Ein Knall, ein Rumpeln, ein Quietschen, ein Hammerschlag. Der Geräuschpegel in der grossen Halle ist hoch. Maschinen surren vor sich hin, ein Gabelstapler kurvt an den meterhohen Palettenwänden vorbei und einige Arbeiter zerlegen Geräte und werfen die Einzelteile in Metallkisten. An diesem Mittwochmorgen herrscht reges Treiben hinter Tor C der Altola AG in Olten. Spezialisiert hat sich die Entsorgungsfirma eigentlich auf Sonderabfälle; insbesondere werden Öl, Lösungsmittel, Laugen oder Säuren verarbeitet und verwertet. In dieser Halle jedoch dreht sich alles um Elektroschrott.

Hinter den Kulissen der Altola AG

Egal, ob Kühlschrank, Lautsprecher, Smartphone oder Bügeleisen – in all diesen weggeworfenen Elektronikgeräten stecken wertvolle Materialien, die recycelt werden können. Um an diese Stoffe heranzukommen, benötigt es aber einiges an Sortier- und Demontierarbeit. Über sieben Tonnen Schrott werden hier in Olten jeden Tag verarbeitet und auseinandergenommen. «Hauptsächlich handelt es sich um Unterhaltungs- und Haushaltselektronik», sagt Abteilungsleiter Claudio Ryf beim Rundgang über das Gelände. Wie alle Anwesenden tragen wir orange Leuchtwesten, blaue Schutzhelme und durchsichtige Schutzbrillen. Sicherheit wird bei der Altola AG grossgeschrieben, immerhin wird nicht nur mit scharfen Materialien hantiert, denn viele der Geräte enthalten auch Schadstoffe.

«Im ersten Schritt haben wir es auf Wert- und Schadstoffe abgesehen.»

Claudio Ryf, Abteilungsleiter Altola AG

Beispielsweise die grossen Kühltruhen und Eisschränke, auf die wir gleich zu Beginn treffen. Übereinandergestapelt lagern diese etwas abseits. Sie enthalten Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), erklärt Ryf: «Kältemittel oder Lösemittel, die nicht in die Ozonschicht gelangen dürfen und deshalb in einem geschlossenen Verfahren geschreddert werden müssen.» Das spezifische Prozedere übernimmt eine andere, darauf spezialisierte Firma, die Altola AG dient nur als Zwischenstation auf dem langen Weg der ausrangierten Geräte.

[IMG 2]

Recyclingbeitrag

Ein paar Wochen zuvor in einem Schweizer Haushalt. Die rote Kaffeemaschine, die seit Jahren gute Dienste geleistet hat, gibt plötzlich ihren Geist auf. Eine Reparatur wäre zu teuer, eine neue Maschine eh schon lange gewünscht. Also wird das Gerät entsorgt. Entweder es wird zu einem Fachhändler oder zum Entsorgungshof gebracht. So oder so landet die Kaffeemaschine mit etlichen anderen defekten oder nicht mehr genutzten Elektrogeräten in einer Palettenkiste. Bezahlen müssen Herr und Frau Schweizer allerdings für die Entsorgung ihres Elektroschrotts nichts, das haben sie bereits beim Kauf des Geräts getan. Im Preis der roten Kaffeemaschine inbegriffen war auch der sogenannte vorgezogene Recyclingbeitrag (vRB). Wie hoch dieser ist, hängt ganz vom erworbenen Gerät ab. Grundsätzlich gilt: Je grösser und schwerer die Maschine, desto höher die Gebühr. Für Kleingeräte wie der Kaffeemaschine liegt der Betrag aktuell bei etwa 65 Rappen. Über den Recyclingbeitrag wird nicht nur sichergestellt, dass die Elektrogeräte fachgerecht entsorgt werden, sondern, dass sie von den Konsumentinnen und Konsumenten überall wieder zurückgegeben werden können – also nicht nur bei der Entsorgungsstelle, sondern in jedem Geschäft, welches Kaffeemaschinen verkauft. Das Ganze wird schweizweit durch die Stiftung Sens eRecycling organisiert.

Vom Entsorgungshof aus geht es für das kaputte Gerät weiter zum Recyclingbetrieb. Gut ein Dutzend solcher Unternehmen gibt es in der Schweiz, die Altola AG ist eines davon. Am frühen Morgen fährt ein Lastwagen nach dem anderen auf dem Gelände vor und lädt die Kisten mit Elektroschrott ab. Diese hölzernen Palettenkisten, «à drei Rahmen», wie es Claudio Ryf ausdrückt, werden in einer Ecke der Halle gesammelt. Um 9 Uhr früh stehen hier bereits ungefähr 60 solcher Kisten, bis obenhin gefüllt mit Druckern, Boxen, Handys oder Laptops. Den Arbeiterinnen und Arbeitern steht ein langer Tag bevor.

[IMG 4]

Zerlegung auf dem Band

Eine Kiste nach der anderen landet nun auf dem schwarzen Förderband in der Mitte der Halle. Mithilfe des Gabelstaplers werden sie zuerst in die Waage gekippt und dann auf dem Band verteilt. Hier beginnt die Handarbeit und bei der sogenannten Vorentfrachtung geht nichts ohne Muskelkraft. Bis zu sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen links und rechts vom Band, auch sie tragen alle Leuchtwesten, Schutzbrillen und weisse Handschuhe. Die fleissigen Hände kommen von der Bildungswerkstätte Oltech GmbH, die Stellensuchende für den Arbeitsmarkt qualifiziert und auf die Wiedereingliederung vorbereitet. Die Arbeit am Band ist für die Männer und Frauen nur eine Zwischenstation, dennoch werden sie von Claudio Ryf akribisch instruiert und geschult. Denn die Geräte fachgerecht auseinander zu nehmen, ist eine Wissenschaft für sich. Am Band geschieht die grobe Zerlegung. Alles, was später nicht im Schredder landen darf oder noch feiner auseinandergenommen werden muss, wird abmontiert. Hammer und Akkuschrauber gehören zu den wichtigsten Werkzeugen der Arbeitenden. Einer der Männer schnappt sich einen alten Lautsprecher, schneidet die Kabel ab, nimmt den eingebauten Akku heraus. Jede Komponente landet in einem anderen Gebinde. «In diesem ersten Schritt haben wir es vor allem auf die Wert- und Schadstoffe abgesehen», erklärt Teamleiter Ryf und präsentiert eine Box, in der lauter Batterien liegen. Auch Leuchtmittel, Druckerpatronen oder Akkus werden aussortiert.

Das eigentlich recht simple Konzept birgt einige Tücken. Immer wieder landen unbekannte Geräte auf dem Band. «Dann müssen wir recherchieren.» Besitzt das Gerät einen Akku? Oder sind irgendwo Batterien verbaut? Gibt es schädliche Stoffe, auf die man aufpassen muss? «Das ist manchmal richtige Detektivarbeit», meint der junge Mann mit einem Schmunzeln. Gerade weil Batterien und Akkus immer kleiner und kompakter werden, müsse man teilweise richtig nach ihnen suchen. Früher sei dies einfacher gewesen, «da wusste man: Hat etwas ein Kabel, hat es keinen Akku. Darauf kann man sich heute nicht mehr verlassen.»

[IMG 3]

Feinarbeit in der Werkstatt

Die rote Kaffeemaschine wird nun rigoros auseinandergenommen. Fleissige Hände reissen das Plastikgehäuse auf, entfernen die Kunststoff- und Metallteile, schneiden die Kabel ab und werfen den Durchlauferhitzer in eine Kiste. Der grösste Teil der Maschine landet in der geräumigen grünen Deckelmulde, die draussen unter dem Vordach der Halle steht. Hier wird all jenes Material gesammelt, das in einem nächsten Schritt verarbeitet und sortiert werden muss. Diesen Schritt übernimmt nicht die Altola AG, sondern einer von mehreren spezialisierten Verarbeitern. Dort steht dann ein grosser Schredder, der das Material in winzige Teile zerlegt und die Feinpartikel später mittels Sieb und Magnet aussortiert. So werden auch noch die letzten Aluminiumstücke und Kupferreste herausgeholt.

Doch weshalb schmeisst man die rote Kaffeemaschine nicht einfach gleich in den Schredder? Weshalb dieser zeitraubende, personalaufwendige Zwischenschritt? Die Materialien vorab zu sortieren, dient einerseits der besseren Verwertung, erklärt der Fachmann. Je nachdem, was im Schredder landet, werde dieser nämlich anders justiert. «Je besser wir vorab sortieren, desto besser kann später geschreddert werden.» Und desto weniger Wertstoffe gehen im Prozess verloren. Andererseits ist Recycling auch ein Geschäft. Für die Altola AG ist das gewinnbringende Weiterverkaufen der Materialien ein wichtiger Faktor. Besonders wertvoll sind etwa die Edelmetalle, welche in Elektrogeräten verbaut werden.

Um sie dreht sich alles in der Werkstatt der Altola AG. Hier ist es deutlich ruhiger als draussen in der Halle, mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sitzen ganz fokussiert an ihren Tischen und zerlegen Computer und Fernseher in ihre Einzelteile. Statt dem Hammer kommen hier Schraubenzieher und Zange zum Einsatz. Die einzelnen Bestandteile wie Leiterplatten, Festplatten oder Kabel landen in separaten Gebinden, welche später an spezialisierte Firmen verkauft werden. Claudio Ryf steuert zielsicher auf eines der Behältnisse zu und nimmt einen CPU-Lüfter in die Hand, eine Art kleiner Ventilator, eingebunden in ein Plastikgehäuse. «Heute gibt es noch keine Methode, um die Magnetspulen richtig zu recyceln», sinniert er und dreht das Teil in seiner Hand, «irgendwann wird es aber auch hierfür eine Methode geben.» Deshalb werden die Lüfter schon heute gesammelt. Vorausdenken und auf dem neusten Stand bleiben, ist für ein Recyclingunternehmen unerlässlich. Einerseits schläft die Konkurrenz nicht, andererseits werden die nationalen Vorschriften stetig angepasst. Die Altola AG werde jedes Jahr einer Grosskontrolle unterzogen, erzählt Ryf: «Da müssen wir genau angeben, wie viel wir verwertet haben und was an wen verkauft wurde.» Recycling von Elektroschrott ist also nicht nur ein lautes Geschäft, sondern auch ein streng überwachtes. Rund 127 000 Tonnen Elektroschrott werden in der Schweiz jedes Jahr recycelt – darunter auch so manche rote Kaffeemaschine.

Komponenten der Kaffeemaschine
Laut der Stiftung Sens eRecycling können gut 80 Prozent der roten Kaffeemaschine recycelt werden. Dabei handelt es sich um folgende Einzelteile:

Die Kupferkabel
Der Kabelmantel wird mittels Abspleissen entfernt und dann, aufgrund des enthaltenen Flammschutzhemmers, thermisch verwendet – also in einer Kehrichtverbrennungsanlage oder einem Zementwerk verbrannt. Der Rest wird in einer Kupferhütte eingeschmolzen und für neue Produkte genutzt.

Das Metall
Die enthaltenen Metalle wie Eisen, Aluminium, Chromstahl oder Messing werden etwa im Schredder oder durch die manuelle Zerlegung voneinander getrennt. Hierfür gibt es spezielle Verfahren und Anlagen.

Der Durchlauferhitzer
Jener Teil der Kaffeemaschine, welcher das Wasser in einer Spirale schnell erhitzt, wird beim Recyclen separat verwertet. 75 Prozent des Durchlauferhitzers sind recycelbar – dazu gehören Aluminium, Keramik, Eisen und zum Teil auch Klebstoffe.

Der Kunststoff
Die Hülle, der Wassertank und die restlichen Kunststoffbestandteile machen den grössten Teil der recycelbaren Bestandteile aus. Von 2043 Gramm Kunststoff können ganze 904 Gramm verwertet werden.