Auf dem Weg vom Stall zur Weide oder zum Paddock und wieder zurück haben es Pferde und Menschen oft gleichermassen eilig. Die Vierbeiner freuen sich morgens auf Gras, Auslauf und ihre Artgenossen und wissen abends oft, dass in der Box Kraftfutter serviert wird. Auf ihre Halter oder die Angestellten im Stall wartet morgens nach dem Rausbringen in der Regel eine lange To-do-Liste und abends will man wegen des ersehnten Feierabends oder der Dressurstunde auf dem Weg von der Weide auch lieber nicht zu viel Zeit verlieren.

«Schnell, schnell» lautet deshalb auch in vielen Reitställen das Motto für den Weideweg: Manchmal werden einfach die Boxen oder das Weidetor geöffnet und die Pferde laufen frei. Auf den ersten Blick sparen solche Routinen zwar Zeit, auf Dauer verursachen sie aber eine Reihe von Problemen und im schlimmsten Fall Unfälle.

Leider passiert es immer wieder, dass Menschen auf dem Weideweg, beim Loslassen, Einfangen oder Rausnehmen von aufgeregten Pferden überrannt oder getreten werden. «Viele Menschen unterschätzen sowohl die Gefahr solcher Situationen als auch die verheerenden Auswirkungen, die schlechte Gewohnheiten auf das restliche Miteinander haben», sagt Carmen Zulauf, Parelli-Instruktorin aus Avenches VD. Wer seinem Pferd morgens erlaube, im Stechtrab hinter den Artgenossen auf die Weide zu rennen, müsse sich nicht wundern, wenn es beim nächsten Ausritt ungefragt hinter den anderen Pferden der Gruppe herrenne oder sich abends nicht ruhig am Strick zum Stall führen lasse.

Es ist einfach, das Problem zu lösen
Und wenn das Reinholen zum Stress ausartet, wird die abschliessende Reitstunde auch nur selten harmonisch. Leider würden die meisten Pferdehalter auch vergessen, wie einfach es im Endeffekt sei, das Problem in den Griff zu bekommen, bedauert Zulauf.

Das Ziel sollte es sein, dass jedes Pferd mit Halfter und Strick ruhig zur Weide oder zurück zum Stall geführt wird. Auf der Weide lässt man das Pferd nicht einfach los, sondern dreht es zumindest mit dem Kopf zurück zum Tor, damit sich schliesslich der Mensch vom Pferd und nicht das Pferd vom Menschen entfernt. So vermeidet man, dass das Pferd buckelnd losgaloppiert und dabei unter Umständen den Menschen tritt.

Damit das funktionieren kann, sollten sich die Pferdehalter untereinander absprechen oder die Stallbesitzer klare Regeln aufstellen. Und natürlich müssen die Pferde eine gewisse Grunderziehung genossen haben. «Lässt sich ein Pferd generell nicht ruhig und sicher führen, sollte man das erst einmal in einer weniger aufregenden Situation, also etwa bei der Bodenarbeit auf dem Platz, üben», rät die Trainerin, die hauptsächlich im französischsprachigen Europa unterrichtet, aber auch Kurse auf Deutsch, Englisch und Italienisch gibt.

Zu gefährlichem Gedränge am Weidetor kommt es nach Carmen Zulaufs Erfahrung unter anderem oft dann, wenn das Futterangebot auf der Weide mager ist und die Pferde abends zum Fressen in den Stall wollen. Tumult kann auch entstehen, wenn jemand sein Pferd mit Rüebli oder Leckerlis von der Weide holt. Dann wollen die Kumpels in der Regel nämlich auch etwas abhaben. Auch wenn Pferde recht neu in der Herde sind, kann es schwierig werden.

Strick und Gerte können helfen
Wer dann zum Beispiel sein rangniedriges Pferd reinholen will, ohne dass es von seinen Kumpels angerempelt wird und ohne dass auch andere Pferde mit durchs Tor laufen, sollte den persönlichen Raum von sich und seinem Pferd ruhig, aber bestimmt mit einem langen Strick oder einer Gerte verteidigen. Auch das setzt aber natürlich voraus, dass alle Pferde Strick oder Gerte kennen und wissen, was man ihnen damit sagen möchte.

«Solche Situationen sind immer heikel und es ist wichtig, dass man das Verhalten der Herde lesen und abschätzen kann», erzählt Zulauf. «Je nach eigener Erfahrung, Interaktion in der Herde und am Weidetor, sollte man deshalb einen erfahrenen Ausbilder oder wenigstens einen Helfer mitnehmen.» Man sollte sich im Idealfall nicht ins Gedränge der Herde stürzen, sondern erst dann zum Pferd gehen, wenn es frei und ruhig steht. Wird die Situation trotzdem einmal brenzlig, sollte man sie im Notfall auch abbrechen. Auf der anderen Seite des Zauns könne man dann mit ruhigem Kopf gemeinsam nachdenken und eine Lösung finden. Das erspart allen Beteiligten viel Stress und beugt Verletzungen vor.

Zulauf hat auch schon gesehen, dass Pferde, die sehr an ihren Artgenossen kleben, durch den Zaun laufen oder versuchen, darüberzuspringen, wenn man sie alleine auf der Weide zurücklässt. So etwas müsse man natürlich unbedingt vermeiden.

Wie einfach und sicher Rausbringen und Reinholen sind, hängt in erster Linie von der Grundausbildung und guten Gewohnheiten sowie dem Wissen des Pferdehalters ab. Aber auch das Tor spielt eine Rolle. Es sollte sich problemlos mit einer Hand öffnen und wieder verschliessen lassen.

Ein Tor ist besser als ein Elektrozaun
Im Allgemeinen eignen sich richtige Tore aus Metall oder Holz besser als ein einfacher Verschluss mit dem Elektrozaun. Einmal, weil sich viele Pferde vor dem möglichen Stromschlag fürchten und weil sie am Ein- und Ausgang unruhig und ängstlich werden. Zum anderen lässt sich ein Tor in der Regel leichter handhaben und macht es unwahrscheinlicher, dass neben dem eigenen Pferd noch andere Vierbeiner entwischen.

Da man aber im Pensionsstall nicht immer Einfluss auf die Torart nehmen kann, sollte man zumindest dafür sorgen, dass das Pferd ruhig hindurchgeht. «Das muss man dann genauso üben wie eine neue Dressurlektion oder eine neue Aufgabe bei der Bodenarbeit», sagt Zulauf.

Befinden sich Weide oder Paddock in der Nähe einer Strasse oder einer anderen Gefahrenquelle, kann es aus Sicherheitsgründen sinnvoll sein, im Abstand von einigen Metern zwei Tore einzubauen. Ist ausreichend Platz vorhanden, kann man auch einen 20 bis 30 Meter langen Teil der Weide abgrenzen und einen Einfangbereich schaffen. «Das wird besonders bei Zuchtbetrieben mit grösseren Herden gemacht, wenn die Weide zwei bis drei Hektar oder noch grösser ist», erklärt Zulauf. Man lässt dann die Herde zum Füttern in den Einfangbereich. So sind alle ruhig und es gibt keine Raufereien und kein Gedränge am Tor. Ein weiterer, bequemer Vorteil: Pferden, die sich schlecht einfangen lassen, muss man dank einem solchen Pferch nicht ans andere Ende einer grossen Weide folgen.