefunden. Ausserdem seien sie sehr pflegeleichte und unkomplizierte Haustiere, die ganz nebenbei noch den Rasen mähten.

Auf ihrem rund 3000 Quadratmeter grossen Grundstück am Rand der Aargauer Gemeinde können sich die energiegeladenen Tiere seither auf diversen Holzelementen austoben und herumspringen – das heisst, wenn die Schnürsenkel der Journalistin oder das leckere Heu im Futtertrog nicht ihre Aufmerksamkeit stehlen. «Es sind sehr zugängliche und verspielte Tiere, können aber lange misstrauisch sein», sagt Trudi Wenger. Eine der Ziegen beispielsweise, die nun schon seit sieben Jahren bei ihnen lebt, lasse noch immer wenig menschliche Nähe zu. «Man muss sie schon als junge Gitzi an Menschengewöhnen.»

Zwergziegen sind eine Rassengruppe der Hausziege (Capra aegagrus hircus), aber ursprünglich keine einheimischen Tiere. Sie stammen aus den Feuchtsavannen Westafrikas, wo sie ebenfalls als Haustiere geschätzt und genutzt werden. In der Wildnis allerdings leben sie in Herden und sollten daher auch nie allein gehalten werden. Ihre Lebenserwartung beträgt rund 15 Jahre. Die Böcke können bis zu 30 Kilogramm schwer werden und eine Schulterhöhe von 50 Zentimetern erreichen. Die Geissen sind etwas kleiner und leichter, meckern dafür um so lauter. Nach einer Tragzeit von 150 Tagen können sie bis zu vier Gitzi zur Welt bringen und innerhalb von zwei Jahren dreimal werfen.

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Wählerische Feinschmecker

Als Futter ziehen Zwergziegen Heu oder Gras vor, picken sich als Feinschmecker aber meist zuerst die leckersten Stücke heraus: Blätter, Blüten, Knospen oder Kräuter. «Etwa ein Drittel des Heus lassen sie dann einfach stehen», sagt Bruno Wenger und muss schmunzeln. Dieses nutzen sie anschliessend als Streu für den Stall. Auch Baumrinden oder Brombeersträucher seien nicht sicher vor den Meckerern. Aber sie fressen nicht etwa die Beeren, die seien ihnen zu sauer. Sie ziehen die Blätter der Sträucher vor. «Ich weiss bis heute nicht, wie sie sich auf die Sträucher stürzen können, ohne sich zu verletzen», sagt Trudi Wenger und lacht. Einzig Kohlgemüse sei nicht gut für sie. Das führe zu Zinkmangel. Und einseitige Ernährung mit Gras ohne Raufutter könne sogar zu tödlichen Blähungen führen.

Als die Regenwolken plötzlich aufreissen und Sonnenstrahlen das nasse Gras wärmen, zieht es auch die Zwergziegen wieder aus dem Unterstand. Hintereinander klettern sie auf den Baumstamm im umzäunten Gehege und einige kommen für Streicheleinheiten vorbei. Sie sind sich die Aufmerksamkeit gewöhnt. «Man kennt uns und unsere Ziegen in der Region», erzählt das Paar. Früher seien ganze Schulklassen bei ihnen zu Besuch gewesen und immer wieder würden auch junge Familien aus der Nachbarschaft bei einem Spaziergang einen Besuch bei den Tieren abstatten.

Aber nicht alle mögen die Tiere oder zumindest ihr Gemecker. Ein ehemaliger Nachbar beispielsweise habe sich oft über den «Lärm» der Ziegen beschwert. Und auch eine ihrer Ziegen stamme aus einer Haltung, wo die Nachbarschaft laut genug gemeckert hat und die Halterin die Tiere abgeben musste. «Wenn man sich Zwergziegen anschafft, sollte man gut abklären, ob jemand aus der Nachbarschaft ein Problem damit hat», so Trudi Wenger.

Alles in allem aber seien Zwergziegen sehr treue Wegbegleiter und gute Zuhörer. «Sie geben einem sehr viel zurück», sagt Bruno Wenger. Sie merken, wenn etwas nicht stimmt, und haben eine ähnlich therapeutische Wirkung auf das Paar wie etwa Hunde oder Pferde. «Man kann sich einfach zu ihnen setzen und die Sorgen abladen.» Bei der Auswahl der Tiere sei die gegenseitige Sympathie daher sehr wichtig. «Wenn das Tier zu dir kommt, dann ist es das richtige.»

Die IG Zwergziegen
Bruno Wenger ist seit 2006 Mitglied der Interessengemeinschaft Zwergziegen und seit mehreren Jahren im Vorstand des Vereins, der von Beatrix Probst präsidiert wird. Er zählt schweizweit über 120 Mitglieder und setzt sich für die Interessen der Züchter ein und vermittelt zwischen den Behörden und den Mitgliedern. So setzt sich die IG beispielsweise dafür ein, den Genpool der Zwergziegen in der Schweiz zu erweitern, da dieser immer weiter schrumpfe. Dafür sei man mit dem Tierpark Goldau im Gespräch und wolle Böcke aus Deutschland und Österreich für die Zucht importieren. Die Gesundheit der Zwergziegen hat für die IG dabei oberste Priorität und sie berät auch ihre Mitglieder über deren Haltung und Fütterung.