Seit Samuel Mugambi die Methode beherrscht, hat er bessere Ernten und höhere Einnahmen. Der Mangobauer aus dem Meru-Gebiet in Kenia hatte mit Fruchtfliegen zu kämpfen, die seine Früchte anfrassen. Die eingeschleppten Fruchtfliegen haben den Ertrag empfindlich geschmälert, sodass bei der Familie Mugambi bald der Hunger mit am Tisch sass.

Dr. Fathiya Khamis vom Internationalen Insektenforschungsinstitut Icipe in Nairobi, Kenia, zeigte Samuel Mugambi, wie er den Fruchtfliegenbefall in seinen Mangoplantagen verringern kann. Fortan entfernt er konsequent mit Fruchtfliegen befallene Mangos, montiert Duftfallen für die Fliegen und lässt in der Plantage Schlupfwespen frei, die natürlichen Feinde der Fruchtfliegen. So werden Ernteausfälle verringert, die meisten Mangos bleiben bis zur Reife unbeschädigt. Das Einkommen der Familie ist wieder gesichert.

Biovision arbeitet seit Anfang 2000 eng mit dem renommierten Forschungsinstitut Icipe zusammen. Von 1995 bis 2005 war der Schweizer Dr. Hans Rudolf Herren Generaldirektor des Instituts. Den Agronomen und Insektenforscher beschäftigte, dass das ganze Wissen aus Forschungen zur biologischen Schädlingsbekämpfung Kleinbäuerinnen und Bauern oft nicht zugänglich ist. Er wollte Kleinbauern in Ostafrika, die mit landwirtschaftlichen Problemen kämpften, zeigen, wie sie mit einfachen biologischen Methoden bessere Ernten erzielen. Darum gründete er vor 25 Jahren in der Schweiz die Organisation Biovision. Sie ermöglicht dank Mitgliedern und Spendern den Wissenstransfer vom Labor aufs Feld und verbesserte seitdem das Leben zahlreicher Bauernfamilien, wie auch dasjenige von Samuel Mugambi.

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Resistente Sorten züchten

Mittlerweile betreut Biovision Projekte in Äthiopien, Burundi, Kenia, Malawi, Simbabwe, Tansania und Uganda. Die Organisation vermittelt Wissen und auch praktische Fähigkeiten in agrarökologischer Landwirtschaft an Bäuerinnen und Bauern, Beratungsdienstleistende und Behörden. In Ostafrika arbeitet Biovision eng mit lokal verankerten Organisationen zusammen. Mit dem Einsatz ökologischer und innovativer Ansätze stärkt Biovision die Menschen und ihre Umgebung und verbessert deren Lebens- und Umweltbedingungen.

Wie können im Jahr 2050 10 Milliarden Menschen ernährt werden? Hans Rudolf Herren ist der Auffassung, dass es nicht etwa in erster Linie darauf ankomme, dass möglichst viel Nahrung produziert wird, sondern das Richtige am richtigen Ort in richtiger Weise. Mit dieser Sichtweise bringt Biovision mit der Verbesserung landwirtschaftlicher Bedingungen ganze regionale Produktionsketten zum Laufen. Das zeigt etwa ein anderes Beispiel mit Mangobäumen im Süden Äthiopiens:

Dort erlernten 4000 Bäuerinnen und Bauern im Rahmen eines Projekts von Biovision, wie sie mit agrarökologischen Methoden die Gesundheit ihrer Mangobäume und damit die Qualität und Menge der Ernte verbessern können. Doch allein mit einer guten Ernte war es nicht getan. Es fehlten verlässliche Marktbedingungen, Materialien für Insektenfallen, Biopestizide und resistente Mangosorten. Auch hier setzt Biovision den Hebel an und unterstützt seit 2021 Jungunternehmer beim Aufbau dieser Dienstleistungen. Letztes Jahr wurden 85 Frauen und Männer in der Anzucht und Pflege von Mangobäumen und in der Unternehmensführung geschult. Folglich konnten fünf neu gegründete Unternehmen mehr als 170 000 Setzlinge und Stecklinge resistenterer Mangosorten an Kleinbäuerinnen verkaufen und über 1500 bestehende Bäume mit neuen Sorten veredeln. Langfristig erzielen diese Bäume höhere Erträge, die Früchte der neuen Sorte werden kaum noch von Fruchtfliegen befallen. Das Richtige am richtigen Ort pflanzen eben.

Die Methoden von Biovision sind erfolgreich in Afrika, doch Ernährungskreisläufe beschäftigen weltweit, auch die Schweiz. Darum ist Biovision heute auch hier aktiv und äussert sich zum Ernährungssystem. «In der Schweiz vermitteln wir Wissen und Handlungstipps zu nachhaltigem Konsum und sind ein aktiver Teil der Bewegung für eine nachhaltige Ernährungszukunft», sagt der Informationsbeauftragte von Biovision, Martin Grossenbacher.

Bürokratischen Aufwand senken

Den Begriff Nachhaltigkeit und den Ansatz von Biovision erklärt Grossenbacher wie folgt: «Nachhaltig bedeutet nicht einfach, dass in Zukunft alles 100 Prozent Bio sein muss, was auf den Teller kommt.» Es gehe darum, das Ernährungssystem von der Heugabel bis zum Suppenlöffel so zu gestalten, dass die Ressourcen wie Boden, Wasser, Luft, Biodiversität geschont würden und das sowohl sozial wie auch wirtschaftlich funktioniere. «Die Wege dorthin sind je nach Region unterschiedlich – sowohl in Afrika wie in der Schweiz –, und jedes Produktionssystem erfordert auch lokal angepasste Lösungen.» Der Ansatz, der dies erfüllt, sei die Agrarökologie. Das hätten auch bereits sehr viele Schweizer Landwirte erkannt und Ansätze dazu in ihre IP-Suisse-, konventionellen oder Bio-Betriebe übernommen, fährt Martin Grossenbacher fort und betont: «Der Schlüssel zum Erfolg sind Lösungen, die mit allen Akteuren und Betroffenen gemeinsam an einem Tisch entwickelt werden.»

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Biovision meint, dass die Welt mit nachhaltigen Produktionsmethoden ernährt werden kann, und hat dabei auch die Menschen im Auge. «Diejenigen, die den Lebensunterhalt im Ernährungssystem bestreiten, wie Bäuerinnen, Verarbeiter, Köchinnen und Verkäufer, gehören meist zu den Bevölkerungsgruppen mit den tiefsten Einkommen.» Darum sei eine nachhaltige Ausgestaltung des Ernährungssystems eine dringliche und gesamtgesellschaftliche Aufgabe. «Dazu muss das Ernährungssystem entlang der gesamten Wertschöpfungskette betrachtet werden», unterstreicht Grossenbacher. Sie Stiftung Biovision setzt sich dafür ein, Konsumentinnen aufzuklären, die Preispolitik beim Detailhandel zu verändern, eine nachhaltige Landwirtschaft, Forschung und Ausbildung im Ernährungsbereich zu fördern. Wenn Biovision von der Transformation des Ernährungssystems Schweiz spricht, meint die Organisation auch, dass in Zukunft mehr Ackerfläche für menschliche statt tierische Ernährung genutzt, der bürokratische Aufwand in der Landwirtschaft gesenkt und der Selbstversorgungsgrad der Schweiz erhöht wird.

Was in Ostafrika durch Hans Rudolf Herren begann, hat zwischenzeitlich weltweite Dimensionen. Biovision hat das Leben zahlreicher Kleinbauern positiv verändert, entwickelt Methoden für ökologische Landwirtschaft und zeigt dabei: Es geht auch ohne Pestizide. Ganze 32 800 aktive Gönnerinnen und Mitgliederunterstützen die Organisation, die in diesem Jahr 25 Jahre alt wird.