Experten warnen, dass der Viktoriasee – Afrikas grösster See – schon bald nicht mehr in der Lage sein wird, Millionen Menschen zu ernähren, die mittlerweile von ihm abhängig sind. Der Viktoriasee umfasst 69'000 Quadratkilometer und ist damit mehr als eineinhalb Mal so gross wie die Fläche der Schweiz. Er grenzt auch an Tansania und Kenia, aber besonders dramatisch ist die Lage in Uganda.

Dort tragen unkontrollierte Überfischung, die zunehmende Überbevölkerung und Wasserverschmutzung zum Aussterben der See-Lebewesen bei. «Auf der gesamten ugandischen Seite befinden sich Blumenfarmen am Ufer. Sie leiten Chemikalien in den See, die die Fische töten und die Artenvielfalt zerstören», sagt Frank Muramuzi, der Direktor der Umweltschutzgruppe National Association of Professional Environmentalists (Nape). Daneben gibt es noch zahlreiche weitere Industrieanlagen und Fischfabriken, die das Wasser verunreinigen. «Der See stirbt langsam und die ökologischen Folgen werden irreversibel sein.»

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Tilapia (Buntbarsche) legen unbefruchtete Eier.
Bild: Bjørn Christian Tørrissen / cc-by-sa

Laichplätze zu schmutzig
Die Industrieabfälle erstickten den See langsam, meint Naomi Namara, die Sprecherin der staatlichen Umweltbehörde NEMA. Studien hätten zuletzt ergeben, dass etwa der Tilapia-Fisch (Buntbarsch) keine Eier mehr am Ufer lege, weil es dort zu schmutzig und zu sauerstoffarm sei. «Sie schwimmen herum und legen unbefruchtete Eier, die sie letztlich selbst fressen.»

Auch siedeln seit Jahren immer mehr Menschen rund um das Ufer und versuchen, sich mit Fischfang einen Unterhalt zu verdienen. Mehr als eine Million Ugander leben mittlerweile in der Region – zu viele für die schwindende Zahl der Fische. Noch bis 2007 wurden etwa 500'000 Tonnen Süsswasserfische verarbeitet. 223'000 Tonnen davon stammen aus dem Viktoriasee. Sechs Jahre später waren es laut dem ugandischen Statistikbüro nur noch 193'000 Tonnen. Allein von 2011 bis 2012 verzeichnete die UNO-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) in ganz Uganda einen Rückgang von 6,8 Prozent. Dennoch ist das ostafrikanische Land weiter der grösste Produzent von Süsswasserfisch in Afrika.

Fischernetze zu engmaschig
Ein massives Problem sind derweil illegale Fischereimethoden. So werden engmaschige Netze eingesetzt, die in Uganda unter dem Namen «Kokota» bekannt sind und in denen sich Fische jeglicher Grösse verfangen – häufig solche, die gar nicht genutzt werden. Werden die Netze nicht mehr gebraucht, verbleiben sie im Wasser, wo sie noch über Jahre zur Umweltverschmutzung beitragen. «Geisternetze» heissen diese herrenlosen Fanggeräte in der Fachsprache.

So aggressiv sind die Fangmethoden, dass die Fische mittlerweile ständig in Angst leben. «Wir Ugander jagen die Fische in alle Richtungen und sie sind ständig auf der Flucht. Aber wenn ein Fisch gestresst ist, dann pflanzt er sich nicht mehr fort», sagt Fischereiexperte Juma Isabirye.

Umweltschützer fordern Zwangspausen
Die Situation ist derart dramatisch, dass sich die Regierung in Kampala bereits veranlasst sah, Fischereibeamte und sogar militärisches Personal zu entsenden. Ihre Aufgabe: Menschen, die illegale Fischereimethoden anwenden, festzunehmen und zu kleine Fische zu beschlagnahmen. Aber Kritiker sagen, dass sich viele Beamte bestechen liessen und die zuständigen Politiker bei weitem nicht genug täten, um das Leben im Viktoriasee zu retten.

Deshalb setzen sich Umweltschützer jetzt mehr und mehr für Zwangspausen ein, in denen das Fischen für zwei oder drei Monate komplett verboten werden sollte. So könnten sich die Fische immerhin einmal wieder ungestört fortpflanzen, sagen Experten. Wie das genau aussehen und überwacht werden soll, weiss aber niemand.